Warum hat Deutschland keine Verfassung? (27.04.2025)

Die jüngsten Vorgänge im deutschen Bundestag zeigen ein Hauptproblem des deutschen Grundgesetzes auf: Die Gründer der BRD hatten die politischen Parteien bzw. deren Führungen zu Kontrolleuren der Gesellschaft gemacht.

Aus Furcht vor einem neuen „Populisten“, wollte man die Bevölkerung ausschließen, wirklich wichtige Entscheidungen zu fällen, sondern überließ die einem „Konsens der staatstragenden politischen Parteien“. Dass sich dieser Konsens bzw. die Parteien dann als eigentliche Gefährder des GEISTES des Grundgesetzes herausstellen sollten, hätten sich die Gründer denken können, wenn sie die antiken Philosophen befragt hätten, die schon vor Tausenden von Jahren darüber diskutierten: „Quis custodiet ipsos custodes?“ also „Wer kontrolliert die Kontrolleure“. Welche Folgen das hat, will ich versuchen, darzustellen.

Jean-Jacques Rousseau hatte schon früh begriffen, dass es eigentlich nur eine Möglichkeit gibt, Machtmissbrauch durch eine Elite zu verhindern. Nämlich indem die wichtigsten Regeln, die Verfassung, durch ALLE Mitglieder der Gesellschaft in einem Referendum bestätigt werden. Auch Denker wie Locke, der gerne von Liberalen zitiert wird, zeigen Tendenzen dem zuzustimmen. Aber am deutlichsten macht Rousseau schon im 18. Jahrhundert in seiner grundlegenden Schrift „Der Gesellschaftsvertrag“, dass eine legitime Autorität nur durch die Zustimmung des Volkes entstehen kann. Rousseau betonte, dass man die Souveränität des Volkes nicht auf Vertreter übertragen kann. Was ihn in grundlegenden Widerspruch zu der so genannten „Repräsentativen Demokratie“ setzt. Und hier kommt das Grundgesetz ins Spiel.

  1. Wurde das Grundgesetz niemals durch eine allgemeine Volksabstimmung bestätigt. Und selbst die Vertreter waren sich nicht einig. So hatte Bayern z.B. das Grundgesetz eigentlich abgelehnt, nutzt es jetzt aber eifrig im Kampf gegen „Abweichler“. Dadurch erfüllt es nicht die Anforderungen an eine Verfassung, wie von Rousseau aufgestellt, und bleibt ein Grundgesetz.

  2. Ein fundamentaler Folgefehler ist die Tatsache, dass das Grundgesetz zulässt, dass seine Bestimmungen durch Gesetz eingeschränkt werden können, und zwar, ohne dass der Souverän, wie von Rousseau gefordert, dazu befragt wird. Und es macht es sogar möglich, durch Artikel 18, dass ein Bürger seine Grundrechte vollkommen verwirkt, wenn er sie „zum Kampfe gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht“. Und darüber entscheidet wer? Das Bundesverfassungericht, das vom Konsens der staatstragenden politischen Parteien eingesetzt wird.

  3. Ebenfalls aus diesem Gedanken, „das Volk“ kontrollieren zu müssen, entstand die Regelung, dass praktisch alle Säulen der so genannten „Gewaltenteilung“ durch diesen „Konsens der staatstragenden Parteien“ bestimmt wird. Was aber den Gedanken der Gewaltenteilung ad absurdum führt.

Was ist eine Verfassung?

Eine Verfassung ist nur eine solche, wenn sich ein Volk diese selbstbestimmt und in freier Entscheidung gibt, was bedeutet, dass die Menschen insgesamt darüber abstimmen. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland ist zwar einer der besten Verfassungsentwürfe der Welt, da es zwischen dem Artikel 1 und 19 die wichtigsten Forderungen der Menschenrechte spiegelt, ist aber keine Verfassung, weil sie dem Volk „gegeben wurde“. Und dieses Volk durfte seit seiner Verkündung im Jahr 1949 weder über die Erstfassung, noch irgendeine der unzähligen späteren Änderungen, welche durch die politische Elite des Landes betrieben wurde, in direkter und freier Wahl abstimmen.

Ein weiterer Grund, warum man „dem Volk“ nicht erlauben wollte, über seine Verfassung selbst zu bestimmen, war die Angst der eine kapitalistische Ordnung anstrebenden Kräfte, dass die Mehrheit sich vielleicht doch dafür entscheiden würde, einen grundsätzlichen Bruch mit der Vergangenheit vorzunehmen. Man befürchtete, dass die damals populären Gedanken des Sozialismus zur Ablehnung der kapitalistischen Grundsätze des Grundgesetzes führen würden. Das war auch der Grund, warum man die kapitalistischen Grundbedingungen z.B. durch die Montanmitbestimmung, die angeblich auf die ganze Gesellschaft ausgerollte werden sollte, weichspülte.

Wann begann die Machtübernahme?

Wenn wir heute betrachten, wie der Konsens der politischen Parteien mit Grundgesetz, Gesetzen und den Organen der Gewaltenteilung die Idee, den Geist des Grundgesetzes in sein Gegenteil verkehrt, stellt man sich die Frage, wann das Ganze begonnen hatte. Wann war aus „Nie wieder Krieg“ ein „Krieg für Frieden“ geworden, wann war aus „Nie wieder Völkermord“ ein „Israel darf Alles“ geworden? Darüber kann man nun streiten. Meine These ist, dass diese schleichende Veränderung im Jahr 1968 mit den ersten Notstandsgesetzen begann. Viele hatten es damals vorhergesagt, waren ausgelacht worden. Dabei war es offensichtlich was passierte.

Wenn Politiker ihre Kompetenzen überschreiben, weil ein echter Notstand besteht, wird er anschließend sogar dafür gefeiert werden, weil er mutig etwas unternahm, um einen Notstand zu beenden. Bewiesen war das durch das Überschreiten der Kompetenzen von Helmut Schmidt beim Hochwasser im Norden Deutschlands im Jahr 1962. 315 Menschen starben durch eine Sturmflut, und er organisierte die Bundeswehr und unternahm andere Maßnahmen, für die er keinerlei Kompetenzen hatte. Er wurde niemals juristisch verfolgt, sondern als Dank für seinen Mut wurde er von der Bevölkerung Deutschlands 1974 zum Bundeskanzler gewählt worden. Wozu also brauchten die Politiker diese ganzen Gesetze, welche sie immunisieren gegen irgendwelche juristischen Verfolgungen, wenn sie Grundrechte überschreiten?

Die Antwort ist einfach. Diese Einschränkung der Grundrechte durch Gesetze, welche sich die Politiker selbst verleihen, stellen eine vorbeugende Amnestie dar, sollten sie ihre Macht missbrauchen. Eigentlich war das nicht nur de facto unnötig. Denn der Konsens der staatstragenden Parteien hatte nicht nur die Kontrolle über die Justiz, sondern außerdem vorsichtshalber darauf verzichtet, die Gebote und Verbote des Grundgesetzes in Strafrecht umzusetzen. Der einzige Paragraf, der es schaffte, war der §80StGB, der am 1.1.2017 stillschweigend gelöscht wurde. Ersetzt durch das von Kolonialmächten mit jeder Menge Schlupflöcher versehene Völkerstrafrecht, das den Geist des Grundgesetzes gar nicht kennt. Was das Völkerstrafrecht unter Vorbereitung eines Angriffskrieges versteht, ist dramatisch unterschiedlich zu dem Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges im deutschen Grundgesetz.

Warum hat Deutschland heute keine Verfassung?

Die Antwort dauert etwas länger. Durch die Nachkriegsbedingungen und das fehlende Vertrauen in die Bevölkerung konnte sich eine neue Parteienaristokratie etablieren, welche sich selbst als Kontrollinstanz gegenüber dem Volk ansieht. Dies hat die Bundeskanzlerin Angela Merkel in einer Rede im Jahr 2010 ganz deutlich ausgedrückt.

Aber genau deshalb bin ich auch zutiefst davon überzeugt, dass es richtig ist, dass wir eine repräsentative Demokratie und keine plebiszitäre Demokratie haben und dass uns die repräsentative Demokratie für bestimmte Zeitabschnitte die Möglichkeit gibt, Entscheidungen zu fällen, dann innerhalb dieser Zeitabschnitte auch für diese Entscheidungen zu werben und damit Meinungen zu verändern. Wir können im Rückblick auf die Geschichte der Bundesrepublik sagen, dass all die großen Entscheidungen keine demoskopische Mehrheit hatten, als sie gefällt wurden. Die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft, die Wiederbewaffnung, die Ostverträge, der Nato-Doppelbeschluss, das Festhalten an der Einheit, die Einführung des Euro und auch die zunehmende Übernahme von Verantwortung durch die Bundeswehr in der Welt — fast alle diese Entscheidungen sind gegen die Mehrheit der Deutschen erfolgt.

Diese „Wächter der Demokratie“ sehen Wahlen lediglich als Bestätigungsritual einer Politik an, welche die politischen Führungen im besten Konsens bestimmen. Und die Meinung der Bürger ist lediglich Maßstab dafür, welchen propagandistischen Aufwand die politische Führung benötigt, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erreichen. Was Angela Merkel durch folgenden Satz ausdrückte:

„Die Politik kann allerdings lernen, welche Sorgen und Hoffnungen mit einem bestimmten Projekt verbunden sind. Man kann erahnen, wie viel Überzeugungskraft gegebenenfalls notwendig ist, um ein wichtiges, notwendiges Projekt durchzusetzen.“ (Quelle siehe auch)

Und so verhindert die Politik bis heute, dass sich die Menschen selbstbestimmt und eigenverantwortlich eine Verfassung geben, und damit den Einstieg in die Mitbestimmung der Politik. Sie kann dies erfolgreich tun, weil im Laufe der Jahrzehnte der Staat auf die Bedürfnisse der Parteien zugeschnitten wurde. Nicht zuletzt durch unzählige Einschränkungen der Grundrechte, über die in keinem Fall der Souverän, die Bevölkerung, der Wähler, entscheiden durfte. Folgende Faktoren waren für diesen Erfolg der Übernahme der Macht des Staates durch den Konsens der Parteien erfolgreich.

Es entscheidet nicht der Souverän über die Politik, sondern die eigentlich als Diener des Souveräns gedachten Vertreter. Und diese bestimmen dann anhand des Widerstands in der Bevölkerung, welche Menge an Propaganda benötigt wird, um diese Politik durchzusetzen.

Als Deutsche die Wiedervereinigung im Jahr 1990 feierten, hofften viele, dass nun endlich der Zeitpunkt gekommen wäre, den Nachkriegsstatus mit Besatzung und Grundgesetz durch eine Verfassung zu beenden, welche sich „das Volk“ selbst gibt. Aber statt dem Volk zu erlauben, wie in Artikel 146 vorgesehen, sich eine Verfassung selbst zu geben, wurde der Artikel durch den Konsens der staatstragenden Parteien geändert und lautet nun:

Dieses Grundgesetz, das nach Vollendung der Einheit und Freiheit Deutschlands für das gesamte deutsche Volk gilt, verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“

Mit anderen Worten: Aus Angst ihre Privilegien und die Kontrolle über den Staat zu verlieren, hatte der Konsens der staatstragenden Parteien beschlossen, die verfassungsgebende Versammlung des Pöbels auf unbestimmte Zeit zu vertagen. Ermöglicht wurde dies, weil diese Parteien, die sich regelmäßig an der Regierungsführung ablösen, a) alle Säulen der Gewaltenteilung bestimmen, b) weil sie über riesige Propagandawerkzeuge verfügen und c), weil die Kontrolleure der „privaten“ Medien einen Horror davor haben, dass in einem Land plötzlich mehr als 80 Millionen Menschen, und nicht ein paar Handvoll Politiker bestimmen, welche Politik das Land verfolgt.

Die Meinungsbildung

Propagandawerkzeuge haben die „staatstragenden“ Parteien sich im Laufe der Jahrzehnte in einem weltweit unerreichten Maße zugelegt. Da ist zunächst ihr Einfluss auf den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dieser war ursprünglich als „Markt der Meinungen in einer pluralistischen Gesellschaft“ gedacht, damit jeder Bürger sich, unabhängig von wirtschaftlichen Interessen privater Medien oder politischer Ideologien, eine Meinung bilden kann.

Diese Medien müssen gesehen werden im Zusammenspiel mit so genannten „politischen Stiftungen„, welche die Ideologien der Parteien im In- und Ausland propagandistisch vertreten. Sie finanzieren sich aus Steuergeldern, die bald eine Höhe von 1 Milliarde Euro erreicht haben dürfte. Und so greifen die öffentlich-rechtlichen Medien gerne den Ball auf, wenn eine dieser Stiftungen etwas sagt, und erklären das zur Meinung aus der „Zivilgesellschaft“ oder von „Nichtregierungsorganisationen“ (NGO). Obwohl die Stiftungen zum größten Teil aus Steuergeldern und durch die Regierung finanziert werden, und von Politikern der Regierungsparteien abhängig sind, werden sie in Internetseiten der Bundesregierung „Nicht-Regierungsorganisationen“ genannt.

In den letzten Jahrzehnten kamen außerdem hunderte, wenn nicht inzwischen über tausend so genannte NGOs dazu. Alle durch den Staat, also die politischen Parteien, stützende Oligarchen oder finanziert aus Steuermitteln. Die CDU hatte zwar am 24. Februar in einer kleinen Anfrage 551 Fragen über die Finanzierung von NGOs gestellt, die aber dann nie von der Bundesregierung im Detail zufriedenstellend beantwortet wurde. Man muss davon ausgehen, dass die Indoktrination der Bevölkerung durch diese von den politischen Parteien durch Steuergelder finanzierte Organisationen keineswegs abnehmen wird. Neben den öffentlich-rechtlichen Medien sind die politischen Stiftungen und NGOs die wichtigsten Werkzeuge der politischen Parteien, um die Meinung in Deutschland zu formen.

Die einzige nennenswerte Gefahr für die Meinungsbildung im Sinne des Konsenses der politischen Parteien des Landes gehen von den privaten Medien aus. Falls jedoch, wie derzeit, die Politik in erster Linie die Interessen der wichtigsten Kapitalgeber der privaten Medien unterstützt, gibt es keinen grundsätzlichen Dissens zwischen öffentlich-rechtlichen und privaten Medien.

Wie erfolgreich die Meinungsbildung ist, wenn politische und private Interessen im Zusammenklang arbeiten, kann man bei Fragen der Globalisierung, der Privatisierung, der Bankenrettung oder der Corona-Krise erkennen. Zum Beispiel, wenn politische Stiftungen von Privatisierung reden, und private Stiftungen wie Bertelsmann dann die passenden Modelle bewerben, was dann gemeinsam von öffentlich-rechtlichen und privaten Medien als Meinung „der Zivilgesellschaft“ oder der Wissenschaft zum Medienkonsumenten getragen wird.

Die Wissenschaft

Ähnlich wie die Medien, wird die Wissenschaft aus zwei Töpfen finanziert. Einmal die der Unternehmen, andererseits die der Ministerien mit ihren Steuergeldern, die durch die politischen Parteien kontrolliert werden. Und so ist die Idee der freien Wissenschaft längst dem „Markt“ untergeordnet worden. Wenn Politiker die Meinung von Wissenschaftlern einholen, achten sie darauf, dass diese auch die „richtige“ Meinung vertreten, ignorieren jene, welche vielleicht nicht mit ihnen übereinstimmen. Sehr gut zu beobachten daran, dass Wissenschaftler, die keine Sorge um Karriere mehr haben, und deshalb freimütig ihre Meinung äußern, wie Prof. Sucharit Bhakdi, oder der weltweit wohl anerkannteste Epidemiologe John Ioannidis vollkommen ignoriert wurden, während solche, die einem der Regierung unterstehenden Institut arbeiten oder mit Hilfe von privaten Unterstützern eine wichtige Position erlangt haben, den exklusiven Zugang zur Politik erhalten. Selbst wenn sie eine persönliche Geschichte der falschen Voraussagen und Entscheidungen zu verantworten haben, wie Professor Christian Drosten. Oder die „Ethikerin“ Alena Buyx.

Aus diesem Grund ist in der modernen Zeit die Wissenschaft Auftragserfüller für Politik und Wirtschaft geworden, und nur noch in seltenen Fällen kritischer und unabhängiger Geist, der hinterfragt, forscht und die Wahrheit sucht. Ganz einfach, weil solche Wissenschaft keine Finanzmittel hat, um Forschung zu betreiben. Aber selbst wenn verbliebene kritische Wissenschaftler durch Analysen von wissenschaftlichen Arbeiten der von Politik und Wirtschaft finanzierten Forschung Fehler nachweisen, hat das keine Auswirkungen, wenn diese Ergebnisse von den privaten und öffentlich-rechtlichen Medien ignoriert werden, weil sie den entsprechenden Interessen, oder nennen wir es Glaubensgrundsätzen, nicht entsprechen. Wie die Veröffentlichungen von Ivan Katchanovski über die Schüsse auf dem Maidan.

Die Rechtsprechung

Jeder dürfte inzwischen wissen, dass in Deutschland die Staatsanwälte ihre Weisungen von den politischen Parteien erhalten, genauer gesagt, von den Justizministern der Länder und des Bundes. Das führt nicht nur dazu, dass sie im internationalen Rahmen keine Haftbefehle ausstellen können, sondern auch, dass teilweise mit obskuren Gründen strafrechtliche Ermittlungen gegen Politiker abgelehnt werden. Beispiel: Nicht nur wurden schon Ermittlungen wegen Verstoßes gegen §80 StGB (vor der Löschung dieses lästigen Paragrafen) mit der Begründung abgelehnt, dass das Grundgesetz ja „nur“ von Vorbereitung eines Angriffskrieges sprechen würde, nicht aber von der Unterstützung eines laufenden Angriffskrieges.

Die Richter ihrerseits werden ebenfalls bezahlt von den Politikern und ihre Karriere hängt von der Gunst der politischen Parteien ab. Am deutlichsten zu erkennen am Verfassungsgericht. Wikipedia erklärt dort freundlicherweise, welche politische Partei welchen Politiker empfohlen hat, die dann von den politischen Parteien in Hinterzimmern vereinbart wurden. Und nicht zuletzt hat ein ehemals führender Politiker der Regierungspartei CDU sogar einen Vorsitz übernommen. Mögliche Täter erhalten hier die Möglichkeit, sich selbst die Richter auszusuchen, welche später einmal über eventuelle Taten urteilen werden.

Das heißt, auch die Meinungsbildung durch die Rechtsprechung liegt in den Händen des politischen Konsens der Parteien, nicht in denen unabhängiger Ankläger und Richter, welche im alleinigen Interesse der Menschen handeln, nur dem Gesetz verpflichtet, ohne von politischen Parteien abhängig zu sein oder als treuer Diener solcher Parteien ihre Ideologien vertreten zu haben. So erklärt sich, dass führende Politiker, in deren Umfeld rechtliche Begründungen für den Betrug des Staates, zum Beispiel im Fall von CumEx entwickelt wurden, auch zu höchsten richterlichen Würden aufsteigen können.

Wenn wir also sehen, dass

  1. der Konsens der politischen Parteien das Grundgesetz beliebig ändern und einschränken kann

  2. es kein Strafrecht gibt, welches Verstöße gegen das Grundgesetz ahndet

  3. die Politiker sich ihre Richter selbst aussuchen können

… dann ergibt sich die Erkenntnis, dass das Schlimmste, was einem Politiker passieren kann, wenn er gegen das höchste deutsche Gesetz verstößt, der warnende Finger eines von ihm selbst eingesetzten Verfassungsrichters ist, mit der höflichen Aufforderung, den Verstoß doch bitte zu unterlassen.

Warum reicht das Grundgesetz nicht?

Die Qualität des Grundgesetzes geht nicht nur von den Artikeln aus, welche die Menschenrechte als Basis haben, sondern auch von Artikel 20, der von den Parteien unsichtbar gemacht wird. Darin wird bestimmt wer der Souverän ist und ist ansonsten offen für gesellschaftliche Entwicklungen. Aber dadurch, dass die Vertreter des Volkes selbst alle Kontrollinstanzen besetzt haben, ergibt sich, wie eingangs bereits erklärt, die Frage aus der Antike „Wer kontrolliert die Kontrolleure?„. Denn wir haben ja gesehen, dass die politische Führung dieses Landes sich selbst kontrolliert.

In der Antike kam man zu der Ansicht, dass diese Frage unbeantwortbar ist, oder dass das Problem dadurch aufgelöst werden kann, dass man sagt: die Kontrolleure kontrollieren sich selbst! Durch ihre Ethik und Moral sind sie über jeden Zweifel erhaben. Nun schauen Sie sich die Bundesrepublik Deutschland und dessen führende Politiker an, und bestätigen Sie, dass diese über jeden Zweifel erhaben, nur von höchsten ethischen und moralischen Gedanken geleitet werden!?

Selbst wenn Sie zu der Auffassung kommen sollten, dass sie dies sind, oder dass sie sich vielleicht gegenseitig kontrollieren, was man angesichts der Kriegsbeteiligungen und Corona-Krise heftig bestreiten müsste, bleibt die Frage danach, wodurch ein Missbrauch der Macht in der Zukunft ausgeschlossen werden kann. Niemand wird bestreiten, dass es einfacher ist, 700 Politiker in Deutschland zu „überzeugen„, als über 80 Millionen Menschen.

Gleichzeitig muss man feststellen, dass das Grundgesetz seit 1968 so weit durch Gesetze ausgehöhlt wurde, dass man es inzwischen fast als leere Hülle betrachten muss. Ja in der Corona-Krise wurden Menschen verhaftet, weil sie das Grundgesetz als politisches Statement hochhielten. Wenn man diese Aussage als These akzeptiert, muss man sagen, dass es höchste Zeit wird, dass die Kontrolleure kontrolliert werden, und zwar durch den Souverän.

Der erste Schritt dazu wäre eine verfassungsgebende Versammlung, bei der die politische Führung nicht die Kontrolle über den Ausgang erhält. Dies wird vehement von den politischen Köpfen des Landes bekämpft, ebenso wie von den zu ihnen gehörenden Medien sowie der Justiz. Zu groß ist die Gefahr, dass Privilegien gestrichen, Macht verringert oder Rechtfertigung gefordert werden könnte. Verschiedene Initiativen mit und ohne Anmeldung beim Bundespräsidenten, werden belächelt und notfalls bekämpft.

Nun gäbe es aber auch die Möglichkeit, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in den Verfassungsrang zu erheben, indem die Wahlberechtigten des Landes erklären, dass dies ihr Wille ist. Artikel 146 GG eröffnet diesen Weg. Und eine neue Bewegung hat sich entschlossen, diesen Weg zu gehen. Leider durch mediale Ignoranz mit wenig Chancen auf Realisierung.

Es wird spannend zu sehen, ob die politische Elite des Landes den Menschen weiter verweigert, über die Grundsätze der Politik und Gesellschaft aktiv mitzubestimmen, ob man ihnen das Recht vorenthält, welches die Wähler in Russland oder im Iran haben. Denn selbst in diesen autoritären Ländern müssen alle Verfassungsänderungen über Referenden bestätigt werden. 72 Jahre nachdem dem deutschen Volk das Grundgesetz gegeben wurde, wäre es doch langsam Zeit, es dazu zu befragen.

Die Befürchtung drängt sich auf, dass die Deutschen wieder nicht in der Lage sein werden, sich selbst von einem System zu befreien, welches indoktriniert und „dem Volk“ die Selbstbestimmung als Souverän vorenthält. Wenn man Rousseau oder Locke als Vordenker und als Maßstab vor Demokratie heranzieht. Was bedeutet, dass sich erst wieder nach einer Katastrophe die Chance auf ein neues, modernes staatliches „Betriebssystem“ eröffnen wird.

Erstveröffentlichung: https://tkp.at/2025/04/27/warum-hat-deutschland-keine-verfassung/