Human Rights Watch Jahresbericht 2019
Die Akzeptanz der fortwährenden Besatzungspolitik durch deutsche Politiker, und der damit verbundenen vollkommenen Entrechtung der Palästinenser durch Israel, ist nach meiner Meinung Beihilfe zum Völkermord. Nach über 50 Jahren Besatzung und wiederholten Erklärungen aller führenden israelischen Politikern, die Besatzung niemals aufgeben oder in eine Annexion überführen zu wollen, ist die von deutschen Politikern geforderte Zweistaatenlösung schon lange hinfällig und nur noch ein Scheinargument, um nichts gegen die Besatzung zu unternehmen.
*Menschenrechtsbericht von HRW: »Ohne Bürgerrechte geboren: Israels Einsatz drakonischer Militärbefehle zur Unterdrückung der Palästinenser im Westjordanland«. So heißt der Titel des Berichts der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW), welcher nicht unwesentlich zur Ausweisung des lokalen Leiters der Organisation in Israel beigetragen haben dürfte.
HRW wurde auch von mir vorgeworfen, zu sehr der US-Politik bei verschiedenen Angriffskriegen, mit Hilfestellung und Legitimation geholfen zu haben. Durch die Drehtürpolitik gibt es viele personelle Verzahnungen mit dem US-Außenministerium [i]. Auch die Finanzierung verursacht politischen Vorgaben. Seit der Amtsübernahme durch Donald Trump als Präsident der Vereinigten Staaten ist jedoch zu beobachten, dass sich die Politik der Organisation in einigen Bereichen veränderte. Nun gibt es stärkeren Dissens zur US-Außenpolitik. So zu sehen in dem Jahresbericht der Organisation zur Situation in den besetzten Gebieten Palästinas. Hier die deutsche Übersetzung des Berichtes [ii].
Der Bericht geht aber immer noch der Frage der Legalität und Legitimität des bewaffneten Widerstandes aus dem Weg ebenso wie der Frage nach der Ursache des Konfliktes. Was aber, wie wir seit den Nürnberger Prozessen wissen, wichtig ist, da derjenige, der einen Angriffskrieg (und nachfolgende Besatzung) verantwortet, auch für die möglichen Kriegsverbrechen des Gegners verantwortlich ist. Der Bericht enthält auch keine Bewertung der Situation in den bereits annektierten Gebieten wie Ost-Jerusalem.
Hinsichtlich der Situation der Zivilbevölkerung in Teilen der besetzten Gebieten Palästinas beschreibt der Text jedoch sehr sachlich eine Situation. Würde man die Namen der Regionen und Akteure austauschen, käme der Leser sicher schneller zu einem vernichtenden Urteil über das Besatzungsregime, unter dem die Palästinenser leiden.
In Kapitel II des Berichtes wird ausführlich über die Meinungsfreiheit eingegangen, mit vielen Hinweisen auf höchstrichterliche Entscheidungen, ohne aber wirklich darauf einzugehen, dass die Justiz einen wesentlichen Beitrag zur Scheinlegalisierung der de facto Annexion und Entrechtung der Palästinenser geleistet hat.
(Fußnoten wurden nicht übersetzt, sondern in Originalsprache belassen.)
Zusammenfassung
Die israelische Armee hat Generationen von Palästinensern im Westjordanland ihrer grundlegenden Bürgerrechte beraubt, einschließlich des Rechts auf Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, wobei sie sich regelmäßig auf militärische Befehle aus den ersten Tagen der Besetzung beruft. Selbst wenn solche Einschränkungen damals zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt gewesen seien, so verletzt die Aussetzung der Kernrechte mehr als ein halbes Jahrhundert später, ohne dass ein Ende in Sicht ist, Israels Kernverantwortung nach dem Besatzungsrecht.
Die Verantwortung einer Besatzungsmacht gegenüber den Rechten der besetzten Bevölkerung nimmt mit der Dauer der Besatzung zu. Israel kontrolliert trotz der begrenzten Herrschaft der Palästinensischen Autonomiebehörde über bestimmte Gebiete weiterhin hauptsächlich das Westjordanland und hat es dennoch versäumt, die unter seiner Kontrolle lebenden Menschen mit den ihnen zustehenden Rechten auszustatten, einschließlich des Rechts auf Gleichbehandlung ohne Rücksicht auf Rasse, Religion oder nationale Identität. Es ist längst überfällig, dass Israel die Menschenrechte der Palästinenser voll und ganz respektiert, indem es die Rechte, die es israelischen Bürgern gewährt, als Maßstab heranzieht, eine Verpflichtung, die unabhängig von der politischen Regelung in den besetzten palästinensischen Gebieten jetzt oder in Zukunft besteht.
Am 7. Juni 1967 besetzte die israelische Armee das Westjordanland und den Gaza-Streifen und gab eine militärische Proklamation heraus, die die Anwendung der Defense (Emergency) Regulations von 1945 erlaubte, welche die britischen Mandatsbehörden zur Unterdrückung der wachsenden Unruhen erlassen hatten. Die Verordnungen ermächtigen die Behörden unter anderem, Gruppen, die dafür eintreten, dass sie »Hass oder Verachtung oder die Aufregung und Unzufriedenheit mit den Behörden« aufkommen lassen, als »ungesetzliche Vereinigung« deklarieren konnten und die Mitgliedschaft oder den Besitz von Material, das diesen Gruppen gehört oder mit ihnen, auch indirekt, verbunden ist, unter Strafe zu stellen.
Im August 1967 erließ die israelische Armee den Militärbefehl 101, der die Teilnahme an einer Versammlung von mehr als zehn Personen ohne Genehmigung zu einem Thema, das »als politisch ausgelegt werden könnte«, kriminalisiert und mit einer Strafe von bis zu zehn Jahren bestraft wird. Sie verbietet ferner die Veröffentlichung von Material, das »eine politische Bedeutung hat« oder das Zeigen von »Flaggen oder politischen Symbolen« ohne Genehmigung der Armee. Mehr als 52 Jahre später verfolgt und inhaftiert die israelische Armee weiterhin Palästinenser nach den Notstandsverordnungen von 1945 und der Militärverordnung 101 von 1967.
Im Jahr 2010 verkündete die israelische Armee die Militärverordnung 1651, die 20 frühere Verordnungen ersetzte und eine 10-jährige Haftstrafe für jeden verhängt, der »mündlich oder auf andere Weise versucht, die öffentliche Meinung im Gebiet [der Westbank] in einer Weise zu beeinflussen, die dem öffentlichen Frieden oder der öffentlichen Ordnung schaden kann« oder »Worte des Lobes, der Sympathie oder der Unterstützung für eine feindliche Organisation, ihre Aktionen oder Ziele veröffentlicht«, was sie als »Aufwiegelung« definiert. Ferner werden vage formulierte »Verstöße gegen die Behörden« umrissen, deren Strafen eine mögliche lebenslange Haftstrafe für eine »Handlung oder Unterlassung, die eine Schädigung, einen Schaden oder eine Störung der Sicherheit des Gebiets oder der Sicherheit der IDF nach sich zieht« oder das Betreten eines Gebiets in unmittelbarer »Nähe« von Eigentum der Armee oder des Staates beinhaltet.
An dieser Stelle im Bericht findet man ein YouTube-Video [iii].
Das Besatzungsrecht räumt den Besatzern weitreichende Befugnisse ein, um Rechte einzuschränken, aber es legt den Besatzern auch wichtige Beschränkungen auf, einschließlich der Forderung, das öffentliche Leben für die besetzte Bevölkerung zu erleichtern. Die israelische Armee verwendet seit über 50 Jahren weit gefasste militärische Befehle, um palästinensische Journalisten, Aktivisten und andere Personen wegen ihrer - größtenteils gewaltlosen - Proteste, Kritik oder Opposition gegen die israelische Politik zu verhaften. Diese Befehle sind so weit gefasst, dass sie gegen die völkerrechtliche Verpflichtung der Staaten verstoßen, Verhaltensweisen, die zu einer strafrechtlichen Sanktionierung führen könnten, klar zu formulieren. In anderen Fällen erheben die israelischen Behörden missbräuchlich scheinbar legitime Anklagen, z.B. im Zusammenhang mit Vergehen wie Hausfriedensbruch oder Aufwiegelung, gegen Aktivisten, um die Opposition gegen die israelische Herrschaft auszuschalten. Die unbefristete Aussetzung der palästinensischen Bürgerrechte durch Israel hat die Fähigkeit der Palästinenser, ein normales öffentliches, politisches Leben zu führen, beeinträchtigt.
Die Dauer der Besatzung hat den israelischen Behörden viel Zeit und Gelegenheit gegeben, eine weniger restriktive Politik zu entwickeln. Israel verlässt sich jedoch auch heute noch auf dieselben militärischen Befehle und verweigert den Palästinensern, die unter seiner Besatzung leben, grundlegende Bürgerrechte.
Die israelischen Behörden gehen sogar noch einen Schritt weiter und leugnen, dass ihre Menschenrechtsverpflichtungen sich auch auf die Behandlung der Palästinenser im besetzten Westjordanland erstrecken. Diese Position wurde unter anderem vom Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen und vom Internationalen Gerichtshof (IGH) abgelehnt, die in einem Gutachten von 2004 entschieden, dass der wichtigste Vertrag über bürgerliche und politische Rechte, der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR [iv]), »neben dem Besatzungsrecht auf Handlungen anwendbar ist, die ein Staat in Ausübung seiner Gerichtsbarkeit außerhalb seines eigenen Territoriums vornimmt«.
Der vorliegende Bericht bewertet die Auswirkungen dieser Verordnungen auf das gewöhnliche Leben der Palästinenser im Westjordanland und ihre Rechtmäßigkeit nach mehr als einem halben Jahrhundert Besatzung, dessen Ende nicht abzusehen ist. Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat gesagt: »Die israelischen Militär- und Sicherheitskräfte werden weiterhin das gesamte Gebiet bis zum Jordan [Fluss] beherrschen« [v].
Dieser Bericht deckt nicht das gesamte besetzte palästinensische Gebiet ab: Er schließt Ost-Jerusalem aus, wo Israel sein eigenes innerstaatliches Recht anwendet, nachdem es dies 1967 einseitig annektiert hatte, was seinen völkerrechtlichen Status als besetzte Region nicht ändert, sowie Gaza, wo Israel 2005 die seit 1967 bestehende Militärregierung aufgelöst hat. Auch die Verweigerung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte Israels für die Palästinenser im Westjordanland ist nicht Gegenstand des Abkommens. Der Bericht hebt acht exemplarische Fälle im Westjordanland hervor, in denen die Behörden militärische Befehle, insbesondere die Militärbefehle 101 und 1651 und die Notstandsverordnungen von 1945, dazu nutzten, Palästinenser vor Militärgerichten wegen ihrer friedlichen Meinungsäußerung oder ihrer Beteiligung an gewaltlosen Gruppen oder Demonstrationen zu verfolgen.
Der Bericht stützt sich auf 29 Interviews, vor allem mit ehemaligen Gefangenen und Anwälten, die palästinensische Männer und Frauen vertreten, die in das israelische Militärjustizsystem verwickelt sind, sowie auf eine Überprüfung der Anklagen und der Entscheidungen der Militärgerichte. Human Rights Watch schrieb an die israelische Armee, Polizei und Sicherheitsbehörde (Shin Bet auf Hebräisch) mit detaillierten Fragen, in denen sie um ihre Sichtweise und weitere Informationen zu den im Bericht behandelten Themen ersuchten, und erhielt substanzielle Antworten von Armee und Polizei, die im Bericht wiedergegeben und als Anhang abgedruckt werden.
Nach den Daten, die sie Human Rights Watch zur Verfügung stellte, verfolgte die israelische Armee zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 30. Juni 2019 4.590 Palästinenser wegen des Eindringens in eine »geschlossene Militärzone«, eine Bezeichnung, die sie häufig an Ort und Stelle von Protesten verhängt, 1.704 wegen »Mitgliedschaft und Aktivität in einer ungesetzlichen Vereinigung« und 358 wegen »Aufwiegelung«.
Die israelischen Besatzungstruppen sind auf militärische Befehle angewiesen, die es ihnen erlauben, nicht genehmigte Proteste aufzulösen oder geschlossene Militärzonen zu schaffen, um friedliche palästinensische Demonstrationen im Westjordanland zu unterbinden und Teilnehmer zu inhaftieren. Zum Beispiel hielt die israelische Armee 2016 den Menschenrechtsanwalt Farid al-Atrash, der bei der Unabhängigen Menschenrechtskommission, einem quasi offiziellen Gremium der Palästinensischen Autonomiebehörde, arbeitet, während einer friedlichen Demonstration in Hebron fest, bei der die Wiedereröffnung einer Hauptstraße in der Innenstadt gefordert wurde, die die Armee den Palästinensern nicht zugänglich macht. Die Staatsanwälte klagten ihn nach der Militärverordnung 101 an, weil er »ohne Genehmigung demonstriert« habe, und nach der Militärverordnung 1651, weil er »versucht habe, die öffentliche Meinung in dem Gebiet in einer Weise zu beeinflussen, die der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit schaden könnte«, indem er durch »aufhetzende« Sprechchöre und »das Schwenken der Flaggen der Palästinensischen Autonomiebehörde« und das Halten eines Schildes mit der Aufschrift »Offene Shuhada-Straße« versuchte, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte ihn ferner, »eine geschlossene militärische Zone« betreten und einen Soldaten »angegriffen« zu haben, legte aber keine tatsächlichen Beweise vor, um diese Behauptungen außerhalb seiner gewaltlosen Teilnahme an der Demonstration zu untermauern. Die Behörden ließen al-Atrash vier Tage nach seiner Verhaftung gegen Kaution frei, verfolgen ihn aber dreieinhalb Jahre später weiterhin wegen seiner Teilnahme an dieser Veranstaltung.
Der Aktivist Abdallah Abu Rahma sagte gegenüber Human Rights Watch, dass die israelische Armee ihn seit 2005 achtmal wegen seiner Beteiligung an Protesten gegen die Route der israelischen Trennmauer in seinem Dorf Bil'in verhaftet hat. Im Mai 2016 hielt ihn die Armee 11 Tage lang fest, nachdem er ein Radrennen organisiert hatte, das er anlässlich des Nakba-Tages, der an die Vertreibung der Palästinenser während der Gründung des israelischen Staates 1948 erinnert, organisiert hatte. Ein Militärgericht verurteilte ihn gemäß der Militärverordnung 1651 zu vier Monaten Haft, weil er »eine geschlossene Militärzone« betreten und »einen Soldaten gestört« hatte. Die Armee hielt ihn Ende 2017 ebenfalls 23 Tage lang fest, nachdem er als symbolischer Akt des Protests während einer Demonstration einen Stab in die Trennmauer gesteckt hatte. Im September 2019 bekannte er sich der Anklage der »Sabotage einer IDF-Einrichtung« gemäß der Militärverordnung 1651 schuldig, um eine möglicherweise längere Haftstrafe zu vermeiden.
Seit 1967 hat das israelische Verteidigungsministerium mehr als 411 Organisationen verboten, darunter alle wichtigen palästinensischen politischen Parteien, darunter auch die Fatah-Partei von Präsident Mahmud Abbas. Unter Berufung auf den Militärbefehl 1651 hat die Armee Khalida Jarrar, ein 56-jähriges Mitglied des Palästinensischen Legislativrates, von Juli 2017 bis Februar 2019 ohne Gerichtsverfahren oder Anklage in Verwaltungshaft genommen, weil sie sich politisch aktiv bei der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) engagiert hat, einer Gruppe, die sowohl eine politische Partei als auch einen bewaffneten Flügel umfasst, der israelische Soldaten und Zivilisten angegriffen hat. Die Behörden haben nie behauptet, dass sie persönlich an bewaffneten Aktivitäten beteiligt war. Ihre Zugehörigkeit zur PFLP führte auch dazu, dass sie von April 2015 bis Juni 2016 in einem israelischen Gefängnis saß, nachdem sie sich bereit erklärt hatte, sich schuldig zu bekennen, um eine längere Strafe zu vermeiden, und sich der »Mitgliedschaft in einer ungesetzlichen Vereinigung« gemäß den Notstandsverordnungen von 1945 und der »Aufwiegelung« gemäß der Militärverordnung 1651 für eine Rede auf einer Kundgebung für palästinensische Gefangene im Jahr 2012 zu bezichtigen, in der sie angeblich zur Entführung von Soldaten aufrief. Die Richterin sagte, die Anklage habe »Schwierigkeiten, die Schuld zu beweisen«, wenn es um diese Anklagepunkte gehe. Jarrar sagte, dass die israelischen Behörden ihr außerdem seit mehr als 30 Jahren verboten haben, ohne richterliche Anordnung außerhalb des Westjordanlandes zu reisen, abgesehen von einem medizinischen Besuch in Jordanien im Jahr 2010. Die israelische Armee verhaftete Jarrar am 31. Oktober 2019 erneut; sie befindet sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung weiterhin in Haft.
Im März 2019 nahm die israelische Armee den 36-jährigen Künstler Hafez Omar fest und klagte ihn wegen mehrerer Vergehen gemäß der Militärverordnung 1651 an, darunter »Mitgliedschaft und Aktivismus in unrechtmäßiger Vereinigung« gemäß der Verteidigungsordnung (Notstandsverordnung) von 1945 wegen angeblicher Beteiligung an einer Gruppe, die die Armee al-Hirak al-Shababi oder Jugendbewegung nennt und die angeblich unter der »Schirmherrschaft der Hisbollah-Organisation« operiert, der libanesischen schiitischen islamistischen Gruppe. Seine Anklageschrift, die Human Rights Watch untersucht hat, besteht fast ausschließlich aus friedlichen Aktivitäten, wie Treffen mit anderen Aktivisten und der Beteiligung an Protesten, darunter mehrere gegen die Palästinensische Autonomiebehörde. Einige Analysten haben in Frage gestellt, ob die Jugendbewegung jemals als Organisation existiert hat. Der einzige Vorwurf nicht-friedlicher Natur war seine angebliche Beteiligung an nicht näher bezeichneten »Zusammenstößen« vier Jahre zuvor, wo laut Anklageblatt »Steine auf [israelische] Sicherheitskräfte geworfen« wurden.
Die Armee hat eine breite Palette anderer zivilgesellschaftlicher Gruppen verboten. Zwischen September 2015 und Mai 2016 hielten israelische Sicherheitskräfte fünf Palästinenser aufgrund ihrer Beschäftigung bei einer gemeinnützigen Organisation, Qatar Charity, fest, die in mehr als 50 Ländern arbeitet und unter anderem mit den Vereinten Nationen, Ärzte ohne Grenzen und der US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID) zusammengearbeitet hat. Die UNO hat erklärt, dass sie »humanitäre« und »streng unpolitische« Prinzipien mit der Qatar Charity teilt, aber Israel hat die Qatar Charity 2008 auf die Liste der verbotenen Organisationen gesetzt, weil sie angeblich die Hamas finanziell unterstützt haben soll, ein Vorwurf, der häufig gegen wohltätige Organisationen erhoben wird, die in Gaza tätig sind. Trotz der Benennung erlaubte Israel der Qatar Charity im Mai 2019, Finanzmittel nach Gaza zu liefern. Najwan Odeh, die Verwaltungschefin der Wohltätigkeitsorganisation, erhielt eine 18-monatige Haftstrafe wegen Zugehörigkeit zu einer »unrechtmäßigen Vereinigung«, nämlich zur Qatar Charity, gemäß den Defense (Emergency) Regulations von 1945 und ein einjähriges Verbot, »die Straftat zu begehen, für die sie verurteilt wurde«, was im Rahmen einer Vereinbarung mit den Behörden ein Verbot der Rückkehr an ihren Arbeitsplatz bedeutete.
Das Militärrecht sieht keine formellen Verfahren vor, um gegen die Einstufung einer Vereinigung als ungesetzlich oder gegen die Entscheidung, ein Unternehmen zu schließen, Berufung einzulegen. Während Palästinenser gegen solche Verwaltungsentscheidungen beim Obersten Gerichtshof Berufung einlegen können, hat der Gerichtshof im Laufe der Jahre große Unterordnung unter die Position des Staates oder der Armee gezeigt.
Die israelische Armee zitiert auch regelmäßig die weit gefasste Definition von Aufwiegelung in ihren Militärgesetzen, die definiert wird als »Lob, Sympathie oder Unterstützung für eine feindliche Organisation« und »Versuche, mündlich oder anderweitig die öffentliche Meinung in dem Gebiet in einer Weise zu beeinflussen, die dem öffentlichen Frieden oder der öffentlichen Ordnung schaden kann«, um Reden, die sich lediglich gegen die Besatzung richten, zu kriminalisieren. Die israelischen Behörden haben erklärt, dass sie insbesondere die Online-Sphäre, vor allem auf palästinensischen Social-Media-Konten, genau beobachten und prädiktive Algorithmen verwenden, um zu bestimmen, auf wen sie abzielen. Sie haben nur sehr wenige Informationen über ihre Methoden der Überwachung von sozialen Medien offengelegt, aber sie haben für Social-Media-Beiträge Strafen verhängt, die auf dem Vorwurf der »Anstachelung« basierten.
So behaupteten beispielsweise Militärstaatsanwälte Anfang 2018 in einer Anklage gegen die Aktivistin Nariman Tamimi, sie habe »versucht, die öffentliche Meinung in der Region in einer Weise zu beeinflussen, die der öffentlichen Ordnung und Sicherheit schaden könnte«, und »rief zur Gewalt auf«, und zwar über einen Livestream, den sie auf ihrem Facebook-Konto über eine Konfrontation zwischen ihrer damals 16 Jahre alten Tochter Ahed und israelischen Soldaten in ihrem Vorgarten im Dezember 2017 gepostet hatte. In ihrer Anklageschrift wird eine Reihe von Anklagepunkten unter dem Militärbefehl 1651 angeführt, die sich hauptsächlich auf den Livestream stützen, darunter »Anstiftung«, wobei sie feststellt, dass das Video »von Tausenden von Benutzern angesehen wurde, von Dutzenden von Benutzern geteilt wurde, Dutzende von Antworten und viele Dutzende von Likes erhielt«. Human Rights Watch hat das Video und die Akte überprüft, und nirgendwo in dem Video oder der Akte ruft Nariman zu Gewalt auf. Nariman sagte gegenüber Human Rights Watch, dass sie sich der Aufwiegelung und zwei weiteren Anklagepunkten - »Beihilfe zum Angriff auf einen Soldaten« und »Einmischung in Aufgaben eines Soldaten« - schuldig bekannt habe, um eine längere Strafe zu vermeiden, wenn sie von einem Militärjustizsystem verurteilt wird, das, wie Menschenrechtsorganisationen gezeigt haben, den Palästinensern keine fairen Gerichtsverfahren gewährt. Auf der Grundlage des Plädoyers saß Nariman acht Monate im Gefängnis.
Diese Einschränkungen haben insbesondere palästinensische Journalisten betroffen, die von der israelischen Armee regelmäßig der Aufwiegelung oder der Zugehörigkeit zur Hamas beschuldigt werden. Ende Juli 2018 nahm die israelische Armee vier Journalisten von Al Quds TV fest, einem in London lizenzierten Sender, den der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman als »Propagandaflügel der Hamas« bezeichnet. Die Behörden hatten dem Sender Anfang des Monats den Betrieb in Israel verboten, aber nie ein Verbot für seine Operationen im Westjordanland angekündigt. Die Militärgerichte genehmigten die Inhaftierung des Journalisten Alaa al-Rimawi, während die Staatsanwaltschaft gegen ihn wegen des Vorwurfs der Mitgliedschaft in einer »ungesetzlichen Vereinigung«, nämlich Al Quds TV, gemäß den Defense (Emergency) Regulations von 1945 ermittelte. Die Vernehmungsbeamten fixierten sich, so al-Rimawi, auf seine Verwendung des Begriffs »Märtyrer« zur Bezeichnung von Palästinensern, die von Israel getötet wurden, was unter Palästinensern allgemein üblich ist, auch in einem Nachrichtenclip, den sie ihm vorspielten und in dem er den Begriff zur Bezeichnung einer Person verwendete, die nach der Erschießung eines Siedlers getötet worden war. Ein Militärgericht ordnete seine Freilassung gegen Kaution nach drei Wochen Haft an, mit der Begründung, dass al-Rimawi möglicherweise nichts von dem Verbot des Kanals gewusst habe, da die Armee es versäumt habe, ihre Entscheidung zum Verbot des Kanals ordnungsgemäß zu veröffentlichen. Das Gericht machte seine Freilassung jedoch auch von einem zweimonatigen Verbot seiner »Veröffentlichung von Inhalten in sozialen oder anderen Kommunikationsnetzwerken« sowie von einem Verbot, seine Heimatstadt Ramallah ohne gerichtliche Genehmigung zu verlassen, abhängig, was laut al-Rimawi ein Jahr andauerte. Das Palästinensische Zentrum für Entwicklung und Medienfreiheit (MADA) berichtete, dass die israelische Armee in den Jahren 2017 und 2018 74 Journalisten verhaftet und 19 Medieneinrichtungen im Westjordanland, einschließlich Ost-Jerusalem, geschlossen hat.
Verhaftungen wegen der friedlichen Ausübung von Grundrechten finden in der palästinensischen Gesellschaft Widerhall, oft mit dem Effekt, dass andere davon abgehalten werden, sich zu äußern oder sich allgemein politisch zu betätigen. Eine Journalistin in Ramallah, die darum bat, ihren Namen aus Sicherheitsgründen zurückzuhalten, sagte gegenüber Human Rights Watch, dass sie »keine Ahnung« habe, was eine Aufwiegelung darstellt, was sie dazu veranlasst hat, »sehr ängstlich und vorsichtig zu werden, was ich auf meinen Social-Media-Seiten schreibe«. [vi] Hamza Zbeidat, der für eine Entwicklungs-NGO arbeitet, sagte, er habe früher häufig in den sozialen Medien gepostet, habe sich aber in letzter Zeit »isoliert und sich aus Angst vor Verhaftung bereitwillig entschieden, sich nicht an öffentlichen politischen Themen zu beteiligen oder meine Meinung dazu zu äußern«. Ein 25-jähriger Einwohner von Bethlehem, der ebenfalls um die Geheimhaltung seines Namens bat, sagte ebenfalls, dass er häufig an Demonstrationen und anderen politischen Aktivitäten teilgenommen habe, sich aber »vor kurzem nach Abwägung der Risiken« einer Verhaftung oder anderer Strafmaßnahmen der israelischen Armee »entschieden hat, meine Teilnahme zu verringern« [vii]. Er sagt, dass er, wenn er sich doch noch zur Teilnahme entschließt, »sehr diskret vorzugehen« und »hinter den Kulissen zu bleiben«, und beschrieb eine solche »ernsthafte Vorsicht«, die unter Jugendlichen wie ihm üblich ist. [viii]
Die Armee führte einige dieser Verhaftungen in einem Gebiet durch, das in den Osloer Abkommen von 1995 als »Gebiet A« des Westjordanlandes definiert wird, obwohl die Abkommen der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) die volle zivile und sicherheitstechnische Kontrolle in diesem Gebiet einräumen. Die Palästinensische Autonomiebehörde selbst schränkt die Rechte der Palästinenser in Gebiet A durch willkürliche Verhaftungen von Kritikern und Gegnern der Autonomiebehörde weiter ein, insbesondere in den sozialen Medien, unter unabhängigen Journalisten, auf Universitätsgeländen und bei Demonstrationen.
Selbst wenn das Besatzungsgesetz es der Armee erlaubt hätte, solch umfassende Maßnahmen beispielsweise im Juli 1967 zu rechtfertigen, bietet dieses Gesetz keine rechtliche Grundlage, um dies mehr als 50 Jahre später zu tun. Das Besatzungsgesetz erlaubt es den Besatzern, einige Rechte einzuschränken, verlangt aber auch, dass sie das öffentliche Leben für die besetzte Bevölkerung wiederherstellen. Diese Verpflichtung nimmt bei einer längeren Besetzung zu, bei der der Besatzer mehr Zeit und Gelegenheit hat, auf Sicherheitsbedrohungen enger zugeschnittene Antworten zu entwickeln, die die Einschränkung von Rechten auf ein Mindestmaß beschränken. Darüber hinaus nehmen die Bedürfnisse der besetzten Bevölkerung im Laufe der Zeit zu: Die Aussetzung praktisch aller Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit für einen kurzen Zeitraum unterbricht vorübergehend das normale öffentliche Leben, aber eine langfristige, unbefristete Aussetzung der Rechte hat eine viel schwächere Wirkung. Die soziale und intellektuelle Stagnation resultiert aus der Verweigerung der freien Meinungsäußerung und der freien Debatte, des Zugangs zu vielfältigen Informationen und der Möglichkeit, friedlich Veränderungen zu fordern.
Trotz der verstärkten Verpflichtung Israels, ein normales Bürgerleben und die Achtung der Grundrechte zu erleichtern, ist Israel angesichts der Dauer seiner Besatzung und der ausgeklügelten Bürokratie, die es entwickelt hat, um über die Palästinenser zu herrschen, weiterhin auf die gleichen repressiven Maßnahmen angewiesen, die zu Beginn der Besatzung eingesetzt wurden.
Je länger eine Besatzung dauert, desto mehr sollte die Militärregierung einem gewöhnlichen Regierungssystem ähneln, das die jederzeit geltenden Standards der internationalen Menschenrechtsnormen respektiert. Die internationalen Menschenrechtsgesetze schützen die Bürgerrechte, einschließlich der Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, und legen eine »hohe Schwelle« für Einschränkungen fest, die, wie sie feststellt, »eine Ausnahme« bleiben sollten. Human Rights Watch hat Fälle dokumentiert, in denen es keinen Aufruf zur Gewalt gibt, sowie Fälle, in denen die Armee den Widerstand gegen ihre Besatzung mit der Aufstachelung zur Gewalt gleichsetzt, ohne zu zeigen, dass die expressive Aktivität dazu gedacht war, Gewalt zu verursachen, oder von anderen auf diese Weise verstanden wurde.
Die israelische Armee sollte die Militärbefehle 101 und 1651 aufheben und davon absehen, Angeklagte gemäß den Verteidigungs(Notstands)bestimmungen von 1945 anzuklagen. Nach 52 Jahren der Besatzung muss Israel die öffentliche Ordnung und Sicherheit in einer Weise gewährleisten, die die Grundrechte der Palästinenser respektiert, schützt und erfüllt. Die Tatsache, dass Israel im Rahmen seines Zivilrechts, das es im besetzten Ostjerusalem und in Israel anwendet, einen wesentlich robusteren Rechtsschutz bietet, zeigt, dass weniger restriktive Maßnahmen zur Verfügung stehen.
Staaten und internationale Organisationen sollten die Bedeutung der Achtung der Bürgerrechte der Palästinenser im Westjordanland hervorheben, da diese einen integralen Bestandteil des im besetzten palästinensischen Gebiet geltenden Rechtsrahmens bilden. Sie sollten erwägen, die Forderung aufzunehmen, dass Israel den Palästinensern in ihren Veröffentlichungen, Berichten und politischen Positionen mindestens die gleichen Bürgerrechte gewährt, wie seinen eigenen Bürgern, und das Verhalten Israels auf dieser Grundlage bewerten. Sowohl das internationale Menschenrechtsrecht als auch das humanitäre Völkerrecht sollten genutzt werden, um die israelische Politik und Praxis gegenüber den Palästinensern im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, und im Gazastreifen zu überprüfen.
In mehr als zwei Dritteln der Zeit seit der Gründung des Staates Israel haben die israelischen Behörden den fast 2,5 Millionen Palästinensern, über die sie im Westjordanland herrschen, ihre Grundrechte vorenthalten - Rechte, die die mehr als 400.000 israelischen Siedler genießen, die in illegalen Siedlungen im selben Gebiet leben. Israelische Beamte sprechen offen von ihrer Absicht, die Palästinenser im Westjordanland dauerhaft zu regieren. Wie auch immer die politischen Vereinbarungen aussehen mögen, nichts kann die fortgesetzte Durchsetzung dieser Einschränkungen und das festgefügte zweistufige, diskriminierende System im heutigen Westjordanland rechtfertigen.
Methodik
Dieser Bericht konzentriert sich auf spezifische israelische Militärbefehle, die die Rechte der Palästinenser auf Versammlungs-, Vereinigungs-, Meinungs- und Pressefreiheit im besetzten Westjordanland unrechtmäßig einschränken. Er befasst sich nicht mit der Situation innerhalb Israels, mit Ost-Jerusalem, wo Israel sein eigenes innerstaatliches Recht anwendet, nachdem es 1967 einseitig annektiert wurde, mit den Golanhöhen, auf die Israel 1981 seine innerstaatlichen Gesetze anwandte, oder mit Gaza, wo Israel 2005 seine seit 1967 bestehende direkte Militärregierung beendete. Auch die Verweigerung wirtschaftlicher, sozialer und kultureller Rechte für die Palästinenser im Westjordanland durch Israel wird nicht abgedeckt.
Der Bericht konzentriert sich auf Einschränkungen und Strafen, die zwischen 2015 und 2019 verhängt wurden, obwohl er gelegentlich auf ältere Ereignisse verweist. Er bewertet in erster Linie die Verhaftungen selbst und die erhobenen Anklagen und geht nicht auf eingehende Gerichtsverfahren gegen die Gefangenen, ihre Behandlung in der Haft oder die Anwendung von Gewalt gegen Demonstranten ein, die Human Rights Watch an anderer Stelle dokumentiert hat. Sie untersucht auch keine Rechtsverletzungen durch die Palästinensische Autonomiebehörde im Westjordanland oder die Hamas-Behörden im Gazastreifen, die Human Rights Watch an anderer Stelle dokumentiert hat. [ix]
Dieser Bericht basiert in erster Linie auf einer detaillierten Übersicht über Dutzende von israelischen Militärbefehlen, Anklageerhebungen und Gerichtsentscheidungen. Human Rights Watch führte auch insgesamt 29 Interviews - 11 mit Palästinensern, die auf israelische Militärbefehle hin inhaftiert wurden, zwei mit ihren Familienangehörigen, drei mit Aktivisten und Journalisten, die sagen, dass die Gefahr einer Verfolgung oder Sanktionen durch die israelische Armee sie dazu veranlasst hat, ihren Aktivismus einzuschränken, eines mit einem palästinensischen Politikanalytiker und 12 mit israelischen und palästinensischen Anwälten, die Palästinenser vertreten, die im israelischen Militärjustizsystem inhaftiert sind. Die Interviews fanden zwischen August 2017 und Oktober 2019 an verschiedenen Orten im besetzten Westjordanland statt.
Wir führten die meisten der Interviews einzeln, in arabischer oder englischer Sprache. Wir führten sie mit der vollen Zustimmung der Befragten durch und teilten jedem der Befragten mit, wie Human Rights Watch die bereitgestellten Informationen verwenden würde. In einigen Fällen konnte Human Rights Watch auch Foto- und Videobeweise prüfen und in einem Fall an einer Anhörung vor dem Militärgericht teilnehmen.
Human Rights Watch schrieb am 1. August 2019 an die Koordination der Regierungsaktivitäten in den Gebieten (COGAT), die für die Verwaltung des besetzten Westjordanlandes zuständige Stelle der israelischen Armee, die israelische Polizei und die israelische Sicherheitsbehörde (Shin Bet) und am 29. August an den Sprecher der israelischen Armee und bat um die Perspektiven der einzelnen Einheiten. Jede bestätigte den Empfang.
Das Büro des Premierministers [x] antwortete im Namen des Shin Bet und erklärte in einem kurzen Schreiben vom 8. August 2019, dass es »gemäß seinen gesetzlich festgelegten Befugnissen und Pflichten« arbeite, weigerte sich jedoch, weitere Informationen zu liefern, da »eine Offenlegung die Arbeitsmethoden offenbaren könnte«. Am 28. August schickte die Polizei ein Schreiben vom 27. August mit einigen zusätzlichen Informationen, weigerte sich jedoch, die meisten der gestellten Fragen zu beantworten, und behauptete, dass sie angesichts des Formats, in dem die Anfrage gesendet wurde, keine rechtliche Verpflichtung zur Bereitstellung von Informationen habe, ohne das gewünschte Format zu spezifizieren. [xi] Am 1. September sagte das Büro für öffentliche Untersuchungen der COGAT, dass sie unsere Anfrage nach Informationen nicht akzeptieren könne, ohne ein Formular beizufügen, das nur für offiziell in Israel registrierte Organisationen verfügbar ist. Am 18. November beantwortete der Sprecher der israelischen Armee den Brief von Human Rights Watch inhaltlich. In dem Schreiben wurde darauf hingewiesen, dass weitere Informationen übermittelt würden, Human Rights Watch aber bis zur Veröffentlichung keine zusätzlichen Informationen erhalten habe.
Human Rights Watch schrieb auch an Facebook und ersuchte um Informationen über Anfragen der israelischen Behörden zur Regulierung der Inhalte auf ihrer Plattform und erhielt substanzielle Antworten. Alle Antworten sind in dem Bericht enthalten und werden in vollem Umfang abgedruckt, zusammen mit den von Human Rights Watch versandten Briefen als Anhang.
I. Hintergrund
Die israelische Armee besetzte das Westjordanland am 7. Juni 1967. An diesem Tag gab die Armee eine Proklamation heraus, in der sie feststellte, dass ihr Befehlshaber im Westjordanland »alle legislativen, exekutiven und gerichtlichen Befugnisse« über das besetzte Gebiet hat und dass »die Gesetze, die bis zum 7. Juni 1967 in Kraft waren, in Kraft bleiben, solange sie nicht durch nachfolgende militärische Befehle widersprochen werden« [xii] Die Armee hat in den folgenden 52 Jahren Hunderte von militärischen Befehlen für das Westjordanland erlassen.
Diese regeln nach wie vor viele Aspekte des Alltagslebens der Palästinenser im Westjordanland, einschließlich der Regelung der Bewegungsfreiheit und des Zugangs zu Wasser, Land und natürlichen Ressourcen. [xiii] Sie gelten nicht für Ostjerusalem, das Israel 1967 annektiert hat und wo es sein eigenes innerstaatliches Recht anstelle des Militärrechts anwendet, in einem einseitigen Schritt, den kein anderes Land anerkannt hat, und der den völkerrechtlichen Status Ostjerusalems als besetztes Gebiet nicht ändert.
Seit 1967 hat die israelische Armee militärische Befehle zusammen mit den Gesetzen, die im Westjordanland vor Beginn der Besetzung bestanden, dazu benutzt, hunderttausende Palästinenser des Westjordanlandes für verschiedene Zeiträume einzusperren. Am 31. Oktober 2019 hielten die israelischen Behörden nach Angaben des israelischen Strafvollzugsdienstes 4.391 Palästinenser aus dem Westjordanland wegen »Sicherheits«-Vergehen in Haft, darunter 458, die aufgrund geheimer Beweise ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Verwaltungshaft [Anmerkung: besser übersetzt mit Vorbeugehaft [xiv]] gehalten wurden. [xv] Die israelischen Behörden stellen die meisten der im Westjordanland inhaftierten Palästinenser vor Militärgerichte, wo ihnen unfaire Gerichtsverfahren und eine Verurteilungsrate von fast 100 Prozent drohen. [xvi]
Die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) hat auch die Rechte der Palästinenser auf Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit in den Teilen des Westjordanlandes, in denen sie nur eine begrenzte Kontrolle hat, stark eingeschränkt. Die PA führt routinemäßig willkürliche Verhaftungen von Kritikern und Gegnern durch, insbesondere wegen Aussagen in soziale Medien. Zu ihren Zielen gehören unabhängige Journalisten, Studenten auf Universitätsgeländen und Demonstranten bei Demonstrationen. [xvii] Zwischen Januar 2018 und März 2019, so die Palästinensische Autonomiebehörde, hielten ihre Sicherheitskräfte 1.609 Personen wegen Beleidigung »höherer Autoritäten« und Schaffung »sektiererischer Konflikte« fest, Anklagen, die in Wirklichkeit friedliche Meinungsverschiedenheiten kriminalisieren, und 752 wegen Posten in den sozialen Medien [xviii]. Die PA-Kräfte foltern die Gefangenen systematisch. Die Hamas-Behörden in Gaza begehen regelmäßig ähnliche Übergriffe [xix].
In Gaza haben die israelischen Behörden 2005 die seit 1967 bestehende Militärregierung aufgelöst und die Anwendung von Militärbefehlen eingestellt, als sie die Siedler zurückzog. Israel behält jedoch weiterhin die effektive Kontrolle über den Gaza-Streifen und schränkt die Rechte seiner Bewohner mit anderen Mitteln ein, darunter weitreichende Beschränkungen des Personen- und Warenverkehrs in das und aus dem Küstengebiet. [xx]
II. Rechtliche Normen: Bürgerrechte bei längerer Besetzung
Als Besatzungsmacht hat Israel rechtliche Verpflichtungen gegenüber den palästinensischen Bewohnern der besetzten palästinensischen Gebiete [xxi]. Das Besatzungsrecht findet sich vor allem in der Vierten Genfer Konvention von 1949, [xxii] den Haager Regeln von 1907, [xxiii] und im humanitären Völkergewohnheitsrecht. [xxiv]
Das internationale Menschenrechtsgesetz, einschließlich des Internationalen Vertrags über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR), gilt für das Verhalten Israels gegenüber den Palästinensern im Westjordanland und im Gazastreifen, neben dem humanitären Völkerrecht, das die Besatzung regelt. Während Israel behauptet, dass seine Menschenrechtsverpflichtungen sich nicht auf die besetzten Gebiete erstrecken, hat der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen, das mit der Auslegung des ICCPR beauftragte Gremium, wiederholt festgestellt, dass die Staaten verpflichtet sind, die Menschenrechtsverträge, die sie außerhalb ihrer Staatsgrenzen ratifiziert haben, zu respektieren, und insbesondere, dass »die Bestimmungen des Paktes zum Nutzen der Bevölkerung der besetzten Gebiete gelten.« [xxv] Der Internationale Gerichtshof schloss sich dieser Auffassung in seinem Gutachten zur Trennungsbarriere Israels an und erklärte, dass der ICCPR »auf Handlungen anwendbar ist, die ein Staat in Ausübung seiner Gerichtsbarkeit außerhalb seines eigenen Territoriums vornimmt« [xxvi].
Der Staat Palästina hat seit 2014 zahlreiche UNO- und regionale Menschenrechtsverträge ratifiziert.
Die Vierte Genfer Konvention verlangt von der Besatzungsmacht, jede Regel, die die Aktivitäten geschützter Personen vorhersehbar einschränken könnte, ausreichend klar zu formulieren, insbesondere wenn die Verletzung strafrechtliche Folgen hat. [xxvii]
Artikel 43 der Haager Regeln von 1907, der vom Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg und vom Internationalen Gerichtshof als völkergewohnheitsrechtlich verbindlich für alle Staaten anerkannt wurde, [xxviii] umreißt die Befugnisse und Verantwortlichkeiten einer Besatzungsmacht:
Da die Autorität der legitimen Macht tatsächlich in die Hände des Besatzers übergegangen ist, hat dieser alle in seiner Macht stehenden Maßnahmen zu ergreifen, um die öffentliche Ordnung und Sicherheit so weit wie möglich wiederherzustellen und zu gewährleisten, wobei die im Land geltenden Gesetze zu respektieren sind, es sei denn, sie werden absolut verhindert.
Diese Bestimmung ermächtigt eine Besatzungsmacht, restriktive Maßnahmen zu ergreifen, die militärisch notwendig sind, um ihre eigene Sicherheit zu gewährleisten, verlangt aber auch, dass der Besatzer das öffentliche Leben zum Wohle der besetzten Bevölkerung wiederherstellt und gewährleistet. Als militärisch notwendig gelten Maßnahmen, die »einen legitimen Zweck erfüllen und nicht anderweitig durch das humanitäre Völkerrecht verboten sind« [xxix].
Wissenschaftler und Gerichte haben »öffentliche Ordnung und Sicherheit« durchweg so interpretiert, dass sie über die bloße Gewährleistung von Sicherheit hinausgehen und auch die Erleichterung des normalen Zivillebens, einschließlich Bildung, Wirtschaft, Gesundheitsversorgung und anderer Aspekte des Alltagslebens, einschließen [xxx] Das Original in der Sprache Französisch (l'ordre et la vie publics) enthält die Worte »öffentliches Leben«, was widerspiegelt, dass die Erleichterung des Zivillebens einen integralen Bestandteil der Pflichten einer Besatzungsmacht darstellt. Der israelische Oberste Gerichtshof hat eine solche Auslegung im wegweisenden Fall Jamayat Askan von 1983 übernommen:
Die [Artikel 43 der Haager] Verordnung beschränkt sich nicht auf einen bestimmten Aspekt der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Sie erstreckt sich auf alle Aspekte der öffentlichen Ordnung und Sicherheit. Daher gilt diese Autorität (...) auch für eine Vielzahl »ziviler« Angelegenheiten wie Wirtschaft, Gesellschaft, Bildung, Wohlfahrt, Hygiene, Gesundheit, Verkehr und andere solche Angelegenheiten, mit denen das menschliche Leben in einer modernen Gesellschaft verbunden ist. [xxxi]
Indem er die Besatzer dazu auffordert, »soweit wie möglich die öffentliche Ordnung und Sicherheit zu gewährleisten«, verlangt Artikel 43, dass ein Besatzer alle ihm zur Verfügung stehenden praktischen Mittel einsetzt, um die Auswirkungen seiner Handlungen auf die örtliche Bevölkerung zu minimieren. Die logische Folge dieses Artikels ist, dass die einem Besatzer zur Verfügung stehenden Mittel mit der Dauer der Besetzung zunehmen. Eine ausländische Armee, die ein Dorf für einen Monat oder ein Jahr besetzt hält, kann in der Ausgereiftheit der von ihr ergriffenen Sicherheitsmaßnahmen eingeschränkt sein, weil ihr Zeit, Ressourcen und die Vertrautheit mit dem Ort und der Bevölkerung unter der Besatzung fehlen. Eine ausländische Armee, die ein Gebiet jahrzehntelang besetzt hält, hat jedoch mehr Zeit und Gelegenheit, ihre Reaktionen auf Bedrohungen der Sicherheit ihrer Streitkräfte so zu verfeinern, dass die Einschränkungen von Rechten und Freiheiten so gering wie möglich gehalten werden. Je länger die Besatzung dauert, desto größer ist die Fähigkeit und damit die Verpflichtung, Sicherheitsmaßnahmen zu treffen, die die Auswirkungen auf die örtliche Bevölkerung so gering wie möglich halten [xxxii].
Rechtsexperten haben Artikel 43 dahingehend interpretiert, dass er die Besatzer davon abhalten soll, Maßnahmen zu ergreifen, die der besetzten Bevölkerung im Vergleich zu dem militärischen Nutzen, den sie aus diesen Maßnahmen ziehen, unverhältnismäßig stark schaden [xxxiii].
Die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung sehen auch bei kürzeren Besetzungen, bei denen kampfähnliche Situationen häufiger auftreten können, anders aus als bei einer längerfristigen Besetzung, bei der die Interaktionen routinemäßiger werden und sich das Leben etwas normalisiert [xxxiv]. Der israelische Oberste Gerichtshof hat im Jamayat Askan - Urteil festgelegt, dass der Inhalt dessen, was »öffentliche Ordnung und Sicherheit« ausmacht, auf der Grundlage der Bedürfnisse der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Untersuchung bewertet werden sollte [xxxv]. Er hat ferner festgestellt, dass »bei einer kurzfristigen militärischen Besetzung die militärischen und Sicherheitsbedürfnisse überwiegen«. Umgekehrt gewinnen die Bedürfnisse der lokalen Bevölkerung bei einer langfristigen militärischen Besetzung an Gewicht« [xxxvi]. Die mittel- und langfristige Gesundheit einer Gesellschaft erfordert einen robusteren Schutz der Rechte, um die normale Entwicklung einer Gesellschaft zu ermöglichen.
Die Verweigerung der Rechte auf freie Meinungsäußerung, friedliche Versammlung und Vereinigungsfreiheit blockiert die geschützte Bevölkerung am Zugang zu Informationen, an der Diskussion von Ideen und an der friedlichen Forderung nach Veränderungen [xxxvii] Die Aussetzung dieser Rechte für eine Woche oder einen Monat unterbricht das öffentliche Leben, aber die jahrzehntelange Aussetzung verzerrt es grundlegend.
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat in einem Kommentar zu den Genfer Konventionen gesagt, dass »die Pflichten, die einer Besatzungsmacht obliegen, der Dauer der Besatzung angemessen sind«, und festgestellt, dass »wenn die Besatzung andauert, immer mehr Verantwortung auf die Besatzungsmacht fällt« [xxxviii] Die israelische Regierung selbst hat vor Gericht argumentiert, dass ihre Pflichten robuster werden, wenn die Bedürfnisse der palästinensischen Bevölkerung im Laufe der Besatzung wachsen. In einem Fall aus dem Jahr 2010 rechtfertigte der Staat vor dem Obersten Gerichtshof die Fortsetzung der israelischen Steinbruchaktivitäten im Westjordanland mit dem Argument, dass sie zum Wirtschaftswachstum beitrage und damit der Regierung helfe, die zusätzlichen Pflichten zu erfüllen, die sie der Bevölkerung im Zusammenhang mit einer langfristigen Besatzung schulde. [xxxix] Die israelische Regierung selbst hat vor Gericht argumentiert, dass ihre Pflichten im Laufe der Besatzung robuster werden.
Führende Juristen, die den rechtlichen Rahmen studieren, der in einer Situation militärischer Besatzung gilt, argumentieren, dass sowohl die Kriegsgesetze als auch die internationalen Menschenrechtsgesetze zu jeder Zeit gelten und dass der Kontext, insbesondere die Dauer einer Besatzung, bestimmt, welcher Rahmen in einer bestimmten Situation Vorrang hat.
Das Besatzungsrecht als Notfallrahmen ist per definitionem dazu bestimmt, eine außergewöhnliche, vorübergehende Situation zu regeln, in der eine ausländische Militärmacht den rechtmäßigen Souverän verdrängt und gewaltsam regiert [xl].
Je länger die Besatzung dauert, desto mehr sollten die militärischen Regeln einem gewöhnlichen Regierungssystem ähneln, und daher sollten die Standards der internationalen Menschenrechtsgesetze gelten, die zu jeder Zeit gelten. Selbst wenn es während einer Besatzung zu Zeiten intensiver Kämpfe kommt, sollte die Situation zurückkehren, wenn die Feindseligkeiten in eine Situation zurückfallen, in der die regulären Regeln der internationalen Menschenrechtsgesetze gelten. Auch wenn der Schutz der grundlegenden Bürgerrechte, einschließlich der Meinungs-, Vereinigungs- und Versammlungsrechte, zuweilen legitime Sicherheitsbedenken aufwerfen kann, [xli] sollten weitreichende Einschränkungen nicht auf unbestimmte Zeit bestehen bleiben. Wie drei israelische Rechtswissenschaftler argumentiert haben, »je länger die Besatzung dauert, desto mehr Gewicht haben die Menschenrechte der lokalen Bevölkerung« [xlii].
Die Schutzvorkehrungen, die der besetzten Bevölkerung durch die Besatzungsgesetze gewährt werden, wie das Verbot, Siedlungen zu bauen und natürliche Ressourcen zum Nutzen des Besatzers zu fördern, bleiben jedoch so lange bestehen, wie die Besatzung unabhängig von ihrer Dauer andauert. Gleichzeitig gelten die internationalen Menschenrechtsvorschriften, die diese Schutzmaßnahmen im Kontext einer längeren Besatzung ergänzen, die ein größeres Risiko für die langfristige Gesundheit der Gesellschaft darstellt [xliii].
So würde der ICCPR beispielsweise die Interpretation des Charakters des zivilen Lebens leiten, das ein Besatzer der besetzten Bevölkerung gemäß Artikel 43 der Haager Resolutionen bei einer längeren Besetzung bieten sollte.
Israel hat den ICCPR 1991 ratifiziert, obwohl es eine formelle Erklärung abgegeben hat, in der es eine Abweichung von einer Bestimmung über die Inhaftierung (Artikel 9) insoweit anstrebt, als sie Maßnahmen im Rahmen des im Mai 1948 proklamierten Ausnahmezustands, der bis heute in Kraft ist, verbietet. Der Staat Palästina hat den ICCPR 2014 vollständig ratifiziert.
Artikel 15 des ICCPR unterstreicht die Notwendigkeit einer präzisen Festlegung von Straftaten, die eine Verurteilung aufgrund einer nicht kriminalisierten Handlung verbietet [xliv].
Artikel 19 des ICCPR besagt, dass »jede Person das Recht auf freie Meinungsäußerung hat, ... Informationen und Ideen aller Art zu suchen, zu empfangen und weiterzugeben«. Der Artikel stellt fest, dass die Behörden dieses Recht einschränken können, aber die Einschränkungen »dürfen nur so weit gehen, wie es das Gesetz vorsieht und notwendig ist«: (a) für die Achtung der Rechte oder des Rufs anderer; (b) für den Schutz der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung oder der öffentlichen Gesundheit oder Moral«. Der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen gab 2011 einen maßgeblichen Kommentar heraus, in dem er feststellte, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung den politischen Diskurs, das Eintreten für die Menschenrechte und den Journalismus umfasst, der durch verschiedene Mittel, einschließlich elektronischer und internetbasierter Ausdrucksformen, verbreitet wird [xlv]. Das Recht umfasst auch die Freiheit, Informationen zu vermitteln und zu erhalten [xlvi].
Der Ausschuss legte auch fest, dass nach dem Erfordernis der Legalität Einschränkungen »mit ausreichender Genauigkeit formuliert werden müssen, um es einer Person zu ermöglichen, ihr Verhalten entsprechend zu regeln« und »ausreichende Anleitung« dafür zu geben, »welche Arten von Ausdrücken angemessen eingeschränkt sind und welche nicht«. Er stellte auch fest, dass über die in dem Artikel selbst genannten Anforderungen der Rechtmäßigkeit und Notwendigkeit hinaus Einschränkungen »nicht übertrieben werden dürfen« und dass »wenn sich ein Vertragsstaat auf einen legitimen Grund für die Einschränkung der Meinungsfreiheit beruft, muss er in spezifischer und individualisierter Weise die genaue Art der Bedrohung nachweisen ... insbesondere durch die Herstellung eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen dem Ausdruck und der Bedrohung«. Er erörtert insbesondere die Besorgnis über den Terrorismus und stellt fest, dass »Straftaten als 'Ermutigung zum Terrorismus' und 'extremistische Aktivitäten' sowie Straftaten, die den Terrorismus 'loben', 'verherrlichen' oder 'rechtfertigen', klar definiert werden sollten, um sicherzustellen, dass sie nicht zu unnötigen oder unverhältnismäßigen Eingriffen in die Meinungsfreiheit führen« [xlvii].
Artikel 17 des ICCPR sieht vor, dass »niemand willkürlichen oder unrechtmäßigen Eingriffen in seine Privatsphäre, seine Familie, seine Wohnung oder seine Korrespondenz unterworfen werden darf« [xlviii]. Das Büro des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Menschenrechte (OHCHR) hat erklärt, dass diese Anforderungen bedeuten, dass der Eingriff der Regierung in die Privatsphäre rechtmäßig, notwendig und verhältnismäßig sein muss [xlix]. Es hat ferner festgestellt, dass »das Recht auf Privatsphäre ins Spiel kommt, wenn eine Regierung einen öffentlichen Raum überwacht ... und dabei Einzelpersonen beobachtet«, und dass »ähnlich, wenn Informationen, die über eine Person in sozialen Medien öffentlich zugänglich sind, gesammelt und analysiert werden, dies auch das Recht auf Privatsphäre impliziert. Die öffentliche Weitergabe von Informationen macht deren Inhalt nicht ungeschützt« [l]. Dies bedeutet, dass die staatliche Überwachung von Informationen, die eine Person in sozialen Medien öffentlich gemacht hat, in das Recht auf Privatsphäre eingreift, so dass ein solcher Eingriff rechtmäßig, notwendig und verhältnismäßig sein muss. Wenn es um die staatliche Überwachung der Kommunikation und des Web-Browsing geht, hat das OHCHR festgestellt, dass eine »unterschiedslose Massenüberwachung« nicht dem Erfordernis der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit entspricht und daher Rechte verletzt, selbst wenn Staaten argumentieren, dass sie »zum Schutz der nationalen Sicherheit notwendig« [li] ist. Das OHCHR zitiert die Bemerkung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, dass »ein System der geheimen Überwachung, das zum Schutz der nationalen Sicherheit eingerichtet wurde, die Demokratie unter dem Deckmantel ihrer Verteidigung untergraben oder sogar zerstören kann« [lii]. Das OHCHR kam zu dieser Schlussfolgerung, weil bei einer massenhaften Überwachung »eine individualisierte Notwendigkeits- und Verhältnismäßigkeitsanalyse« durch den Staat nicht möglich ist [liii]. Eine unterschiedslose massenhafte Überwachung von Sprache beinhaltet per Definition keine individualisierte Notwendigkeits- und Verhältnismäßigkeitsanalyse und verstößt daher sehr wahrscheinlich gegen internationale Menschenrechtsvorschriften.
Um für die Zwecke des Rechts auf Privatsphäre rechtmäßig zu sein, muss die Überwachung, Sammlung, Speicherung oder Abfrage von Informationen auf der Grundlage klarer, spezifischer, öffentlich zugänglicher Gesetze erfolgen, die Kriterien für diese Aktivitäten sowie Schutzmaßnahmen und wirksame Rechtsmittel gegen Missbrauch festlegen [liv]. Die Maßnahmen müssten auch notwendig und verhältnismäßig sein, um ein legitimes Ziel zu erreichen.
Artikel 20 des Internationalen Vertrages über bürgerliche und politische Rechte verbietet: »Jede Befürwortung von National-, Rassen- oder religiösem Hass, die eine Aufstachelung zu Diskriminierung, Feindseligkeit oder Gewalt darstellt, ist gesetzlich verboten.« Das Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung, dem Israel beigetreten ist, verbietet auch die Aufstachelung. Im Januar 2013 verabschiedete das Büro des Hochkommissars für Menschenrechte (OHCHR) eine Reihe von Richtlinien, den Aktionsplan von Rabat, der in drei Teilen - Legalität, Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit - ein Gleichgewicht zwischen freier Meinungsäußerung und Aufstachelung zum Hass herstellt. Er stellte fest, dass »die Einschränkung der Redefreiheit eine Ausnahme bleiben muss« und legte eine »hohe Schwelle« für jede Einschränkung der freien Meinungsäußerung fest, die den Kontext, den Redner, die Absicht, den Inhalt und die Form, das Ausmaß des Redeaktes und die Wahrscheinlichkeit eines Schadens, einschließlich der Frage, wie unmittelbar die Bedrohung ist, bewerten sollte. In Bezug auf die drohende Gefahr legt der Rabat-Plan fest, dass es, damit die Rede mit dem Gesetz in Konflikt gerät, »eine vernünftige Wahrscheinlichkeit geben sollte, dass die Rede erfolgreich zu tatsächlichen Handlungen gegen die Zielgruppe aufruft, wobei anerkannt wird, dass eine solche Verursachung ziemlich direkt sein sollte« [lv].
Der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ICCPR) schützt ferner die Rechte auf »Versammlungsfreiheit« (Artikel 21) und »Vereinigungsfreiheit« (Artikel 22) und beschränkt Einschränkungen auf Fälle, in denen dies gesetzlich vorgeschrieben und notwendig ist für »die nationale oder öffentliche Sicherheit, die öffentliche Ordnung (ordre public), den Schutz der öffentlichen Gesundheit oder Moral oder den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer«. Die Staaten können die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie auch die Meinungs- und Privatsphäre, nur dann einschränken, wenn (1) Einschränkungen gesetzlich vorgeschrieben sind, (2) für einen legitimen Zweck unternommen werden und (3) notwendig und verhältnismäßig sind. Das OHCHR hat gesagt, dass »keine Person für die bloße Handlung der Organisation oder Teilnahme an einem friedlichen Protest strafrechtlich, zivilrechtlich oder verwaltungstechnisch haftbar gemacht werden sollte« [lvi].
Behörden, sowohl Besatzer als auch nationale Regierungen, können Maßnahmen ergreifen, um Handlungen einzuschränken, wenn die Ausübung von Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit als Bedrohung der Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung ausgelegt werden kann [lvii]. Dieses Vorrecht kann jedoch nicht die Verfolgung von Journalisten, Menschenrechtsanwälten oder anderen rechtfertigen, die öffentlich zugängliche Informationen und Meinungen von berechtigtem Interesse verbreiten, wenn keine spezifische und unmittelbare Sicherheitsbedrohung vorliegt [lviii]. Staaten können immer auf solche Bedrohungen reagieren, aber in einer längeren Besatzungsperiode, in der es keine aktiven Feindseligkeiten gab, sollte ein Besatzer dies vorbehaltlich der regulären internationalen Menschenrechtsgesetze und -normen tun.
Das humanitäre Völkerrecht verbietet es einem Besatzer, geschützte Personen außerhalb des besetzten Gebietes zu transferieren, eine Bestimmung, gegen die Israel routinemäßig verstößt, wenn es Palästinenser aus dem Westjordanland festnimmt und sie innerhalb Israels festhält.
Das internationale Menschenrechtsgesetz bietet eine Reihe zusätzlicher Schutzmaßnahmen, auch in Bezug auf Kinder. Die Konvention über die Rechte des Kindes verlangt von den Behörden, ein Kind nur als letztes Mittel und für die kürzeste angemessene Zeit zu verhaften oder zu inhaftieren und Vorkehrungen zu treffen, um sicherzustellen, dass Kinder nicht gezwungen werden, ihre Schuld einzugestehen [lix]. Israel verweigert palästinensischen Kindern, die im Westjordanland verhaftet und festgehalten werden, den rechtlichen Schutz, der israelischen Kindern, einschließlich der Kinder von Siedlern, gewährt wird.
Die Menschenrechtsgesetze, insbesondere Artikel 26 des Internationalen Vertrages über bürgerliche und politische Rechte, verbieten ferner die Diskriminierung aus Gründen der Rasse, der Religion oder der nationalen oder sozialen Herkunft und schreiben den gleichen Schutz durch das Gesetz vor. Die restriktiven militärischen Anordnungen gelten für die palästinensischen Bewohner des Westjordanlandes, nicht jedoch für Ost-Jerusalem, aber für keinen der über 400.000 israelischen Siedler, die im selben Gebiet leben und unter israelischem Zivilrecht leben, das die Rechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit gewährleistet.
Der israelische Oberste Gerichtshof hat die Meinungsfreiheit als »Herz und Seele« der Demokratie bezeichnet [lx]. Der israelische Oberste Gerichtshof hat in einem Gutachten des damaligen Obersten Richters Aharon Barak festgestellt, dass die Meinungsfreiheit »einen Ehrenplatz im Palast der Grundrechte des Menschen« einnimmt.« [lxi] Das israelische Recht schränkt die freie Meinungsäußerung ein, aber, so Barak, »die Abwägungsformel versucht, diesen Grundwert so wenig wie möglich zu beschneiden«, und insbesondere »nur dann, wenn die Verletzung der staatlichen Sicherheit und der öffentlichen Ordnung schwerwiegend, ernst und umfangreich ist, und nur dann, wenn es eine annähernde Gewissheit gibt, dass die Verwirklichung der freien Meinungsäußerung diese Verletzung mit sich bringt« [lxii]. Barak hat auch geschrieben, dass »[f]reedom of expression nicht nur die Freiheit ist, Dinge ruhig und angenehm auszudrücken. Es ist auch die Freiheit, einen Aufschrei zu erheben, der auf den Ohren knirscht« [lxiii].
Während Elemente der Verteidigungs(not)vorschriften auch heute noch im israelischen Recht verankert sind, haben viele in Israel Kritik an ihnen geübt. Im Jahr 1951 stellte die Knesset fest, dass die Notstandsverordnungen »den Grundprinzipien der Demokratie entgegenstehen«, und wies einen Ausschuss an, einen Gesetzentwurf für ihre Aufhebung auszuarbeiten [lxiv]. In einem Fall von Kol Ha'am aus dem Jahr 1953 wies der Oberste Gerichtshof Israels die Versuche der Regierung, die Veröffentlichung zweier Zeitungen zu zensieren, mit der Begründung zurück, dass sie »die öffentliche Sicherheit gefährden« könnte, und entschied, dass nur »eine annähernde Gewissheit«, dass die Veröffentlichung »ernsthaft« lebenswichtige Sicherheitsinteressen gefährden würde, einen solchen Rückgriff rechtfertigen könne.
Im Hinblick auf Demonstrationen verlangt das israelische Recht nur dann eine Genehmigung, wenn mehr als 50 Personen beteiligt sind, sie im Freien stattfinden und »politische Reden und Erklärungen« [lxv] beinhalten. Die Polizei wiederum kann eine Genehmigung nur dann verweigern, wenn sie »fast sicher« nachweisen kann, dass die öffentliche Sicherheit, die öffentliche Ordnung oder die Rechte anderer verletzt wurden [lxvi]. Richter Barak schrieb 2006 in einem Fall des Obersten Gerichtshofs: »Eine Demonstration politischer oder sozialer Art ist eine Manifestation der Autonomie des individuellen Willens, der Wahlfreiheit und der Freiheit der Verneinung, die im Rahmen der Menschenwürde als verfassungsmäßiges Recht enthalten sind.« [lxvii] Eine Entscheidung ein Jahr später bestätigte, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedlichen Protest »nicht nur diejenigen schützen soll, die akzeptierte und populäre Meinungen vertreten, sondern auch ... Meinungen, die geeignet sind, Ärger oder Empörung hervorzurufen« [lxviii]. Im Jahr 2017 ging der Oberste Gerichtshof einen Schritt weiter und stellte fest, dass »die Forderung nach einer Genehmigung zur Durchführung von Protesten nichts anderes als ein [britischer] obligatorischer Überrest ist [und] es scheint die Zeit gekommen zu sein, ihre Entfernung aus dem israelischen Recht zu prüfen« [lxix].
III. Israelische Militärbefehle, die die palästinensischen Bürgerrechte verletzen
Am 7. Juni 1967 übernahm die israelische Armee die Kontrolle über das Westjordanland und begann auf Grund einer an diesem Tag erlassenen Proklamation, in der erklärt wurde, dass die bestehenden Gesetze in Kraft blieben, sofern sie nicht durch spätere militärische Befehle geändert werden, mit der Durchsetzung der Defense (Emergency) Regulations von 1945, die von den britischen Mandatsbehörden zur Aufrechterhaltung der Ordnung und zur Unterdrückung abweichender Meinungen erlassen worden waren. Während die Briten die Defense (Emergency) Regulations einige Tage vor Ende des Mandats formell widerriefen und Jordanien kurz vor der Übernahme der Kontrolle über das Westjordanland ein eigenes Verteidigungsgesetz erließ, ist die israelische Armee der Ansicht, dass die Gesetze nie ordnungsgemäß widerrufen wurden, eine Auslegung, die der israelische Oberste Gerichtshof später bestätigte, und erließ in den folgenden Monaten zwei militärische Befehle (160, 224), um die Anwendbarkeit der Bestimmungen zu bestätigen [lxx]. Die israelische Armee benutzte die Vorschriften auch als zentrales Merkmal ihrer Militärregierung über die zwischen 1948 und 1966 in Israel lebenden Palästinenser; Elemente davon sind bis heute im israelischen Recht enthalten [lxxi].
Die Vorschriften erlauben den Abriss von Häusern, Zensur, Unterdrückung von Protesten, Schließungen, Ausgangssperren, Verwaltungshaft und Abschiebungen [lxxii]. Sie ermächtigen die Behörden auch, »jede Art von Personen« zu ächten, die unter anderem »den Sturz von lokalen Behörden befürwortet, dazu aufruft oder dazu ermutigt« oder sogar »Hass oder Verachtung oder die Erregung der Unzufriedenheit mit ihnen hervorruft«, und erklären, dass solche Gruppen eine »ungesetzliche Vereinigung« darstellen [lxxiii]. Die Behörden können Personen wegen bloßer Mitgliedschaft oder Teilnahme an Versammlungen festhalten und strafrechtlich verfolgen, wenn sie »Bücher, Konten, Zeitschriften, Handzettel, Plakate, Zeitungen oder andere Dokumente oder Gelder, Insignien oder Eigentum« oder »durch Schreiben, Worte, Zeichen oder andere Handlungen oder Darstellungen direkt oder indirekt, sei es durch Schlussfolgerung, Suggestion, Implikation oder auf andere Weise, im Namen oder als Vertreter einer ungesetzlichen Vereinigung in ihrem Besitz, in ihrer Verwahrung oder unter ihrer Kontrolle haben« [lxxiv]. Die Vorschriften erlauben es der Armee auch, die Veröffentlichung von allem zu verbieten, was ihrer Ansicht nach »der Verteidigung Palästinas oder der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung schaden würde oder wahrscheinlich schaden würde«, ohne weiter zu definieren, was dies bedeutet [lxxv].
Im August 1967 verkündete die israelische Armee die Militärverordnung Nr. 101: »Verordnung über das Verbot der Aufstachelung und feindlicher Propagandaaktionen«, die ein umfassendes Verbot friedlicher Meinungsäußerung verhängte. Die Verordnung, die in der Folge bei mehreren Gelegenheiten geändert wurde, stellte viele Formen friedlicher Versammlungen unter Strafe, darunter jede Versammlung, Kundgebung oder Prozession von zehn oder mehr Personen, die sich ohne militärische Genehmigung zu einem Thema versammelten, das »als politisch ausgelegt werden könnte«, wobei den Verletzern eine mögliche zehnjährige Haftstrafe, eine beträchtliche Geldstrafe oder beides drohte [lxxvi]. Gemäß dem Befehl dürfen Personen ohne vorherige Genehmigung durch einen israelischen Militärkommandanten keine »Flaggen oder politische Symbole halten, schwenken, zeigen oder anbringen, es sei denn, es liegt eine Genehmigung des Militärkommandanten vor« oder »in der Region eine Veröffentlichung von Mitteilungen, Plakaten, Fotos, Flugblättern oder anderen Dokumenten, die Material von politischer Bedeutung enthalten, drucken oder veröffentlichen« [lxxvii].
Die Militärauflage 101 legt ferner fest, dass jeder, der »Lob, Sympathie oder Unterstützung für eine feindliche Organisation, ihre Aktionen oder Ziele veröffentlicht«, oder jeder, der »eine Handlung begeht, die die Identifizierung mit einer feindlichen Organisation offenbart«, einschließlich durch »das Singen einer Hymne oder das Nennen eines Slogans oder eine ähnliche Handlung, die die Identifizierung oder Sympathie klar offenbart«, strafrechtlich sanktioniert wird [lxxviii]. Der Befehl ermächtigt einen Militärkommandanten auch, »jedem Besitzer eines Cafés, Clubs oder anderen Ortes, an dem sich die Öffentlichkeit versammelt«, anzuordnen, den Bereich »für den von ihm festgelegten Zeitraum« zu schließen, und ermächtigt die Soldaten, »das erforderliche Ausmaß an Gewalt auszuüben, [...] um die Verletzung dieses Befehls zu verhindern« [lxxix]. Der Befehl erlaubt es dem Kommandanten, seine Befugnisse an jedes Mitglied der Sicherheitskräfte zu delegieren [lxxx].
Im Mai 2010 verkündete die israelische Armee den Militärbefehl 1651, auch bekannt als »Strafgesetzbuch«, der 20 Schlüsselbefehle ersetzt, die zwischen 1967 und 2005 erlassen wurden. Der Erlass bezieht sich auch auf andere, darunter die Militärverordnung 101 und die Notstandsverordnungen von 1945, und baut auf ihnen auf [lxxxi]. Der Erlass kriminalisiert die »Aufstachelung und Unterstützung einer feindlichen Organisation«, z.B. durch »den Versuch, die öffentliche Meinung in dem Gebiet mündlich oder auf andere Weise in einer Weise zu beeinflussen, die dem öffentlichen Frieden oder der öffentlichen Ordnung schaden kann«, ein Vergehen, das mit einer zehnjährigen Gefängnisstrafe geahndet wird [lxxxii].
Der Befehl umreißt ferner eine Reihe von »Vergehen gegen die Behörden des Gebietes« [lxxxiii]. Neben solchen Verbrechen wie »Angriff auf einen Beamten«, der mit einer zehnjährigen Haftstrafe geahndet wird, und »Bedrohung eines Soldaten«, die mit einer siebenjährigen Haftstrafe geahndet wird, umfasst der Befehl auch die vage formulierten Vergehen der »Störung eines Soldaten« bei der »Erfüllung seiner Aufgabe« oder der »Beleidigung eines Soldaten« oder der »Verletzung seiner Ehre«. Der Befehl autorisiert auch die Bestrafung derjenigen, die »sich gegenüber einer der IDF-Behörden in der Region oder gegenüber einem ihrer Symbole beleidigend verhalten [lxxxiv]. Er ermächtigt die israelische Armee ferner, eine »geschlossene [militärische] Zone« zu erklären und jeden, der sich in der Region aufhält, zu verhaften [lxxxv]. Gemäß dem Befehl kann eine »Handlung oder Unterlassung, die Schaden, Beschädigung, Störung oder Gefahr für die Sicherheit des Gebiets oder die Sicherheit der IDF mit sich bringt« oder die »in der Nähe von« Eigentum der israelischen Armee oder des Staates Israel liegt, zu lebenslanger Haft führen [lxxxvi]. Der Befehl definiert nicht, was einen Angriff, eine Bedrohung, eine Einmischung, eine Störung, eine Beleidigung oder ein Vergehen darstellt.
Die Verteidigungs-(Notstands-)Verordnungen von 1945 und die Militärbefehle 101 und 1651 bieten nicht genügend Klarheit, um Palästinensern zu ermöglichen, zu wissen, welche Handlungen zu strafrechtlichen Konsequenzen führen können und wie sie ihr Verhalten an das Gesetz anpassen müssen, um sich an das Gesetz zu halten, was gegen ein Grundprinzip sowohl des Besatzungsrechts als auch der internationalen Menschenrechtsnormen verstößt. Der zu weit gefasste Wortlaut der Anordnungen schafft vage und weit gefasste Straftatbestände und schränkt die Rechte als Ausgangsbasis stark ein, und zwar nicht nur dann, wenn es notwendig ist. Begriffe wie »Aufstachelung« und »Beleidigung eines Soldaten« sind so vage definiert, dass der Einzelne nicht vernünftig vorhersagen kann, ob eine Handlung oder Untätigkeit ein Verbrechen darstellt.
Diese Befehle importieren einen Teil der Sprache aus Artikel 43 der Haager Regeln und aus internationalen Menschenrechtsvorschriften wie »öffentliche Ordnung« und »Sicherheit«, aber ohne die Einschränkungen, die die rechtlichen Rahmenbedingungen für die Einschränkung von Rechten vorsehen. Die Verordnungen sind nicht eng zugeschnitten, sondern verleihen den Behörden einen übermäßigen Ermessensspielraum, was heute zu klaren Menschenrechtsverletzungen führt.
Anstatt die weite Sprache eng zu interpretieren, nutzt die israelische Armee die Mehrdeutigkeit aus, indem sie willkürlich und diskriminierend das Strafrecht benutzt, um die Inhaftierung von Journalisten, Aktivisten und anderen Palästinensern für die Ausübung ihrer Grundrechte zu rechtfertigen.
Selbst wenn Einschränkungen dieser Sprache oder der Privatsphäre nach dem Besatzungsgesetz vom Juli 1967 gerechtfertigt werden könnten, haben sie im Laufe des halben Jahrhunderts, in dem die israelische Armee ein ausgeklügeltes System zur Verwaltung des besetzten Gebiets entwickelt und routinemäßig eingesetzt hat, an Gültigkeit verloren. Die Armee hätte einen Weg finden müssen, um die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung zu gewährleisten, ohne die Palästinenser effektiv ihrer grundlegenden Rechte auf freie Meinungsäußerung, Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit und Privatsphäre zu berauben.
IV. Recht auf friedliche Versammlung
Mehr als 50 Jahre seit Beginn der Besetzung vertraut Israel weiterhin auf diese restriktiven militärischen Befehle, um Demonstrationen zu unterdrücken und Organisatoren, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten und friedliche Demonstranten, einschließlich Kinder, zu verhaften [lxxxvii]. Der Militärbefehl 101 verbietet jede Versammlung von mehr als zehn Personen an einem Ort, »an dem eine Rede über ein politisches Thema gehalten wird oder das als politisch ausgelegt werden kann, oder um ein solches Thema zu erörtern«, ohne eine Genehmigung eines Militärkommandanten [lxxxviii]. Karin Hibler, eine israelische Anwältin, die palästinensische Gefangene vor den Militärgerichten vertritt, sagte gegenüber Human Rights Watch, dass sie weder von einem einzigen Fall gehört habe, in dem Palästinenser eine Genehmigung für eine Demonstration im Westjordanland beantragt hätten, noch von der israelischen Armee, die eine solche erteilt hätte [lxxxix].
Häufiger wird die israelische Armee den Ort eines Protestes plötzlich zur »geschlossenen Militärzone« erklären und Palästinenser, die nicht sofort auf Grund der Militäranordnung 1651 abreisen, wegen ihrer Beteiligung an der Demonstration strafrechtlich verfolgen. Die israelische Armee erklärte gegenüber Human Rights Watch, dass der Militärkommandant befugt ist, ein Gebiet zur »geschlossenen Militärzone« zu erklären, wenn »ein konkretes Sicherheitsbedürfnis oder ein konkretes Bedürfnis nach Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung die Schließung des Gebiets erforderlich macht«. Er stellt jedoch fest, dass der Kommandant »das Bedürfnis nach Sicherheit oder nach Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegen den Schaden abwägen muss, der den Gebietsansässigen durch die Beschränkungen der Freizügigkeit, einschließlich der Auswirkungen auf das tägliche Leben und die Beschäftigung der Bewohner, zugefügt wird« [xc].
Die israelische Armee sagte, dass sie zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 30. Juni 2019 4.590 Palästinenser wegen »Nichtbefolgung eines Befehls bezüglich einer geschlossenen Militärzone« verfolgt habe. Während dieses Zeitraums verurteilten Militärgerichte 4.519 Personen für dieses Vergehen, darunter einige, die vor dem 1. Juli 2014 angeklagt wurden [xci].
Die folgenden beiden Fälle veranschaulichen, wie die israelische Armee die Verteidigungs(Notstands-)bestimmungen und die militärischen Befehle 101 und 1651 benutzt, um das Recht der Palästinenser auf friedliche Versammlung einzuschränken. In beiden Fällen handelt es sich um Palästinenser, die wegen ihrer Beteiligung an politischen Protesten inhaftiert sind und sich einer Kombination von Anklagen gegenübersehen, die in ihrer Ansicht nach eine friedliche Versammlung kriminalisieren (z.B. »Demonstration ohne Genehmigung«), wobei die Anklagen so weit gefasst sind, dass sie Missbrauch Tür und Tor öffnen (z.B, »Versuch, die öffentliche Meinung in der Region in einer Weise zu beeinflussen, die die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden könnte«) und solche, die sich auf erkennbare Vergehen beziehen (z.B. »Sabotage einer IDF-Einrichtung«), aber regelmäßig von der israelischen Armee zur Bestrafung des Widerstands gegen ihre Herrschaft benutzt werden.
Farid al-Atrash, Bethlehem
Am 26. Februar 2016 nahm Farid al-Atrash, 42, der Leiter der Abteilung für das südliche Westjordanland der Unabhängigen Menschenrechtskommission, einer Kommission, die die Einhaltung der Menschenrechte durch die palästinensischen Behörden überwachen soll, an einem Protest in Hebron teil. Mehr als 100 Demonstranten forderten die israelischen Behörden auf, die al-Shuhada-Straße wieder zu öffnen, eine zentrale Verkehrsader, die das israelische Militär den Palästinensern in den letzten 19 Jahren verboten hat, angeblich zum Schutz der etwa 700 israelischen Siedler, die in der Nähe wohnen [xcii]. Israel schränkt die Bewegungsfreiheit der Palästinenser in Hebron zum Teil durch mehr als 100 physische Hindernisse ein, 21 davon sind ständig mit Kontrollpunkten besetzt [xciii]. Diese haben die einst geschäftige al-Shuhada-Straße in eine gespenstische Durchgangsstraße mit verrammelten Fenstern und anti-palästinensischen Graffiti verwandelt [xciv].
Al-Atrash sagte gegenüber Human Rights Watch, dass fünf oder sechs israelische Soldaten ihn gegen Mittag verhaftet hätten, als er an der Protestaktion teilnahm und ein Schild mit der Aufschrift »Offene Shuhada-Straße« [xcv] hielt. Ein von Human Rights Watch überprüftes Video zeigt israelische Soldaten, die al-Atrash verhaftet haben, ohne dass er sich körperlich wehrte [xcvi]. Al-Atrash sagte auch, dass israelische Soldaten Schallbomben und Tränengas eingesetzt hätten, die im Video sichtbar und hörbar waren, um die Demonstranten zu zerstreuen. Die Soldaten legten al-Atrash Handschellen an die Hände, fesselten seine Füße und verbanden ihm die Augen, sagte er.
Die Soldaten brachten ihn in ein Gefangenenlager in der benachbarten Siedlung Kiryat Arba, wo sie ihn etwa eine Stunde lang über seine Teilnahme an dem Protest und seine Anwesenheit in einer »geschlossenen Militärzone« verhörten, bevor sie ihn später am selben Tag in ein Gefangenenlager im nahe gelegenen Siedlungsblock Gush Etzion verlegten, wo sie ihn fünf Tage lang festhielten.
Laut der von Human Rights Watch geprüften Anklage klagten Militärstaatsanwälte al-Atrash sowie den palästinensischen Aktivisten Issa Amro in fünf Punkten an, die sich aus ihrer Teilnahme an dem Protest ergeben hatten. Zu den Anklagepunkten gehören »Demonstration ohne Erlaubnis« gemäß Militäranordnung 101 und, gemäß Militäranordnung 1651, »Betreten einer geschlossenen Militärzone«, »Anstiftung« zum »Versuch, die öffentliche Meinung in dem Gebiet in einer Weise zu beeinflussen, die der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit schaden könnte« durch seine »anstiftenden« Sprechchöre und »Schwenken der Flaggen der Palästinensischen Autonomiebehörde« sowie ein Schild »Offene Shuhada-Straße«, »Angriff auf einen Soldaten« auf der Grundlage eines »Schubs« von Soldaten, die versuchen, »Demonstranten am Vorrücken zu hindern«, und einer »Behinderung eines Soldaten«, um »eine Verhaftung zu vermeiden oder sich sogar gewaltsam zu widersetzen«.
Das Militärgericht von Ofer ließ al-Atrash sowie Amro am 1. März 2016 gegen Kaution frei, aber ihre Strafverfolgung geht mehr als dreieinhalb Jahre später weiter. Die Anklage von Al-Atrash verletzt sein Recht auf Versammlungsfreiheit, sowohl durch die direkte Anklage wegen der Teilnahme an einer Demonstration als auch indirekt durch die Anklage wegen des Betretens »einer geschlossenen Militärzone« und des »Angriffs auf einen Soldaten«, offenbar um seine Inhaftierung wegen Protests zu rechtfertigen, sowie durch die »Aufstachelung« auf der Grundlage der allzu weit gefassten Definition dieses Vergehens in der militärischen Ordnung.
Abdallah Abu Rahma, Bil'in
Am 20. November 2017 überfielen etwa 10 bewaffnete israelische Soldaten um etwa 1.30 Uhr morgens das Haus von Abdallah Abu Rahma, 48, in Bil'in, einem Dorf westlich von Ramallah, und verhafteten ihn zusammen mit 15 bis 20 anderen Soldaten, die während der Verhaftung um das Haus herum positioniert waren, mehrere Wochen nach seiner Teilnahme an einer Protestaktion im Dorf, wie Abu Rahma gegenüber Human Rights Watch erklärte [xcvii]. Abu Rahma, ein Vater von vier Kindern, organisierte in seiner Eigenschaft als Koordinator der Volkskomitees gegen die Mauer und die Siedlungen [xcviii] jahrelang wöchentliche Proteste gegen israelische Rechtsverletzungen in Bil'in und im Dorf Khan al-Ahmar.
Abu Rahma sagte, dass die Soldaten ihm die Augen verbanden und ihm die Hände auf dem Rücken fesselten und ihm drohten, »die Dinge schwieriger zu machen«, wenn »er in Bil'in weiter Widerstand leiste« [xcix]. Sie brachten ihn gegen 2.30 Uhr zu einem Militärstützpunkt und dann zur Polizeistation in der Industriezone Sha'ar Binyamin, in einer Siedlung südöstlich von Ramallah, zum Verhör, wobei sie ihn auf dem Weg dorthin regelmäßig verfluchten und schlugen, sagte er. Gegen 13.00 Uhr begann ein israelischer Verhörspezialist, ihn über seine Aktivitäten mit den Volkskomitees und seine Teilnahme an Demonstrationen zu befragen. Sie fragten ihn auch nach einem Video auf Facebook, das ihn am 3. November 2017 in der Trennmauer bei Bil'in zeigt, wie er sich nähert und eine Stange in den Rahmen eines Metalltores in der Nähe von Bil'in steckt. Abu Rahma sagte, er habe dies getan, um seinen Widerstand gegen »Israels Politik, uns nicht in unser Land hinter der Mauer gelangen zu lassen«, doch der Vernehmer beschuldigte ihn, »militärisches Eigentum anzugreifen und zu ruinieren, indem er versuchte, das Tor innerhalb der Mauer zu öffnen« [c]. Das Videomaterial, das von Human Rights Watch überprüft, aber anschließend entfernt wurde, zeigte keine ernsthaften Bemühungen, das Tor gewaltsam zu öffnen oder die Mauer zu beschädigen, sondern eher einen symbolischen Akt des Trotzes gegen die Mauer. Abu Rahma sagte, dass er zunächst die Fragen des Offiziers beantwortete, aber als der Offizier anfing, ihn anzuschreien, beschloss er, für den Rest des dreistündigen Verhörs die Beantwortung von Fragen ohne seinen Anwalt zu verweigern [ci].
Später in der Nacht verlegten israelische Soldaten Abu Rahma in das Militärgefängnis Ofer südwestlich von Ramallah. Am 22. November 2017 erschien er vor einem Militärgericht in Ofer, das ihn der »Sabotage einer IDF-Einrichtung« und des »Vergehens gegen die öffentliche Ordnung« gemäß Militäranordnung 1651 beschuldigte, wegen »einer Handlung oder Unterlassung, die eine Schädigung, Beschädigung, Störung oder Gefahr für die Sicherheit des Gebiets oder die Sicherheit der IDF oder für den Betrieb, die Nutzung oder die Sicherheit von« Einrichtungen oder Ausrüstungen des Staates oder der Armee während des Protests vom 3. November nach sich zieht [cii]. Der Richter ordnete seine Freilassung gegen eine Kaution von 5.000 NIS (1.400 US-Dollar) unter der Bedingung an, dass er »sich der Vergehen der Störung der öffentlichen Ordnung enthält« [ciii] - eine Bedingung, die in der Verfügung nicht näher definiert wurde - und an den nachfolgenden Gerichtsverhandlungen in seinem Fall teilnimmt. Der Militärankläger legte zweimal gegen seine Freilassung gegen Kaution Berufung ein, aber das Gericht bestätigte sie und ließ ihn am 13. Dezember 2017 gegen Kaution frei. Am 3. September 2019 billigte das Militärgericht Ofer einen Deal, in dem sich Abu Rahma zur Vermeidung einer möglicherweise längeren Strafe der »Sabotage einer IDF-Einrichtung« wegen des Vorfalls an der Mauer schuldig bekannte und eine 23-tägige Haftstrafe, eine dreimonatige Bewährungsstrafe und eine Geldstrafe von 7.000 NIS (1.990 US-Dollar) erhielt. [civ]
Mehr als ein Jahr vor diesem Protest, im Mai 2016, organisierte Abu Rahma anlässlich des Nakba-Tags, des Gedenken an die Vertreibung der Palästinenser während der Gründung des israelischen Staates 1948, eine Radveranstaltung von Ramallah nach Bil'in mit [cv]. Abu Rahma sagte, dass die Soldaten, als sie sich Bil'in näherten, begannen, aus 50-100 Metern Entfernung Tränengas auf die Gruppe zu schießen. Ein Soldat sagte Abu Rahma, dass »dies eine geschlossene militärische Zone« sei, und Abu Rahma sagte, sie würden gehen, wenn sie das Feuer einstellen und ihnen die Gelegenheit dazu geben würden. Abu Rahma sagte, das Feuer habe aufgehört und sie hätten sich bewegt, aber 500 Meter später habe eine andere Gruppe von Grenzpolizisten auf sie geschossen. Als er sich erneut an die Soldaten wandte, um ihnen zu sagen, dass sie aufhören und ihre Rechte respektieren sollten, sagte er, dass sie ihn wiederholt geschlagen und verhaftet hätten [cvi], was die von Human Rights Watch geprüften Videoaufnahmen zu bestätigen scheinen. [cvii]
Die Militärstaatsanwälte klagten ihn des Betretens einer »geschlossenen Militärzone« und der »Störung eines Soldaten« gemäß Militäranordnung 1651 [cviii] an, und ließen ihn 11 Tage später gegen Kaution frei. Im November 2018 verurteilte ihn das Gericht aufgrund dieser Anklagepunkte zu einer viermonatigen Haftstrafe, ordnete eine Geldstrafe von 2.000 NIS (560 US-Dollar) an und setzte ihn für drei Jahre auf Bewährung aus [cix]. Abu Rahma legte im Dezember 2018 Berufung gegen die Entscheidung ein, und ein Militärgericht entschied im April 2019, dass er entweder eine fünfmonatige Strafe verbüßen oder eine Geldstrafe von 25.000 NIS (7.100 US-Dollar) zusätzlich zu einer viermonatigen Bewährungsstrafe von fünf Jahren zahlen müsse [cx]. Abu Rahma zahlte die Geldstrafe, und das Gericht schloss den Fall ab [cxi].
In beiden Fällen brachten die Militärankläger allzu vage Anklagepunkte vor - »Sabotage einer IDF-Einrichtung«, Eindringen in eine »geschlossene Militärzone« und »Störung eines Soldaten« -, offenbar um seine Festnahme wegen seines Aktivismus gegen die restriktive israelische Politik zu rechtfertigen.
Zuvor hatte ein israelisches Militärgericht im August 2010 Abu Rahma wegen der Organisation und Teilnahme an illegalen Demonstrationen, der Anstiftung von Demonstranten zur Beschädigung der Trennmauer, des Steinewerfens auf israelische Soldaten und der Teilnahme an gewalttätigen Protesten verurteilt. Alle Anklagepunkte stammten aus seiner Teilnahme an friedlichen Demonstrationen gegen die Trennmauer, die Human Rights Watch seinerzeit dokumentierte [cxii]. Als er Berufung einlegte, bestätigte das Berufungsgericht das Urteil und erhöhte seine Gefängnisstrafe auf 16 Monate, die er auch verbüßte.
Abu Rahma sagte gegenüber Human Rights Watch, dass die wiederholten Verhaftungen - acht seit 2005, hauptsächlich wegen der Beteiligung an Protesten - einen psychologischen Tribut von ihm und seinen vier Kindern gefordert haben und dass er seine Teilnahme an den Aktivitäten in Bil'in eingestellt hat. Er glaubt, dass er »ein Recht« und »eine Pflicht« habe, »Verletzungen zu verteidigen und zu protestieren«, und nimmt weiterhin an Protesten an anderen Orten teil.
V. Recht auf Vereinigungsfreiheit
Die israelischen Behörden berufen sich auch auf weit gefasste Bestimmungen des Militärrechts, um Vereinigungen als »feindliche Organisationen« zu verbieten und Palästinenser wegen bloßer Mitgliedschaft oder Identifizierung mit solchen Gruppen oder Einheiten, die mit ihnen verbunden sind, festzuhalten. Die Verteidigungsordnung von 1945 definiert »ungesetzliche Vereinigungen« als »jede Art von Personen«, die »den Umsturz durch Gewalt oder Gewalt«, »Hass oder Verachtung oder die Erregung von Unzufriedenheit«, »die Zerstörung oder Verletzung von Eigentum« und »Terrorakte« gegen die örtlichen Behörden »befürwortet, anregt oder fördert« [cxiii]. Die Militärverordnung 1651 klassifiziert als »feindliche Organisation« jede »Person oder Personengruppe, deren Ziel es ist, die öffentliche Sicherheit, die IDF-Kräfte oder die öffentliche Ordnung in Israel oder in einem festgehaltenen Gebiet zu schädigen« [cxiv].
Die Militärverordnung 1651 ermächtigt die Armee, ein »Geschäft« oder jeden anderen »Ort, den die Öffentlichkeit oder ein Teil davon frequentiert«, zeitweise zu schließen, wenn sie Grund zu der Annahme hat, dass dies »für die Aufrechterhaltung einer ordentlichen Verwaltung, der öffentlichen Ordnung und für die Sicherheit des Gebiets und der IDF notwendig ist« [cxv]. Die Verordnung erhebt Anklage gegen jede Person, die gegen die Verordnung verstößt, einschließlich der Angestellten.
Weder die Verteidigungsordnung von 1945 noch die Militärverordnung 1651 sehen ein formelles Verfahren vor, um die Einstufung einer Vereinigung als ungesetzlich oder die Entscheidung zur Schließung eines Unternehmens anzufechten. Einige Mitteilungen über die Schließung von Organisationen bieten dem Unternehmen die Möglichkeit, beim Militärkommandanten Einspruch zu erheben, aber dieses Verfahren ist nicht gesetzlich geregelt. Palästinenser können gegen Verwaltungsentscheidungen beim Obersten Gerichtshof Berufung einlegen, aber der Gerichtshof hat im Laufe der Jahre große Achtung vor der Position des Staates oder der Armee gezeigt [cxvi].
Seit Beginn der Besatzung im Juni 1967 bis Juli 2019 hatte das israelische Verteidigungsministerium 411 Organisationen als »feindliche«, »ungesetzliche« oder »terroristische« Vereinigungen klassifiziert [cxvii]. Mitglieder der benannten Organisationen können wegen ihrer Mitgliedschaft oder Zugehörigkeit zu der Gruppe strafrechtlich verfolgt werden. Zu den so eingestuften Organisationen gehören alle wichtigen palästinensischen politischen Parteien, einschließlich der regierenden Fatah-Partei, sowie die Palästinensische Befreiungsorganisation, eine Bezeichnung, die auch heute noch gilt, obwohl Israel 1993 die Osloer Abkommen mit ihr unterzeichnet hat. Die israelischen Behörden haben diese Bezeichnung auch auf Dutzende von Wohltätigkeitsorganisationen und Medien angewandt und sie als Grundlage für Razzien in ihren Büros, Schließungsbefehle und Verhaftungen verwendet.
Die israelische Armee hat zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 30. Juni 2019 1.704 Personen wegen »Mitgliedschaft und Aktivität in einer ungesetzlichen Vereinigung« strafrechtlich verfolgt, so die Angaben, die sie Human Rights Watch zur Verfügung gestellt hat. Militärgerichte verurteilten in diesem Fünfjahreszeitraum 1.823 Personen für dieses Vergehen, darunter einige, die vor dem 1. Juli 2014 angeklagt wurden [cxviii].
Die folgenden drei Fälle veranschaulichen, wie die israelische Armee das Recht der Palästinenser auf Vereinigungsfreiheit beschneidet. In allen drei Fällen handelt es sich um Palästinenser, die wegen »Mitgliedschaft und Aktivismus in einer ungesetzlichen Vereinigung« im Rahmen der Notstandsverordnungen für die Vereinigung mit Einzelpersonen oder Gruppen, die politische oder humanitäre Aktivitäten ausüben, die Israel als Sicherheitsbedrohung betrachtet, inhaftiert sind. Zu den Fällen gehören ein Künstler, der wegen seiner Verbindungen zu Jugendlichen, die sich gegen die Palästinensische Autonomiebehörde und die israelische Armeeherrschaft wenden (Hafez Omar), ein palästinensischer Parlamentarier wegen seines politischen Aktivismus für die Volksfront zur Befreiung Palästinas (Khalida Jarrar) und ein Verwalter einer etablierten Wohltätigkeitsorganisation, die im Gazastreifen wegen angeblicher Verbindungen zu den dortigen Hamas-Behörden tätig ist (Najwan Odeh), inhaftiert wurden.
Hafez Omar, Ramallah
In den frühen Morgenstunden des 13. März 2019 verhafteten israelische Soldaten den 36-jährigen Künstler und Aktivisten Hafez Omar aus seinem Haus in Ramallah. Sein Bruder Mohammad sagte gegenüber Human Rights Watch, dass Hafez Plakate zu palästinensischen Rechtsthemen entworfen habe, insbesondere in Bezug auf Gefangene, die er auf Facebook gepostet habe [cxix].
Gegen 2:45 Uhr an diesem Tag, sagte Mohammad, dass etwa 10 Soldaten zu seinem Haus kamen, um sich nach dem Verbleib von Hafez zu erkundigen, der, wie sie sagten, »gesucht« und ein »Terrorist« sei. Als er sich weigerte, es ihnen zu sagen, zwangen sie ihn, sie zum Haus von Hafez zu begleiten, die Straße hinunter, dessen Standort sie zu kennen schienen. Mohammad sagte, dass die Soldaten dort mit seinem Bruder unter vier Augen sprachen und ihn dann in Gewahrsam nahmen [cxx].
Die palästinensische Gefangenenrechtsgruppe Addameer, die Hafez Omar vor Gericht vertritt, sagte, die Behörden hielten ihn in den ersten sieben Tagen seiner Haft [cxxi] in Einzelhaft und verweigerten ihm 20 Tage lang den Zugang zu einem Anwalt [cxxii]. Sie sagte, dass die israelischen Behörden Omar größtenteils in einem Gefangenenlager in Ashkelon innerhalb Israels festgehalten haben, obwohl sie ihn an andere Orte verlegt und seine Haft mehrmals verlängert hatten. Omar sagte Addameer, dass sich seine Verhöre »auf seine Kunstwerke und Veröffentlichungen in sozialen Medien, insbesondere solche, die die Rechte palästinensischer Gefangener unterstützen« [cxxiii], konzentrierten.
Die Militärstaatsanwälte klagten Omar wegen »Mitgliedschaft und Aktivismus in einer ungesetzlichen Vereinigung« gemäß den Defense (Emergency) Regulations von 1945 und drei Vergehen gemäß Military Order 1651 an, wie aus einer von Human Rights Watch geprüften Anklage vom 23. April hervorgeht [cxxiv]. In der Anklageschrift wird behauptet, dass Omar acht Jahre lang Teil der al-Hirak al-Shababi oder Jugendbewegung gewesen sei, die Israel 2016 als »terroristische Organisation« verboten hatte, die »unter den Anweisungen und der Finanzierung [der libanesischen Partei und Miliz] Hisbollah und des Iran handelte«, wie der damalige Verteidigungsminister Avigdor Lieberman erklärte [cxxv].
Die Anklageschrift, die Human Rights Watch überprüft hat, enthält keine Einzelheiten über al-Hirak al-Shababi und keine Beweise für eine Verbindung zwischen Omar und der Hisbollah oder dem Iran. Stattdessen hebt die Anklage Omars Beteiligung an mehreren Protesten in den letzten acht Jahren hervor, darunter die Proteste von 2012 und 2013, in denen »Nein zu Verhandlungen mit Israel« gefordert wurde. Ja zur nationalen Einheit [zwischen Fatah und Hamas]; einen Marsch 2015, der Zusammenstöße mit israelischen Streitkräften beinhaltete; eine Demonstration 2016 wegen der Ermordung eines palästinensischen Aktivisten durch israelische Sicherheitskräfte; Proteste gegen die »Sanktionen der Palästinensischen Autonomiebehörde gegen den Gaza-Streifen« im Mai 2018; Hungerstreiks und ein Protestzelt, das aus Solidarität mit palästinensischen Gefangenen errichtet wurde; und Treffen mit anderen mutmaßlichen Mitgliedern der Jugendbewegung, unter anderem in Cafés in Ramallah.
In der Anklageschrift wird behauptet, Omar habe sich am 15. März 2011 der Jugendbewegung angeschlossen. An diesem Tag gingen laut Presseberichten Zehntausende Palästinenser im gesamten Westjordanland und im Gazastreifen, größtenteils jugendliche Aktivisten, die von den politischen Umwälzungen in Ägypten und anderen arabischen Ländern inspiriert wurden und keine erkennbare zentrale Organisation hatten, auf die Straße und forderten »ein Ende der politischen Spaltung und der israelischen Besatzung« [cxxvi]. Keines der in der Anklageschrift genannten Ereignisse scheint Gewalt zu beinhalten, abgesehen von der Behauptung, er habe »im Laufe des Jahres 2015 oder etwa zu dieser Zeit bei mehreren nicht näher bezeichneten Vorfällen Steine auf die Sicherheitskräfte geworfen«. Mohammad, der Bruder von Hafez, sagte, dass Hafez keiner Gruppe angehört [cxxvii]. Einige Analysten haben in Frage gestellt, ob die in der Anklage erwähnte Jugendbewegung jemals als Organisation existierte [cxxviii].
Die Staatsanwälte klagten Omar auch unter der Militäranordnung 1651 an, in den Jahren 2003-2004, also vor mehr als 15 Jahren, einem Mann »Schutzräume zur Verfügung gestellt« zu haben, der der Beteiligung an der Tötung israelischer Zivilisten und des »Werfens von Gegenständen gegen eine Person oder ein Eigentum« beschuldigt wurde, wobei sie sich auf einen Vorfall bezogen, bei dem Omar während der Proteste im Jahr 2015 angeblich Steine auf die israelische Armee geworfen haben soll. Die Anklageschrift enthält auch »Kontakt mit einem Feind« und bezieht sich auf den angeblichen Kontakt von Omar auf Facebook mit einem Aktivisten der Volksfront für die Befreiung Palästinas im Libanon, der Omar bat, die Asche vom Grab eines Freundes, der bei Zusammenstößen mit den israelischen Streitkräften getötet wurde, »zu ihm zu bringen«. In der Anklageschrift wird festgestellt, dass Omar mit dem Aktivisten »in Kontakt kam«, »in dem Wissen, dass er für den Feind handelt«.
Omar wegen seiner Mitgliedschaft in einer »illegalen Organisation«, unabhängig von erkennbaren kriminellen Handlungen, anzuklagen, verletzt sein Recht auf Vereinigungsfreiheit. Die Erhebung unbegründeter Vorwürfe des Steinewerfens von vor mehr als drei Jahren und die Ausgrabung eines 15 Jahre alten Vorfalls scheinen darauf abzuzielen, Omar weiter für seinen Widerstand gegen die israelische Militärregierung im Westjordanland zu bestrafen.
Omar befindet sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung weiterhin in Haft. Mohammad sagte, dass es ihm erst am 7. Oktober gelang, Omar zum ersten Mal zu besuchen, und dass kein anderes Familienmitglied bis zum 17. November in der Lage gewesen sei, dies zu tun [cxxix].
Khalida Jarrar, Ramallah
Die israelischen Behörden hielten Khalida Jarrar, eine 56-jährige palästinensische Parlamentarierin, zwischen Juli 2017 und Februar 2019 ohne Prozess oder Anklage in Verwaltungshaft, wobei sie sich auf die Militäranordnung 1651 bezogen und ohne weitere Einzelheiten feststellten, dass sie eine politische Aktivistin ist, die »eine Bedrohung für die Sicherheit des Gebiets darstellt« [cxxx]. Dieser Befehl erging ein Jahr, nachdem sie 14 Monate im Gefängnis verbracht hatte, nachdem sie sich der Anklage wegen ihres politischen Aktivismus bei der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) schuldig bekannt hatte, einer politischen Gruppe, zu der eine linke politische Partei und ein bewaffneter Flügel gehören, die israelische Soldaten und Zivilisten angegriffen haben. Israel hat die Gruppe, einschließlich der politischen Partei, geächtet, obwohl sie weiterhin politische Aktivitäten durchführt, einschließlich der Kandidatur bei palästinensischen Wahlen. Die israelischen Behörden haben Jarrar nicht wegen der Beteiligung an einem bewaffneten Angriff oder einer Verbindung zu einem solchen Angriff angeklagt. Im Jahr 2006 gewann Jarrar einen Sitz im Palästinensischen Legislativrat auf einer PFLP-Liste [cxxxi]. Ihr PFLP-Aktivismus umfasst die Teilnahme an Demonstrationen, den Besuch freigelassener Gefangener sowie Reden und Interviews, in denen sie die Freilassung von Gefangenen fordert [cxxxii].
Jarrar sagte, dass die israelischen Behörden ihr seit 1988 ein Reiseverbot erteilt haben, mit Ausnahme einer dreiwöchigen Reise nach Amman aus medizinischen Gründen im Jahr 2010 [cxxxiii].
Im August 2014 erteilte die israelische Armee Jarrar einen militärischen »Überwachungsbefehl«, der sie anwies, für einen Zeitraum von sechs Monaten nach Jericho umzuziehen, mit der Begründung, sie stelle eine »Sicherheitsbedrohung« dar, basierend auf »nachrichtendienstlichen Informationen« [cxxxiv]. Jarrar lehnte die Umsiedlung ab, blieb in Ramallah, wo sie lebte, und führte einen Sitzprotest vor dem Hauptquartier des Palästinensischen Legislativrats durch.
Am 2. April 2015 überfielen israelische Soldaten vor Sonnenaufgang ihr Haus in Ramallah und verhafteten sie. Sie erzählte Human Rights Watch, dass der Offizier, der sie verhaftet hatte, ihr sagte: »Sie weigerten sich, den Abschiebungsbefehl nach Jericho zu befolgen, deshalb komme ich heute, um Sie zu verhaften« [cxxxv].
Dreizehn Tage, nachdem sie im zentralisraelischen Gefängnis HaSharon in Verwaltungshaft genommen worden war, brachte die Militäranklage gleichzeitig zwölf Anklagepunkte gegen sie vor [cxxxvi], von denen keiner eine direkte Aufforderung zur Gewalt oder eine Beteiligung an der Gewalt beinhaltet [cxxxvii]. Im Dezember änderten die Ankläger die Anklage, um sich auf nur zwei Anklagepunkte zu konzentrieren: »Mitgliedschaft in einer unrechtmäßigen Vereinigung« gemäß der Notstandsverordnungen von 1945 und »Aufwiegelung« gemäß der Militärverordnung 1651 [cxxxviii].
Die Militärstaatsanwälte stützten die Anklage wegen Aufwiegelung auf eine Rede, die sie 2012 bei einer Kundgebung der PLFP gehalten haben. Die Anklage wirft Jarrar vor, er habe »gegen die 'israelische Besatzung' gesprochen und gepredigt, dass die PFLP durch die Entführung israelischer Soldaten zum Zwecke der Verhandlung und der Freilassung palästinensischer Gefangener 'den Kopf erheben' solle«, während er vor einem Transparent stand, das zur Entführung von Soldaten aufrief [cxxxix]. Der Urteilsspruch stellt jedoch fest, dass die Staatsanwaltschaft bei den gegen sie erhobenen Anklagen »Schwierigkeiten hatte, ihre Schuld zu beweisen« [cxl].
Zu Beginn des Verfahrens ordnete der Richter die Freilassung von Jarrar gegen Kaution an, da er feststellte, dass sie keine »Sicherheitsbedrohung« darstellte und dass sich die Anklage auf jahrelange Aktivitäten bezog. Ein Berufungs-Militärgericht hob die Entscheidung jedoch auf [cxli], nachdem Militärstaatsanwälte gegen die Freilassungsanordnung Berufung eingelegt und gewarnt hatten, dass sie beabsichtigten, eine Verwaltungshaftanordnung gegen Jarrar zu beantragen - d.h. eine Anordnung ihrer Inhaftierung ohne Gerichtsverfahren oder strafrechtliche Anklage - für den Fall, dass das Gericht sie freilassen würde [cxlii].
Jarrar sagte gegenüber Human Rights Watch, dass das Gerichtsverfahren acht Monate dauerte und mehr als 30 Sitzungen umfasste. Für jede Sitzung war sie 20 Stunden von ihrer Zelle entfernt, die meiste Zeit »im Bosta [Militärtransportfahrzeug], mit gefesselten Armen und Beinen«, wobei die Sitzungen manchmal nach der langen Reise abgesagt wurden, sagte sie.
Jarrar bekannte sich schließlich in zwei Anklagepunkten für schuldig, nämlich »Mitgliedschaft in einer ungesetzlichen Vereinigung« und »Anstiftung«, als Teil einer Absprache im Strafverfahren gegen eine 15-monatige Haftstrafe und eine Geldstrafe von 10.000 NIS (2.800 US-Dollar) [cxliii]. Ihre Anwälte sagten, dass sie wegen ihrer Erschöpfung durch das langwierige Verfahren, ihres mangelnden Vertrauens in die Militärgerichte und des Risikos einer siebenjährigen Haftstrafe im Falle eines Prozesses zustimmte [cxliv]. Jarrar beteuert ihre Unschuld in Bezug auf die Aufwiegelungsanklage [cxlv]. Die israelische Armee ließ sie im Juni 2016 frei, nachdem sie mehr als 14 Monate in Haft verbracht hatte.
Die Inhaftierung von Jarrar allein wegen ihres politischen Aktivismus bei der PFLP, ohne sie für irgendeine Gewalttat anzuklagen oder zu verurteilen, verletzt ihre Vereinigungsfreiheit. Das Vertrauen auf die allzu vage Definition von Aufwiegelung in der militärischen Ordnung macht Jarrars Strafverfolgung in dieser Angelegenheit willkürlich.
Etwas mehr als ein Jahr später, im Juli 2017, verhafteten 50 israelische Soldaten Jarrar erneut in ihrem Haus in Ramallah. Diesmal brachten sie sie ohne Prozess oder Anklage in Verwaltungshaft. Jarrar sagte, dass sich die Vernehmungsbeamten erneut auf ihren politischen Aktivismus konzentrierten.
Die israelische Armee erneuerte daraufhin viermal ihre Verwaltungshaft unter Bezugnahme auf die Militäranordnung 1651. Sie hielt die Beweise gegen sie geheim, wie es in Verwaltungshaftfällen üblich ist, und behauptete nur, dass Jarrar eine »PFLP-Aktivistin ist, die eine Bedrohung für die Sicherheit des Gebiets darstellt« [cxlvi]. Jarrar sagte, dass sie und ihr Rechtsteam die meisten Anhörungen zu ihrem Fall boykottiert hätten. Sie sagte, die Militärstaatsanwaltschaft habe in mehreren Anhörungen gesagt, dass ihre elektronischen Geräte überprüft würden.
Die Armee ließ sie am 28. Februar 2019 nach insgesamt 20 Monaten zwischen den Gefängnissen in HaSharon und Damon frei, verhaftete sie aber am 31. Oktober 2019 erneut. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung befand sie sich noch immer in Haft.
Najwan Odeh, Ramallah
Am 7. September 2015 um etwa 2:30 Uhr morgens überfielen mehr als 50 israelische Soldaten das Haus von Najwan Odeh, 36, in al-Bireh, einer an Ramallah angrenzenden Stadt [cxlvii]. Odeh sagte gegenüber Human Rights Watch, dass die Soldaten das Haus Raum für Raum durchsuchten und das Haus in Unordnung verließen, und nachdem sie bestätigt hatte, dass sie mit der Qatar Charity zusammenarbeitet, wurde sie verhaftet. Die israelischen Streitkräfte verhafteten am selben Tag zwei weitere Mitarbeiter der Qatar Charity und zwei weitere im Mai 2016 [cxlviii].
Die Qatar Charity ist eine in Doha ansässige Nichtregierungsorganisation, die Projekte von Gesundheit und Wasser bis hin zu Bildung und Kultur in mehr als 50 Ländern weltweit unterstützt [cxlix]. Sie unterhält Partnerschaften u.a. mit Ärzte ohne Grenzen, dem Welternährungsprogramm, dem Norwegischen Flüchtlingsrat, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF), der Internationalen Organisation für Migration (IOM) und der US-Agentur für internationale Entwicklung (USAID). Im Januar 2017 sprach der Sprecher von UN-Generalsekretär Antonio Guterres, Stephane Dujarric, über mehrere Organisationen, darunter auch Qatar Charity, und sagte: »Das Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten hat im Laufe der Jahre starke Partnerschaften mit diesen Organisationen aufgebaut, die auf gemeinsamen humanitären Prinzipien beruhen, die streng unpolitisch sind.«
Die israelische Armee nahm im Mai 2008 die Qatar Charity in die Liste der »ungesetzlichen Vereinigungen« auf [cl]. Im Juli 2008 erklärte das israelische Verteidigungsministerium die Qatar Charity und 35 andere Wohltätigkeitsorganisationen für »verbotene Vereinigungen in Israel«, da sie angeblich die Hamas unterstützt haben, ohne anzugeben, ob das Verbot für die besetzten palästinensischen Gebiete gilt [cli]. Im Jahr 2011 identifizierte die israelische Behörde für das Verbot der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung die Qatar Charity als eine von 163 Organisationen, deren Gelder ihrer Ansicht nach Verbindungen zum Terrorismus aufweisen, und untersagte lokalen Organisationen, Geld von ihnen zu erhalten [clii].
Odeh sagte jedoch gegenüber Human Rights Watch, dass die Gelder von Qatar Charity nicht an die Hamas oder die Hamas-geführte Regierung in Gaza gingen, sondern vielmehr für Verwaltungskosten im Zusammenhang mit dem Büro von Qatar Charity dort und für private Unternehmen zur Durchführung von Entwicklungsprojekten verwendet wurden [cliii].
Trotz des Verbots der Regierung ist die Qatar Charity weiterhin im Westjordanland und im Gazastreifen tätig, wie schon seit 1996. Israel hat nicht nur die Tätigkeit der Qatar Charity im Westjordanland nicht eingestellt, wie es das mit anderen Einrichtungen getan hat, die es verboten hat, sondern ließ erst im Mai 2019 die Finanzierung von Entwicklungsprojekten im Gazastreifen zu, die es unterhält. [cliv]
Mehr als 13 Stunden nach ihrer Verhaftung am 7. September sagte Odeh, die für die Qatar Charity als Verwaltungschefin für Personalwesen, Beschaffung und Öffentlichkeitsarbeit tätig war, dass die israelischen Streitkräfte sie in einem Militärtransporter in Handschellen, gefesselt und mit verbundenen Augen festgehalten haben [clv]. Sie sagte, dass sie sich mehrmals übergeben habe und dass weibliche Soldaten sie zweimal einer Leibesvisitation unterzogen hätten.
In dieser Nacht kam sie im Gefangenenlager Kishon im Norden Israels an, wo sie erneut einer Leibesvisitation unterzogen wurde. Während der mehr als zwei Wochen, die sie dort verbrachte, wurde sie von israelischen Geheimdienst- und Polizeibeamten wiederholt über die Wohltätigkeitsorganisation in Katar befragt: ihre Finanzierung, ihre Mitarbeiter, die Art und Weise, wie sie Gelder nach Gaza überwiesen haben, die Banken, die sie benutzten, und ihre Partnerorganisationen. Sie sagte, ein männlicher Befrager habe sie gefragt: »Du bist schön, warum bist du noch nicht verheiratet?«
Achtzehn Tage später verlegten die Behörden sie in das Gefängnis von HaSharon in Israel. Die Militärstaatsanwälte beschuldigten sie der »Mitgliedschaft und des Aktivismus in« und der »Ausübung eines Amtes in« einer »unrechtmäßigen Vereinigung« gemäß der Notstandsverordnung von 1945 wegen ihrer Beteiligung an der Qatar Charity und des »Transfers feindlicher Gelder« gemäß der Militärverordnung 973 wegen des Erhalts und der Überweisung von Geld ohne Genehmigung. Obwohl das israelische Militärrecht für die Einreise in die besetzten palästinensischen Gebiete eine Genehmigung zur Finanzierung erfordert, wird diese Bestimmung ungleichmäßig durchgesetzt, auch als Israel im Mai 2019 die Einreise von Geldern für die Qatar Charity nach Gaza erlaubte. Die von Human Rights Watch geprüfte Anklageschrift listet die Gelder auf, die an die und von der Wohltätigkeitsorganisation gingen, ohne den Vorwurf einer Verbindung zwischen dem Geldfluss und Gewalt, Terrorismus oder Hamas oder irgendeiner Aktivität, die Odeh außerhalb ihrer Arbeit mit Qatar Charity unternommen hat, zu beweisen. Zweieinhalb Monate später verlegten die Behörden sie in das Damon-Gefängnis in Haifa.
Odeh sagte, dass sie an etwa 40 Anhörungen zwischen dem Gericht von Petah Tikva und den Militärgerichten von Ofer und Salem teilnahm. Auf den Rat ihres Anwalts, der sich auf eine Vereinbarung mit den Behörden einigte, bekannte sich Odeh schuldig, Mitglied einer »ungesetzlichen Vereinigung« zu sein und dafür eine 18-monatige Gefängnisstrafe - im Wesentlichen bereits verbüßt - und ein Jahr auf Bewährung zu erhalten, unter der Bedingung, dass sie die Straftat, für die sie verurteilt wurde, nicht »begeht«, was in Wirklichkeit ein Verbot der Rückkehr an ihren Arbeitsplatz und eine Geldstrafe von 100.000 NIS (28.000 Dollar) bedeutet. Das Militärgericht Ofer akzeptierte ihr Gesuch am 8. Februar 2017, befand die Strafe für »angemessen und ausgewogen« und ließ sie am nächsten Tag frei [clvi].
Indem Israel Odeh ihre Arbeit mit einer etablierten Wohltätigkeitsorganisation vorhielt und verbot, ohne eine Verbindung zu gewalttätigen oder kriminellen Aktivitäten nachzuweisen, verletzte es Odehs Recht auf Vereinigungsfreiheit. Odeh sagte, dass sie »immer noch nach Antworten sucht«, warum die israelische Armee sie verhaftet hat, und dass sie einfach möchte, dass ihr »Leben wieder normal wird«.
VI. Recht auf freie Meinungsäußerung
Die israelischen Behörden haben zahlreiche Aktivisten und einfache Palästinenser verhaftet, weil sie ihr Recht auf friedliche Meinungsäußerung ausgeübt haben. Die Militärverordnung 1651 verbietet »Versuche, mündlich oder auf andere Weise die öffentliche Meinung in dem Gebiet in einer Weise zu beeinflussen, die dem öffentlichen Frieden oder der öffentlichen Ordnung schaden kann«, und klassifiziert solche Äußerungen als »Aufstachelung«, die mit einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verbunden ist [clvii].
In einem Brief an Human Rights Watch erklärte die israelische Armee, dass sie zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 30. Juni 2019 358 Personen wegen »Aufwiegelung« verfolgt und 351 von ihnen (98%) von Militärgerichten verurteilt wurden [clviii].
In den letzten Jahren haben sich die israelischen Behörden zunehmend auf das konzentriert, was sie als »Aufstachelung« auf Social-Media-Plattformen ansehen, die ihrer Meinung nach zu einer Welle von Messerstechereien und anderen Gewalttaten beigetragen haben, die im Oktober 2015 begann und von Personen ausgeführt wurde, die keiner bekannten bewaffneten Gruppe angehören. Im Juli 2018 sagte der Minister für öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan, gegenüber der Associated Press, dass die israelischen Behörden über 200 palästinensische Angriffe durch die Überwachung sozialer Medien vereitelt hätten [clix]. Er stellte ferner fest, dass sein Ministerium ein Team zusammengestellt habe, das einen »Ozean von Daten« über soziale Medien durchkämmen und vorausschauende Algorithmen entwickeln würde, um zu bestimmen, auf wen sie sich beziehen sollen. Die palästinensische Gefangenenrechtsgruppe Addameer berichtete von 650 Verhaftungen wegen Social-Media-Beiträgen in den Jahren 2017 und 2018, was der Zahl der in der israelischen Presse gemeldeten Verhaftungen entspricht [clx].
Die israelischen Behörden haben jedoch nicht offengelegt, wie sie ihre Systeme programmieren, um zu bestimmen, wer eine zukünftige Bedrohung darstellt, oder wie sie diese Entscheidungen nutzen, um Palästinenser zu inhaftieren. Es ist auch unklar, ob oder wie Israel die Überwachung einschränkt, um sicherzustellen, dass sie zur Erreichung eines legitimen Ziels, wie es die internationalen Menschenrechtsvorschriften verlangen, unbedingt notwendig und verhältnismäßig ist.
Die drei folgenden Fälle veranschaulichen, wie die israelische Armee Palästinenser wegen Aktivitäten in den sozialen Medien und anderen Formen der Meinungsäußerung verfolgt hat. In allen drei Fällen geht es um Bemühungen, die als »Aufstachelung« oder Unterstützung für den Terrorismus charakterisiert werden, wobei beide mit erkennbaren Vergehen konnotiert sein können, eine Rede, die sich der israelischen Politik widersetzt und dazu aufstacheln kann, aber nicht in einer Weise, die eine unmittelbare Gefahr von Gewalt darstellt, wie es das Völkerrecht verlangt. In diesen Fällen handelt es sich um Facebook-Posts und einen Livestream von einer Begegnung mit israelischen Soldaten. In zwei Fällen geht es um palästinensische Journalisten, die wegen ihrer Berichterstattung der Anstiftung und Unterstützung des Terrorismus beschuldigt werden. Das Palästinensische Zentrum für Entwicklung und Medienfreiheit (MADA) dokumentierte 41 Verhaftungen von Journalisten und zwei Medieneinrichtungen, die 2018 von israelischen Streitkräften geschlossen wurden [clxi], und 33 Verhaftungen von Journalisten und 17 Medieneinrichtungen, die 2017 geschlossen wurden [clxii].
Zusätzlich zu den Personen, die aufgrund bestimmter Beiträge angeklagt wurden, sagte ein von Haaretz befragter Militärankläger, dass Social-Media-Posten zur administrativen Inhaftierung einer Vielzahl von Palästinensern ohne Prozess oder Anklage führten [clxiii], was vier Anwälte, die Palästinenser vor dem Militärgerichtssystem vertreten haben, und ein Justizwissenschaftler, der über die administrativen Inhaftierung geforscht hat, gegenüber Human Rights Watch bestätigt haben [clxiv].
Im Rahmen der Bemühungen um eine Regulierung der Online-Sprache forderten die israelischen Behörden auch Facebook und andere Anbieter sozialer Medien auf, Inhalte auf ihrer Plattform zu löschen. Die israelische Polizei sagte in einem Brief an Human Rights Watch, dass sie Social-Media-Firmen nur »in Ausnahmefällen und im Hinblick auf schwere Straftaten direkt über Beiträge benachrichtigt, aber nicht in Fällen, in denen die Beiträge keine Verstöße darstellen«. Die Polizei stellte fest, dass sie »Unternehmen nicht anweist, Stellen zu entfernen, sondern sie auf Stellen aufmerksam macht und sie in Betracht zieht« [clxv].
Der israelische Justizminister sagte, dass die israelische Staatsanwaltschaft im Jahr 2017 12.351 Anträge an verschiedene Social-Media-Unternehmen gestellt habe, »Inhalte zu entfernen, den Zugang zu beschränken und Suchergebnisse in Bezug auf verbotene Inhalte zu filtern«. Sie stellte fest, dass sich 99% der Inhalte auf »terroristische Aktivitäten und Unterstützung des Terrorismus« oder »Aufstachelung zu Terrorismus, Rassismus und Gewalt und auch die Bedrohung durch Terrorismus« beziehen und dass die Unternehmen der sozialen Medien 85% ihrer Forderungen »voll und ganz« und 3,5% »teilweise« erfüllt haben [clxvi]. Laut Justizministerium wurden von den insgesamt 12.531 Anfragen etwa 11.754 bei Facebook, 517 bei YouTube und der Rest bei Google, Twitter und anderen eingereicht [clxvii]. Die Staatsanwaltschaft berichtete, dass im Jahr 2018 14.283 Anfragen im Zusammenhang mit Social-Media-Inhalten gestellt wurden [clxviii].
In einem Brief an Human Rights Watch erklärte Facebook, dass es zunächst beurteilt, ob die von den Regierungen gemeldeten Inhalte mit seinen eigenen, weltweit geltenden Gemeinschaftsstandards übereinstimmen. Wenn sie feststellt, dass der Inhalt diesen Standards entspricht, prüft sie, ob der Antrag auf Entfernung rechtlich gültig ist. Wenn der Antrag »zu weit gefasst« ist, »nicht mit internationalen Normen übereinstimmt« oder nach lokalem Recht nicht gültig ist, wird sie »um Klärung bitten oder keine Maßnahmen ergreifen«.
Wenn es um die Durchsetzung der Gemeinschaftsstandards geht, gibt Facebook keine geografische Aufschlüsselung der Inhalte, die es im Rahmen dieser Standards entfernt hat, oder den Anteil der Entfernungen, von denen es weiß, dass sie mit einer Regierungsanfrage in Verbindung stehen. Diese Standards schreiben vor, dass Facebook »Inhalte entfernt, die Gewalt verherrlichen oder das Leiden oder die Erniedrigung anderer feiern« [clxix], sowie »Inhalte, die Unterstützung oder Lob für Gruppen, Führer oder Einzelpersonen ausdrücken, die in [terroristische Aktivitäten] verwickelt sind« [clxx]. Facebook stellt ferner fest, dass es »terroristischen Organisationen und Terroristen« nicht erlaubt, auf seiner Plattform »präsent zu bleiben«. Facebook sagte in seinem Brief auch, dass es sich an die Liste der US Foreign Terrorist Organization [clxxi] hält, die politische Bewegungen einschließt, die auch bewaffnete Flügel haben, wie die Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP) und die Hamas [clxxii].
In seiner öffentlichen Berichterstattung über Inhaltsbeschränkungen in Israel auf der Grundlage des lokalen Rechts sagte Facebook, dass es den Zugang in Israel auf 4.451 Inhalte, die zumeist mit der »Holocaust-Leugnung« in Zusammenhang stehen, beschränkt habe, als Antwort auf Anfragen der israelischen Regierung auf der Grundlage des israelischen Rechts für den Fünfjahreszeitraum zwischen dem 1. Juli 2014 und dem 30. Juni 2019 [clxxiii].
Nariman Tamimi, Nabi Saleh
Am 19. Dezember 2017 verhaftete die israelische Grenzpolizei Nariman Tamimi, 43, auf der Polizeistation Binyamin in einer Siedlung in der Nähe von Ramallah, wohin sie gegangen war, nachdem die israelischen Streitkräfte ihre damals 16-jährige Tochter Ahed bei einer nächtlichen Razzia in ihrem Haus im Dorf Nabi Saleh nordwestlich von Ramallah festgenommen hatten.
Vier Tage zuvor, am 15. Dezember, hatte ein israelischer Soldat bei einem Protest gegen die Anerkennung Jerusalems [clxxiv] als Hauptstadt Israels durch US-Präsident Trump, in dem Dorf Nabi Saleh eine gummibeschichtete Kugel abgefeuert, die das Gesicht von Narimans 15-jährigem Verwandten Muhammad Tamimi traf und diesen schwer verwundete. Später an diesem Tag kam es zu einer Konfrontation zwischen israelischen Soldaten, die in Narimans Vorhof stationiert waren, und Ahed und Narimans 21-jährigem Verwandten Nour, die Nariman auf Facebook live streamte. Das Video, das zeigt, wie Ahed die Soldaten schubst und ohrfeigt, verbreitete sich und zog die Aufmerksamkeit der Medien auf sich.
Nariman, ehemals Feldforscherin der palästinensischen Menschenrechtsgruppe Women's Centre for Legal Aid and Counselling und Mitglied des Koordinationskomitees des Volkskomitees gegen die Mauer und die Siedlungen in Nabi Saleh, erzählte Human Rights Watch, dass sie gehofft hatte, auf der Polizeiwache an dem Verhör teilzunehmen, das sie für Ahed erwartet hatte. Stattdessen brachten die Beamten sie in einen separaten Raum und verhörten sie über das Video, das sie per Livestream aufgenommen hatte. Sie sagte, da man ihr nicht erlaubte, mit ihrem Anwalt zu sprechen, habe sie sich dafür entschieden, keine Fragen zu beantworten. Sie sagte, dass die Offiziere ihr sagten, dass ihre Live-Aufnahmen eine Aufwiegelung darstellten, da sie darauf hinausliefen, »die Leute dazu aufzufordern, genau in diesem Moment zu kommen und sich der israelischen Armee zu widersetzen«, und dass auch sie verhaftet worden sei. Vernehmungsbeamte drängten sie auch wegen ihres Facebook-Profilbildes, einem Bild ihres Bruders, den die israelischen Streitkräfte 2012 getötet hatten, und sagten ihr, dass sie die Veröffentlichung von Bildern von Palästinensern, die von den israelischen Streitkräften getötet wurden, als »Aufwiegelung« [clxxv] betrachteten.
Nachdem sie mehr als dreieinhalb Stunden lang verhört wurde, brachten die Beamten Nariman in einen Raum mit Ahed, verbot ihnen aber, miteinander zu sprechen, sagte sie. Später in der Nacht verlegten Soldaten sie in das Gefängnis HaSharon innerhalb Israels, wo sie gegen Mitternacht ankamen, und trennten sie im Gefängnis [clxxvi].
Am 20. Dezember verhaftete die israelische Armee auch Nour Tamimi. Nach den Verhaftungen sagte der damalige israelische Bildungsminister Naftali Bennett, dass die Tamimis »ihr Leben im Gefängnis beenden sollten« [clxxvii], und der damalige Verteidigungsminister Avigdor Lieberman forderte eine »harte« Bestrafung, »um andere abzuschrecken« [clxxviii].
Offiziere verhörten Nariman drei weitere Male, wobei sie jedes Mal auf ihre »Aufwiegelung« zurückkamen. Sie sagte, man habe sie auch nach ihren Facebook-Posts von Palästinensern gefragt, die Angriffe gegen Israelis durchgeführt oder von israelischen Streitkräften getötet wurden, von denen einige bis zu sieben Jahre zurückreichen. Sie erinnerte sich an einen Fall, in dem man sie nach einem Posting aus dem Jahr 2017 fragte, in dem sie den Screenshot eines Postings eines Mädchens mitteilte, das von israelischen Streitkräften getötet wurde, als sie versuchte, einen Messerstecherei-Angriff auszuführen [clxxix]. Das Mädchen hatte geschrieben: »Steh auf und werde Märtyrer, oh Gott, steh auf und führe Operationen durch«, worauf Nariman den Kommentar »Dies sind die Worte der Märtyrerin Fatima [Hajaj]« schrieb. »Sie konnte die Widerstandskämpfer nicht verraten, also reagierte sie auf ihre eigene Weise« [clxxx].
Am 1. Januar 2018 beschuldigte das Militärgericht Ofer Nariman der »schweren Körperverletzung an einem Soldaten«, der »Einmischung in Aufgaben eines Soldaten« und mehrerer Anklagepunkte wegen »Aufwiegelung« gemäß Military Order 1651, basierend auf den Ereignissen vom 15. Dezember, laut der ursprünglichen Anklage, die von Human Rights Watch geprüft wurde. In den ersten beiden Anklagepunkten wird behauptet, dass Nariman »die beiden Soldaten angeschrien und geschubst« habe. Nariman bestreitet diesen Vorwurf und gibt an, dass sie die gesamte Begegnung mit ihrem Telefon gefilmt habe. Zur Untermauerung einer der Anklagepunkte zur Aufhetzung hebt die ursprüngliche Anklage hervor, dass sie das Ereignis auf ihrer Facebook-Seite mit einem Livestreaming gefilmt und behauptet, Nariman habe »versucht, die öffentliche Meinung in der Region in einer Weise zu beeinflussen, die der öffentlichen Ordnung und Sicherheit schaden könnte, und einen direkten Aufruf zu Terroranschlägen gemacht«. Das von Human Rights Watch geprüfte Videomaterial enthält keine derartigen Aufrufe oder Gewaltanwendung durch Nariman [clxxxi]. Die Anklage zitiert auch nichts, was Nariman selbst während des Livestreams gesagt hat, stellt aber fest, dass sie »von Tausenden von Nutzern angesehen wurde, von Dutzenden von Nutzern geteilt wurde, Dutzende von Antworten und viele Dutzende von Gleichgesinnten erhalten hat« [clxxxii].
Die Anklageschrift enthält auch eine Anklage wegen »Verstößen gegen die öffentliche Ordnung« für Narimans Handlungen während eines Armeeeinsatzes in der Nähe ihres Hauses am 8. Dezember. In ihrer Livestream-Veranstaltung forderte sie Ahed während einer Begegnung mit Soldaten in ihrem Haus auf, »sie nicht reinzulassen«, »sie rauszuwerfen« und »die Jungen anzurufen und ihnen zu sagen, dass sie hier hochgekommen sind«, und bemerkte, nachdem die Soldaten gegangen waren, dass »die Jungen sie gesehen haben« und »die Steine auf sie zukommen«. Der von Human Rights Watch geprüfte Livestream zeigt, dass Nariman diese Aussagen gemacht hat. In der Anklageschrift wird auch behauptet, dass Nariman am selben Tag einen Soldaten angespuckt hat, was das Video ebenfalls zu zeigen scheint. Außerdem wird sie wegen »Anstiftung« zu drei Facebook-Posts vom 7. Mai bis zum 17. Juni 2017 angeklagt, darunter der Post über Fatima Hajaj, ein Bild eines Mannes, der Steine in der Hand hält, mit ihrem Kommentar, in dem sie ihn als Märtyrer bezeichnet und sagt: »Freut euch, denn ihr habt eure Seele für sie geopfert«, und einen Beitrag über einen Angriff, bei dem ein Soldat und drei palästinensische Angreifer getötet wurden, wobei sie verkündete: »Die drei sind als Löwen gestorben«.
Die Staatsanwaltschaft beschuldigte Ahed außerdem der »Bedrohung eines Soldaten«, der »schweren Körperverletzung eines Soldaten«, der »Behinderung eines Soldaten«, der »Verstöße gegen die öffentliche Ordnung«, des »Werfens von Gegenständen auf eine Person oder ein Objekt« und der »Aufwiegelung«. Das Gericht weigerte sich, sie gegen Kaution freizulassen [clxxxiii]. Die Staatsanwälte klagten Nour Tamimi wegen »schwerer Körperverletzung an einem Soldaten« und »Behinderung eines Soldaten« an. Das Gericht ordnete ihre Freilassung gegen eine Kaution von 5.000 NIS (1.450 US $) am 5. Januar 2018 an.
Ahed stimmte einem Schuldgeständnis zu, wonach sie acht Monate, einschließlich der vier Monate, die sie bereits abgesessen hatte, im Gefängnis verbringen und die Strafe zahlen sollte. Nariman sagte gegenüber Human Rights Watch, dass sie diesem Deal zustimmte, weil ihr mehrere Jahre Gefängnis drohten, »obwohl ich nur ein Video aufgenommen habe« [clxxxiv].
Das Gericht stimmte zu, dass Nariman weitere 1.000 NIS (280 US-Dollar) zahlen sollte, anstatt eine zusätzliche Monatsstrafe zu verbüßen, damit sie und Ahed am selben Tag entlassen werden konnten. Am 29. Juli 2018 ließen die israelischen Streitkräfte beide frei.
Einige von Narimans Facebook-Posts kommentieren Palästinenser, die Israelis gewaltsam angegriffen haben, positiv. Dieser Kommentar stellt jedoch keine Aufstachelung zu drohender Gewalt dar. In der revidierten Anklageschrift haben die Militärstaatsanwälte jedenfalls die auf Facebook-Posts basierenden Aufhetzungsvorwürfe fallen gelassen und nur die aus dem Livestream stammenden Anklagen beibehalten. Der Kontext und die Form des Livestreams machen deutlich, dass er nicht annähernd eine Anstiftung zur Gewalt darstellt, und in der Anklageschrift wurde jedenfalls nicht angegeben, welche Worte insbesondere auf Anstiftung hindeuten.
Alaa al-Rimawi, Ramallah
Am frühen Morgen des 30. Juli 2018 verhafteten israelische Soldaten Alaa al-Rimawi, den 40-jährigen Direktor des als Pro-Hamas geltenden Fernsehkanals al-Quds im Westjordanland in seinem Haus. In derselben Nacht verhafteten die israelischen Streitkräfte drei weitere Journalisten von al-Quds TV, Muhammad Alwan und Qutaiba Hamdan aus ihren Häusern in Ramallah sowie den Fotografen Housni Injas in seinem Dorf Kharbatha al-Misbah westlich von Ramallah [clxxxv]. Sie nahmen auch zwei weitere Journalisten fest: Mohammad Anwar Mouna, der mit einem anderen, als Hamas sympathisierenden Sender arbeitet und auch einen lokalen Radiosender leitet, und Lama Khater, einen freien Mitarbeiter [clxxxvi].
Zu Beginn des Monats, am 8. Juli, hatte der israelische Verteidigungsminister Avigdor Lieberman angekündigt, dass der in London lizenzierte und in Beirut beheimatete Kanal Al Quds Channel mit Büros in der Türkei, Jordanien und Frankreich nicht in Israel operieren dürfe, obwohl er nie ein Verbot für seine Operationen im Westjordanland angekündigt hatte. Er erklärte, dass »der Sender al-Quds ein Propagandaflügel der Hamas ist, der eine zentrale Plattform für die Verbreitung der Botschaften der Terrororganisation darstellt«, so eine Erklärung des Verteidigungsministeriums [clxxxvii].
Der Sender arbeitet mit lokalen Produktionsfirmen zusammen, wobei er manchmal auf sie angewiesen ist, wenn es um Inhalte, Einrichtungen, Studios und Kamerateams geht. Weniger als ein Jahr zuvor, im Oktober 2017, hatte die israelische Armee die Büros einer solchen Firma, PalMedia, überfallen und einen Schließungsbefehl erlassen, in dem sie behauptete, dass diese Firma »zum Terror aufstachelt«, was nach Angaben der Armee »direkt zu Terroranschlägen führt« [clxxxviii]. Am 8. Juli 2018 berichtete das Palästinensische Zentrum für Entwicklung und Medienfreiheit (MADA), dass die israelischen Behörden mehrere Mitglieder einer anderen Produktionsfirma innerhalb Israels zur Befragung vorladen und sie anweisen, die Zusammenarbeit mit Al Quds zu beenden [clxxxix]. Der Anwalt der Produktionsfirma sagte der israelischen Zeitung Haaretz, das vom Verteidigungsministerium angekündigte Verbot gelte nur innerhalb Israels und werde sie nicht daran hindern, im Westjordanland und im Gazastreifen zu senden [cxc]. Al-Rimawis Anwalt Nasser al-Nubani sagte gegenüber Human Rights Watch, dass die Armee nie öffentlich ein Verbot des im Westjordanland operierenden Kanals angekündigt oder auf ihrer Website bekannt gegeben habe [cxci].
Am 30. Juli 2018 überfielen mehr als 20 Soldaten Al-Rimawis Haus gegen 3:00 Uhr morgens, während weitere 30 bis 40 Soldaten das Gebäude umzingelten, sagte er gegenüber Human Rights Watch. Die Soldaten durchsuchten sein Haus und beschlagnahmten seinen Dienstwagen, Kameras, Laptops und seinen Presseausweis. Die Soldaten hätten einen Aufruhr verursacht, der seine fünf Kinder erschreckt habe, sagte er. Die Soldaten verbanden ihm die Augen und legten ihm Handschellen an und nahmen ihn in Gewahrsam.
Die israelischen Soldaten überführten al-Rimawi in das Verhörzentrum Ofer bei Ramallah, und nachdem sie ihn etwa sechs Stunden lang nicht befragt hatten, sagte ein Offizier, der sich als von der Shabak, der israelischen Sicherheitsbehörde (oder Shin Bet), vorgestellt hatte, zu al-Rimawi, dass sie ihn wegen seiner Arbeit mit »einem Kanal, der aufstachelt«, verhaftet hätten. Der Offizier brachte Hunderte von Fotos, einige davon aus der Luft, von al-Rimawi, der vor Ort arbeitete, und sagte, dass er mit einem »verbotenen« Medium arbeitete [cxcii].
Al-Rimawi sagte, israelische Offiziere hätten ihn in sieben Sitzungen, die teilweise bis zu sechs Stunden dauerten, verhört. Neben Fragen zum rechtlichen Status von Al Quds sondierten Offiziere mögliche Verbindungen zur Hamas, zum Islamischen Dschihad und zum Iran. Sie fragten ihn auch nach seinen Facebook-Posts, wobei sie sich insbesondere auf seine Verwendung des Wortes »Märtyrer« konzentrierten, wenn er sich auf von Israel getötete Palästinenser bezog, und auf das Wort »Razzien«, wenn er sich auf Vorfälle bezog, bei denen die israelische Armee das Gelände der Al-Aqsa-Moschee betrat. Der Vernehmungsbeamte zeigte ihm dann einen Nachrichtenbeitrag von Al Quds TV über Ahmed Jarrar, der beschuldigt wurde, einen israelischen Siedler erschossen zu haben, und der im Februar 2018 selbst von israelischen Streitkräften getötet wurde [cxciii]. Die Vernehmungsbeamten warfen dem Sender vor, Jarrar zu »verherrlichen« und zu »loben«. Al-Rimawi sagte, er erhebe Einspruch und wies darauf hin, dass der Bericht den offiziellen israelischen Standpunkt enthalte, dass Jarrar ein »Terrorist« sei. Seine letzten beiden Verhöre konzentrierten sich auf die Spaltung der Fatah-Hamas und die politische Situation im Westjordanland und im Gazastreifen, sagte al-Rimawi.
Al-Rimawi, der bei seiner Verhaftung einen Hungerstreik ausrief und diesen neun Tage lang aufrechterhielt, sagte, er sei am 2. August zusammen mit seinen Kollegen vor dem Militärgericht in Ofer erschienen, das ihre Haft um eine Woche verlängerte [cxciv]. Gerichtsdokumente, die von Human Rights Watch geprüft wurden, deuten darauf hin, dass die Staatsanwaltschaft eine mögliche Anklage wegen Beteiligung an einer »ungesetzlichen Vereinigung« im Rahmen der Notstandsverordnungen von 1945 untersuchte. Am 9. August ordnete das Gericht die Freilassung von al-Rimawi und seinen Kollegen an, aber die Anklage legte Berufung ein, und ein Berufungs-Militärgericht gestattete eine siebentägige Verlängerung der Haft von al-Rimawi, wobei die Freilassung seiner Kollegen aufrechterhalten wurde [cxcv].
Am 15. August ordnete ein Richter die Freilassung von al-Rimawi gegen Kaution an mit der Begründung, dass »es zweifelhaft sei, ob der vom Beklagten geführte al-Quds-Kanal, wie behauptet, mit der Hamas-Organisation in Verbindung gebracht werden könne« und dass al-Rimawi »zum maßgeblichen Zeitpunkt nicht wusste, dass der Kanal zu einer ungesetzlichen Vereinigung erklärt worden war« [cxcvi]. Die Militärstaatsanwaltschaft legte gegen die Entscheidung Berufung ein, so al-Rimawi und die von Human Rights Watch geprüften Gerichtsdokumente.
Am 20. August ordnete ein Berufungsmilitärgericht die Freilassung von al-Rimawi gegen eine Kaution von 10.000 NIS (2.800 US-Dollar) an, wobei es feststellte, dass »die Erklärung des Senders als ungesetzliche Vereinigung nicht ordnungsgemäß veröffentlicht wurde«, während es eine weitere »Untersuchung« der Anklage wegen der ungesetzlichen Vereinigung anregte. Der Richter machte seine Freilassung außerdem von einem zweimonatigen Verbot der »Veröffentlichung von Inhalten in sozialen oder anderen Kommunikationsnetzwerken, einschließlich der Ausstrahlung, Veröffentlichung, Bearbeitung und Erstellung der oben genannten Inhalte« abhängig, einem Verbot, Ramallah ohne die Genehmigung des Gerichts zu verlassen, und der Teilnahme an Gerichtsverhandlungen abhängig, wie aus den von Human Rights Watch geprüften Gerichtsdokumenten hervorgeht. Al-Rimawi sagte, das Verbot, Ramallah zu verlassen, dauerte ein Jahr. Ein Beamter warnte al-Rimawi ferner, nicht über seine Verhaftung zu sprechen oder Medieninterviews oder Erklärungen dazu abzugeben«, sagte al-Rimawi. Die israelische Armee ließ al-Rimawi in dieser Nacht frei [cxcvii].
Am 31. Dezember 2018 überfielen israelische Soldaten erneut al-Rimawis Haus, beschlagnahmten seinen Laptop, drei Telefone und 7.000 NIS (1.960 US-Dollar) in bar, sagte er gegenüber Human Rights Watch [cxcviii]. Mitte Januar 2019 schlossen die Staatsanwälte das Verfahren gegen al-Rimawi ab, ohne eine formelle Anklage zu erheben. Die israelische Armee habe einen Teil der Ausrüstung von al-Rimawi schwer beschädigt zurückgegeben, sagte er. Er sagte, sie hätten seine 10.000 NIS (2.800 US-Dollar) Kaution noch nicht zurückgegeben [cxcix].
Die Verhaftung Al-Rimawis und die Beschlagnahme seiner Ausrüstung aufgrund seiner Zugehörigkeit zu einem Pro-Hamas-Medienunternehmen, ohne den Nachweis zu erbringen, dass seine Rede eine Aufstachelung zu drohender Gewalt darstellt, verletzt sein Recht auf Vereinigungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, auch wenn ein Militärgericht ihn schließlich freigesprochen hat.
Manbar al-Huriyya Radio, Hebron
Am 30. August 2017 führte die israelische Armee eine Razzia beim Radio Manbar al-Huriyya, das der politischen Partei Fatah angeschlossen ist, in Hebron durch, und erließ eine sechsmonatige Schließungsanordnung. Unter Berufung auf die Militärverordnung 1651 und die Defense (Emergency) Regulations von 1945 behauptet der Befehl, der von Human Rights Watch überprüft wurde, dass der Sender »Operationen durchführte und zur Anstiftung zu Terroranschlägen beitrug, die die Sicherheit beeinträchtigen«. In einer der Anordnung beigefügten Mitteilung vom 21. August heißt es, dass Unternehmen davon absehen müssen, »eine Hand zur Unterstützung des Terrorismus auszustrecken«, aber weder die Anordnung noch die Mitteilung enthalten Einzelheiten über die Materialien oder Handlungen, die eine Aufstachelung darstellen [cc].
Der Vorsitzende des Radiosenders, Ayman al-Qawasme, sagte gegenüber Human Rights Watch, dass die Behörden dem Personal des Senders nie weitere Einzelheiten mitgeteilt hätten. Er sagte, dass die israelischen Streitkräfte den Sender bereits vier Mal überfallen hätten, wobei sie häufig Schäden verursacht und Ausrüstung oder Geld beschlagnahmt hätten [cci]. Die Schließung des Senders durch die Armee bei mehreren Gelegenheiten aufgrund pauschaler Anschuldigungen - ohne jegliches Gerichtsverfahren oder die Vorlage von Beweisen zur Untermauerung der Behauptungen - verletzt die Rechte des Personals auf freie Meinungsäußerung und Vereinigungsfreiheit.
Während der Razzia vom 30. August, so al-Qawasme, beschädigten die Soldaten Möbel und andere Gegenstände und beschlagnahmten Geräte, darunter Sender, Kameras, Computer und Telefone. Al-Qawasme schätzte den finanziellen Schaden auf zwischen 400.000 und 500.000 US-Dollar. Beim Verlassen der Station versiegelten die Soldaten die Tür, um das Personal am Betreten zu hindern [ccii].
Am nächsten Tag erschien al-Qawasme in einem von Human Rights Watch rezensierten Video, in dem er die Anschuldigungen zurückwies und »die israelische Besatzung herausforderte, um zu beweisen, wo dieser Terrorismus, wo diese Aufwiegelung ist« [cciii]. Er kritisierte ferner den palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas und den damaligen Premierminister Rami Hamdallah, weil sie die Palästinenser in den von ihnen kontrollierten Gebieten nicht geschützt hatten und forderte ihren Rücktritt. Einige Tage später verhaftete ihn die Agentur für präventive Sicherheit der Palästinensischen Autonomiebehörde in Hebron, hielt ihn vier Tage lang fest und beschuldigte ihn, »sektiererische Unruhen« [cciv] verursacht zu haben.
Am 14. Februar 2018 nahm die Station den Betrieb nach Ablauf der Schließungsanordnung wieder auf. Bis Oktober 2019 hatte die israelische Armee die beschlagnahmte Ausrüstung jedoch nicht zurückgegeben [ccv].
Empfehlungen
An den Staat Israel
· Gewähren Sie den Palästinensern, die im besetzten Westjordanland leben, vollen Schutz der Rechte, die allen Menschen nach dem internationalen Menschenrechtsgesetz garantiert sind, indem Sie die Rechte, die es israelischen Bürgern gewährt, sowie den Schutz, der ihnen nach dem humanitären Völkerrecht zusteht, als Maßstab heranziehen.
· Akzeptieren der Anwendbarkeit internationaler Menschenrechtsverträge und -gesetze auf das besetzte palästinensische Gebiet bei späteren Überprüfungen vor den Vertragsorganen der Vereinten Nationen.
· Hinterlegen Sie eine Notiz beim Internationalen Vertrag über bürgerliche und politische Rechte, in der klargestellt wird, dass das Übereinkommen ihrer Ansicht nach auf ihre Aktionen in den besetzten palästinensischen Gebieten Anwendung findet.
An Staaten und internationale Organisationen
· Fordern Sie, dass Israel den Palästinensern vollen Schutz aller ihrer Menschenrechte gewährt, indem es die Rechte, die es israelischen Bürgern gewährt, als Maßstab heranzieht, und nutzen Sie die internationalen Menschenrechtsgesetze und -standards zusätzlich zu den Schutzmaßnahmen des humanitären Völkerrechts als primäre Grundlage für die Bewertung der israelischen Politik gegenüber den Palästinensern in den besetzten palästinensischen Gebieten.
· Heben Sie die Auswirkungen restriktiver israelischer Militärbefehle auf die Palästinenser im Westjordanland durch einen Rahmen für Bürgerrechte hervor.
· Erwägen Sie die Aufnahme von Aufforderungen an Israel, den Palästinensern in Publikationen, Berichten und politischen Positionen mindestens die gleichen Bürgerrechte zu gewähren wie seinen eigenen Bürgern und das Verhalten Israels auf dieser Grundlage zu bewerten.
An die israelische Armee
· Stellen sie die Verhaftung und Inhaftierung von Personen wegen der gewaltlosen Ausübung ihrer Rechte auf Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit ein.
· Heben Sie die Militäranordnungen 101 und 1651 auf und verzichten Sie auf neue strafrechtliche Bestimmungen, es sei denn, die Straftaten sind klar, eng und spezifisch definiert und stehen im Einklang mit den internationalen Menschenrechtsvorschriften.
· Überwachen, aggregieren, speichern oder durchsuchen Sie Online-Reden nur dann, wenn es eine klare, spezifische, öffentlich zugängliche Rechtsgrundlage für solche Aktivitäten gibt, und stellen Sie sicher, dass Einzelpersonen über ausreichende Informationen über diese Aktivitäten verfügen, um bei Missbräuchen Abhilfe zu schaffen. Beschränken Sie solche Aktivitäten auf das, was zur Erreichung eines legitimen Ziels unbedingt notwendig und verhältnismäßig ist.
· Stellen Sie Informationen über alle Kriterien zur Verfügung, die zur Analyse der Social-Media-Posts und anderer Online-Aktivitäten von Einzelpersonen verwendet werden.
An israelische Militärankläger
· Hören Sie auf, Personen nach den Verteidigungs(Notstands-)bestimmungen von 1945 anzuklagen; wenn es Gründe gibt, sie zu verdächtigen, ein erkennbares Vergehen zu begehen, klagen Sie sie nach Bestimmungen an, die klar, eng und spezifisch sind und mit den internationalen Menschenrechtsgesetzen übereinstimmen.
An die israelische Knesset
· Erlassen Sie Gesetze, die die Strafverfolgungs- und Geheimdienstbehörden zur Offenlegung von Informationen über ihre Nutzung der Überwachung sozialer Medien zwingen, einschließlich der Arten von Informationen, die mit diesen Methoden gesammelt werden, der Art und Weise, wie diese Informationen analysiert werden, um Feststellungen über die Wahrscheinlichkeit der Gewalttätigkeit eines Individuums zu treffen, und der vorhandenen Schutzvorkehrungen (falls vorhanden), um ungenaue Feststellungen zu verhindern oder abzuschwächen (z.B. Informationen darüber, wie die Behörden diese Feststellungen bestätigen).
· Erlassen Sie Gesetze, die die Fähigkeit der Strafverfolgungs- und Geheimdienstbehörden einschränken, ohne Durchsuchungsbefehl oder in unsicherer oder diskriminierender Weise soziale Medienkonten zu sammeln, zu speichern und zu durchsuchen.
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· Erlauben Sie Personen, die wegen ihrer friedlichen Meinungsäußerung in sozialen Medien Gefahr laufen, Repressalien zu erleiden, Pseudonyme auf Ihren Plattformen zu verwenden.
[i] https://www.kopp-verlag.de/a/die-menschenrechtsindustrie-im-humanitaeren-angriffskrieg S. 66-68, 70-73, 103-105, 123
[ii] https://www.hrw.org/report/2019/12/17/born-without-civil-rights/israels-use-draconian-military-orders-repress
[iv] https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsinstrumente/vereinte-nationen/menschenrechtsabkommen/zivilpakt-iccpr/
[v] https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-at-west-bank-event-netanyahu-promises-no-more-settlers-arabs-will-be-evicted-1.7490113
[vi] Human Rights Watch text message correspondence with journalist (name withheld), September 11, 2019.
[vii] Human Rights Watch email correspondence with Hamza Zbeidat, September 9, 2019.
[viii] Human Rights Watch phone interview with Bethlehem youth (name withheld), September 17, 2019.
[ix] Human Rights Watch, Two Authorities, One Way, Zero Dissent (New York: Human Rights Watch, 2018), https://www.hrw.org/report/2018/10/23/two-authorities-one-way-zero-dissent/arbitrary-arrest-and-torture-under .
[x] Letter from Prime Minister’s Office, Public Inquiries Department, to Human Rights Watch, August 8, 2019.
[xi] Letter from National Public Complaint Officer and Freedom of Information Officer Assistant, Israel Police, to Human Rights Watch, August 28, 2019.
[xii] Military Proclamation No. 2 Concerning Regulation of Authority and the Judiciary (West Bank), June 7, 1967, published in Jerusalem Media & Communication Center (JMCC), Israeli Military Orders in the Occupied Palestinian West Bank 1967-1992, Second Edition (East Jerusalem, 1995) p. 1.
[xiii] »Status of Palestinian Territories and Palestinian Society under Israeli Occupation,« 40 years of Israeli occupation: 1967-2007, The Applied Research Institute of Jerusalem (ARIJ), https://www.arij.org/atlas40/chapter2.2.html .
[xv] Israeli Prison Services figures on file with Human Rights Watch.
[xvi] Chaim Levinson, »Nearly 100% of All Military Court Cases in West Bank End in Conviction, Haaretz Learns,« Haaretz, November 29, 2011, https://www.haaretz.com/1.5214377 .
[xvii] Human Rights Watch, Two Authorities, One Way, Zero Dissent.
[xviii] »Palestine: No Letup in Arbitrary Arrests, Torture,” Human Rights Watch news release, May 29, 2019, https://www.hrw.org/news/2019/05/29/palestine-no-letup-arbitrary-arrests-torture.
[xix] Human Rights Watch, Two Authorities, One Way, Zero Dissent.
[xx] Human Rights Watch, Unwilling or Unable: Israeli Restrictions on Access to and from Gaza for Human Rights Workers (New York: Human Rights Watch, 2017) https://www.hrw.org/report/2017/04/02/unwilling-or-unable/israeli-restrictions-access-and-gaza-human-rights-workers.
[xxi] Israel claims that the law of occupation no longer applies to its actions in Gaza. See, for example, Physicians for Human Rights v. Defense Minister, Israel High Court of Justice (HCJ), Case No. 10265/05, State Submission, July 11, 2006 (on file with Human Rights Watch); Hamdan v. Southern Military Commander and related cases, HCJ 11120/05, State Response, January 19, 2006, paras. 26-29 (in Hebrew), http://tinyurl.com/l9ourfg (accessed June 21, 2019); Both the UN and the International Committee of the Red Cross (ICRC) however continue to consider Gaza occupied territory, given its continued effective control over the lives and welfare of the Palestinians living there; Email from Yves Sorokobi, Office of the UN Secretary General Spokesperson, to Gisha – Legal Center for Freedom of Movement, February 7, 2007 (on file with Human Rights Watch): »The UN welcomed the Israeli disengagement from Gaza in August 2005. However, there has been no change in our characterization of the Gaza Strip as occupied territory.”; See »Gaza Closure Not Another Year!”, ICRC press release, June 14, 2010, www.icrc.org/eng/resources/documents/update/palestine-update-140610.htm .
[xxii] Geneva Convention relative to the Protection of Civilian Persons in Time of War (Fourth Geneva Convention), adopted August 12, 1949, 75 U.N.T.S. 287, entered into force October 21, 1950.
[xxiii] Convention (IV) respecting the Laws and Customs of War on Land and its annex: Regulations concerning the Laws and Customs of War on Land, The Hague, adopted October 18, 1907, entered into force January 26, 1910.
[xxiv] The ICRC has identified 161 rules of customary nature: Customary IHL Database, ICRC, https://ihl-databases.icrc.org/customary-ihl/eng/docs/home .
[xxv] See, for example, United Nations Human Rights Committee (HRC), »Concluding Observations on the Fourth Periodic Report of Israel,« CCPR/C/ISR/CO/4, November 21, 2014, https://bit.ly/2koggJV (accessed October 24, 2019), para. 5; See also the numerous prior HRC concluding observations on Israel, for example, CCPR/CO/ISR/3, September 3, 2010, para. 5; CCPR/CO/78/ISR, August 5, 2003, para. 11; CCPR/C/79/Add.93, August 18, 1998, para. 10; Article 2 of the ICCPR itself notes that the Covenant should apply to »all individuals within its territory and subject to its jurisdiction.«
[xxvi] International Court of Justice (ICJ), Advisory Opinion Concerning Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ General List, No.131, ICJ Rep 136, July 9, 2004, https://bit.ly/34531oj , para. 111.
[xxvii] International Court of Justice (ICJ), Advisory Opinion Concerning Legal Consequences of the Construction of a Wall in the Occupied Palestinian Territory, ICJ General List, No.131, ICJ Rep 136, July 9, 2004, https://bit.ly/34531oj, para. 111.
[xxviii] Sassòli, Boutruche, op. cit., p. 6.
[xxix] ICRC glossary, »Military Necessity,” https://casebook.icrc.org/glossary/military-necessity .
[xxx] The United Nations International Law Commission identified providing »the health and well-being” and »benefit of the population of the occupied territory« as among the obligations of the Occupying Power. United Nations General Assembly, International Law Commission, Seventy-first session, Protection of the Environment in Relation to Armed Conflicts, U.N. Doc. A/CN.4/L.937, June 6, 2019; Sassòli, Boutruche, op. cit., pp. 8-9; Vaios Koutroulis, »The application of international humanitarian law and international human rights law in situation of prolonged occupation: only a matter of time?« International Review of the Red Cross, Vol. 94, No. 885 (2012), p. 178, https://doi.org/10.1017/S1816383112000616 .
[xxxi] Jamayat Askan et al., v. IDF Commander in Judea and Samaria et al., HCJ 393/82, 37(4) PD, December 12, 1983, para. 18. See also: Germany, British Zone of Control, Control Commission Court of Criminal Appeal, July 26, 1947, in Annual Digest and Reports of Public International Law Cases, Vol. 14 (1947), p. 232.
[xxxii] Koutroulis, p. 183.
[xxxiii] Koutroulis, p. 183.
[xxxiv] Sassòli, Boutruche, op. cit, p. 9; Noam Lubell, »Human rights obligations in military occupation,« International Review of the Red Cross, Vol. 94, No. 885 (2012), p. 329.
[xxxv] Jamayat Askan et al., v. IDF Commander in Judea and Samaria et al., HCJ 393/82, para. 21. The case involved the construction of highways into the occupied West Bank.
[xxxvi] Ibid., para. 22.
[xxxvii] »Freedom of opinion and freedom of expression are indispensable conditions for the full development of the person. They are essential for any society,” UN Human Rights Committee, General Comment No. 34, Article 19: Freedom of Opinion and Expression, CCPR/C/GC/34, September 12, 2011, https://www.refworld.org/docid/4ed34b562.html , para. 2.
[xxxviii] ICRC, Convention (II) de Genève pour l'amélioration du sort des blessés, des malades et des naufragés des forces armées sur mer, 12 août 1949, Commentarie of 2017, Article 2: Application of the Convention, https://bit.ly/2Pg47ZX , para. 344.
[xxxix] Yesh Din - Volunteers for Human Rights, »The Great Drain: Israeli Quarries in the West Bank, High Court Sanctioned Institutionalized Theft,” September 2017, https://bit.ly/33X8P2R
[xl] Article 3(b) of Protocol Additional I of the Geneva Conventions specifies that the applications of Protocol and Conventions—i.e., including the Fourth Geneva Convention—shall cease »in the case of occupied territories, on the termination of the occupation.« ICRC, Protocol Additional to the Geneva Conventions of 12 August 1949, and relating to the Protection of Victims of International Armed Conflicts (Protocol I), June 8, 1977, https://bit.ly/2LxW3BW (accessed October 25, 2019). This provision has become part of customary international law. The trial chamber of the International Criminal Tribunal for the former Yugoslavia (ICTY) also referenced Article 6 of the Fourth Geneva Convention to define occupation as »a transitional period following invasion and preceding the agreement on the cessation of hostilities.”This provision has become part of customary international law; Marco Sassòli, International Humanitarian Law: Rules, Controversies, and Solutions to Problems Arising in Warfare, (Cheltenham, United Kingdom: Edward Elgar Publishing, 2019), p. 319. »This rule [Article 6 of the Fourth Geneva Convention] has been considered to be replaced by Article of Additional Protocol I as customary law under which IHL as a whole remains applicable until the actual termination of occupation.”; The trial chamber of the ICTY also referenced Article 6 of the Fourth Geneva Convention to define occupation as »a transitional period following invasion and preceding the agreement on the cessation of hostilities.” ICTY, Prosecutor v. Mladen Ntaletilic and Vinko Martinokovic, Judgment, IT-98-34-T, Trial Chamber, March 31, 2003, https://bit.ly/2WeoTe6 (accessed October 25, 2019), art. 214, pp. 72-73; Article 6 of the Geneva Convention provides that the application of the Convention »shall cease on the general close of military operations.« Fourth Geneva Convention, art. 6; In its advisory opinion, the ICJ declared that the »the military operations leading to the occupation of the West Bank in 1967 ended a long time ago.” ICJ Advisory Opinion Concerning Legal Consequences of the Construction of a Wall, para. 125. An expert meeting hosted by the International Committee of the Red Cross in 2012, though, concluded that the ICJ’s statement on this article »was incorrect for the purposes of IHL,” noting that they wrongly focused on »general close of military operations leading to the occupation,« not »general close of military operations.« The experts further concluded that IHL »did not set any limits to the time span of an occupation.« Expert Meeting: Occupation and Other Forms of Administration of Foreign Territory, June 11, 2012, https://bit.ly/2WbocSE (accessed October 25, 2019).
[xli] Adam Roberts, »Prolonged Military Occupation: the Israeli-Occupied Territories Since 1967,”The American Journal of International Law, Vol. 84, No. 1 (1990), p. 96.
[xlii] Orna Ben-Naftali, Aeyal M. Gross, Keren R. Michaeli, »Illegal Occupation: Framing the Occupied Palestinian Territory,” Berkeley Journal of International Law, Vol. 23 No.3 (2005), p. 576. See also: Roberts, p. 96; Koutroulis, p. 179.
[xliii] Orna Ben-Naftali and Keren R. Michaeli, »We Must Not Make a Scarecrow of the Law: A Legal Analysis of the Israeli Policy of Targeted Killings,« Cornell International Law Journal, Vol. 36, No. 2 (2003), p. 289. »Where the law of occupation provides no clear answer, human rights law steps in and assists the law of occupation. Human rights law reinforces the weight given to [the law of occupation's] principles and objective, that is, to protect the occupied population and provide for its well-being.«
[xliv] ICCPR, art. 15.
[xlv] HRC, General Comment No. 34, CCPR/C/GC/34, para. 25, 34, 35.
[xlvi] ICCPR, art. 19(2).
[xlvii] Ibid.
[xlviii] ICCPR, art. 17(1).
[xlix] UN Human Rights Council (UNHRC), Twenty-seventh session, Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, The right to privacy in the digital age, A/HRC/27/37, June 30 2014, https://bit.ly/2qJKz6c (accessed October 25, 2019), para. 23.
[l] UNHRC, Thirty-ninth session, Report of the Office of the United Nations High Commissioner for Human Rights, The right to privacy in the digital age, A/HRC/39/29, August 3, 2018, https://www.right-docs.org/doc/a-hrc-39-29/ (accessed October 25, 2019), para. 6.
[li] Ibid., para. 17.
[lii] Ibid., quoting Roman Zakharov v. Russia, European Court of Human Rights, application No. 47143/06, Judgment, December 4, 2015, https://bit.ly/2PnoxjL (accessed October 27, 2019), para. 232. .
[liii] Ibid., quoting UNHRC, Thirty-third session, Report of the United Nations High Commissioner for Human Rights, Report on best practices and lessons learned on how protecting and promoting human rights contribute to preventing and countering violent extremism, A/HRC/33/29, July 21, 2016, https://bit.ly/369U0Ms (accessed October 27, 2019), para. 58
[liv] UNHRC, The right to privacy in the digital age, A/HRC/27/37, para. 28.
[lv] UNHRC, Twenty-second session, Annual report of the United Nations High Commissioner for Human Rights, Report of the UN High Commissioner for Human Rights on the expert workshops on the prohibition of incitement to national, racial or religious hatred, A/HRC/22/17/Add.4, January 11 2013, https://bit.ly/343uxT3 (accessed June 30, 2019).
[lvi] UN Special Rapporteur on the rights to freedom of peaceful assembly and of association, Maina Kiai and Christof Heyns, 10 Principles for the Proper Management of Assemblies: Implementation Checklist, September 2016, https://bit.ly/31PgqyZ (accessed October 25, 2019).
[lvii] John Quigley, »The Relation Between Human Rights Law and the Law of Belligerent Occupation: Does an Occupied Population have a Right to Freedom of Assembly and Expression?« Boston College International and Comparative Law Review, Article 2, Vol. 12, Issue 1 (1989), https://bit.ly/2BIvdB3 (accessed October 25, 2019), p. 25.
[lviii] HRC, General Comment No. 34, CCPR/C/GC/34, para. 30.
[lix] Human Rights Watch, Submission by Human Rights Watch to the Committee on the Rights of the Child on the State of Palestine, 83rd pre-sessional working group, March 20, 2019, https://www.hrw.org/news/2019/03/20/submission-human-rights-watch-committee-rights-child-state-palestine.
[lx] Agranat J., in Criminal Appeal, State of Israel v. Ben Moshe, Case No. 255/68, P.D. vol. 22(2), 427, 435.
[lxi] Alan Levi And Yaheli Amit v. Southern District Police Commander, HCJ 153/83, P.D., vol. 38(2),393, https://bit.ly/2prAR8a .
[lxii] Aharon Barak, »Freedom of Expression And Its Limitations,” Kesher, Tel Aviv University, No. 8 (1990), pp. 4e–11e, https://bit.ly/2XoBizR (accessed July 2, 2019).
[lxiii] Aharon Barak quoted in Abraham Ben-Zvi, »The Limits of Israel’s Democracy in the Shadow of Security,« Taiwan Journal of Democracy, Vol. 1 No.2 (2005), p. 14.
[lxiv] B’Tselem, »Defense (Emergency) Regulations,” https://www.btselem.org/legal_documents/emergency_regulations
[lxv] »Pocket Guide: The Right to Demonstrate,” The Association for Civil Rights in Israel (ACRI) et al., 2015, https://bit.ly/2ohIVrD
[lxvi] B’Tselem, »The Right to Demonstrate in the Occupied Territories,” July 2010, https://bit.ly/2FIztTr
[lxvii] Mateh Harov v Israel Police et al., HCJ 2557/05, para. 13.
[lxviii] Yehuda Meshi Zahav et al. v. Jerusalem District Police Commander, HCJ 8988/06, para. 9.
[lxix] Ilan Lior, »Israeli Court: Protesters Outside Attorney General's Home Don’t Need Police Permit,« Haaretz, October 9, 2017, https://bit.ly/2FOLOWe (accessed July 2, 2019).
[lxx] Martha Roadstrum Moffett, »Perpetual Emergency: A Legal Analysis of Israel's Use of the British Defence (Emergency) Regulations 1945, in the Occupied Territories,” Al-Haq, 1989, http://www.alhaq.org/publications/8169.html (accessed July 1, 2019); Military Order 160 - Order Concerning Interpretations (Additional Regulations 1), November 5, 1967, published in JMCC, Israeli Military Orders (1995), p. 23; Military Order 224 - Order Concerning Interpretations (Additional Regulations), February 20, 1968, JMCC, Israeli Military Orders, p. 30.
[lxxi] B’Tselem, »Defense (Emergency) Regulations”; Michal Tzur, The (Emergency) Defense Regulations, 1945,« The Israel Democracy Institute, 1989, https://en.idi.org.il/publications/7591 (accessed August 7, 2019); John Quigley, »Israel’s Forty-Five Year Emergency: Are There Time Limits to Derogations from Human Rights Obligations,” Michigan Journal of International Law, Vol. 15, Issue 2 (1994).
[lxxii] The Defense (Emergency) Regulations, 1945, available at https://bit.ly/2XImDic (accessed October 25, 2019).
[lxxiii] The Defense (Emergency) Regulations, 1945, art. 84 (a)(b).
[lxxiv] Ibid., art. 85 (f)(i).
[lxxv] Ibid., art. 87 (1).
[lxxvi] Order No. 101 – Order Regarding Prohibition of Incitement and Hostile Propaganda Actions, August 1967, arts. 1, 3, 10, as amended by Order No. 718 (1977), Order No. 938 (1981), Order No. 1079 (1983), and Order No. 1423 (1995), available at https://bit.ly/2DfDTOA (accessed October 25, 2019).
[lxxvii] Ibid., arts. 5, 6.
[lxxviii] Ibid., art. 7A.
[lxxix] Ibid., arts. 4, 9.
[lxxx] Ibid., art. 2.
[lxxxi] Order regarding Security Provisions [Consolidated Version] (Judea and Samaria) (Military Order No. 1651), 5770-2009, available at https://bit.ly/2X8PCaJ , adopted November 2009, entered into force May 2, 2010.
[lxxxii] Ibid., art. 251.
[lxxxiii] Ibid., »Article C – Offenses against authorities of the Area,« https://bit.ly/32475oz.
[lxxxiv] Ibid., arts. 217, 215, 218.
[lxxxv] Ibid., »Chapter J – Administrative powers,« art. 318.
[lxxxvi] Ibid., art. 222 (a)(b)(d).
[lxxxvii] The Association for Civil Rights in Israel (ACRI), »The Status of the Right to Demonstrate in the Occupied Territories,” September 2014, https://bit.ly/2LvIJOz (accessed June 30, 2019).
[lxxxviii] Order No. 101, art. 1.
[lxxxix] Human Rights Watch phone interview with Karin Hibler, April 17, 2019.
[xc] Letter from Israeli army to Human Rights Watch, November 18, 2019.
[xci] Ibid.
[xcii] Khulood Badawi, »Yet Another Military Trial in the Occupied Territories,” commentary, Human Rights Dispatch, July 16, 2017, https://www.hrw.org/news/2017/07/16/yet-another-military-trial-occupied-territories; B’Tselem, »Hebron City Center,« Updated May 26, 2019, https://www.btselem.org/hebron.
[xciii] United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (OCHA), »The humanitarian situation in the H2 area of the Hebron city,« April 2019, https://www.ochaopt.org/sites/default/files/h2_spotlight_april_2019.pdf .
[xciv] B’Tselem and Association for Civil Rights in Israel (ACRI), »Ghost Town: Israel’s Separation Policy and Forced Eviction of Palestinians from the Center of Hebron,« May 2007, https://www.btselem.org/download/200705_hebron_eng.pdf (accessed October 25, 2019); B’Tselem, »Playing the security card: Israeli Policy in Hebron as Means to Effect Forcible Transfer of Local Palestinians,« September 2019, https://www.btselem.org/publications/summaries/201909_playing_the_security_card .
[xcv] Human Rights Watch interview with Farid al-Atrash, Ramallah, November 18, 2018.
[xcvi] »Arrest of lawyer Farid al-Atrash,” video clip (Arabic), YouTube, February 26, 2016, https://www.youtube.com/watch?time_continue=10&v=jzT8B37v59g (accessed June 30, 2019).
[xcvii] Human Rights Watch interview with Abdallah Abu Rahma, Ramallah, November 6, 2018.
[xcviii] »About Us,« Stop The Wall, https://www.stopthewall.org/about-us (accessed June 30, 2019).
[xcix] Human Rights Watch interview with Abdallah Abu Rahma, Ramallah, November 6, 2018.
[c] Human Rights Watch phone interview with Abdallah Abu Rahma, August 6, 2019.
[ci] Human Rights Watch interview with Abdallah Abu Rahma, Ramallah, November 6, 2018.
[cii] Indictment on file with Human Rights Watch.
[ciii] Military court of appeals decision on file with Human Rights Watch.
[civ] Human Rights Watch phone interview with Abdallah Abu Rahma, September 5, 2019.
[cv] Oren Ziv, »Palestinian activist sent to prison for riding a bike in his village,” +972 Magazine, November 14, 2018, https://bit.ly/2BczH3q
[cvi] Human Rights Watch phone interview with Abdallah Abu Rahma, August 29, 2019.
[cvii] »Bil'in Friday 13.5.2016 demonstration for Nakba Day,” video clip, YouTube, May 14, 2016, https://www.youtube.com/watch?v=rFIrVA3jFcY
[cviii] Indictment and court verdict on file with Human Rights Watch.
[cix] Human Rights Watch phone interview with Abdallah Abu Rahma, January 24, 2019.
[cx] Court verdict on file with Human Rights Watch.
[cxi] Human Rights Watch phone interview with Abdallah Abu Rahma, June 23, 2019.
[cxii] »Israel/West Bank: Jail for Peaceful Protesters,« Human Rights Watch news release, January 11, 2011, https://www.hrw.org/news/2011/01/11/israel/west-bank-jail-peaceful-protesters.
[cxiii] The Defense (Emergency) Regulations, 1945, art. 84.
[cxiv] Military Order No. 1651, art. 238.
[cxv] Ibid., art. 319.
[cxvi] B’Tselem, »Fake Justice: The Responsibility Israel’s High Court Justices Bear for the Demolition of Palestinian Homes and the Dispossession of Palestinians,« February 2019, https://bit.ly/349vjOx (accessed October 6, 2019); »The Israeli Supreme Court in the Service of the Occupation,« B’Tselem press release, September 5, 2018, https://bit.ly/31LAYIP (accessed October 6, 2019). »This ruling shows once again that those under occupation cannot seek justice in the occupier’s courts.”
[cxvii] »List of Declarations and Orders of Terrorist Organizations and Unlawful Associations,« Ministry of Defense, http://www.mod.gov.il/Defence-and-Security/Fighting_terrorism/Pages/default.aspx
[cxviii] Letter from Israeli army to Human Rights Watch, November 18, 2019.
[cxix] Hafez Omar, The Palestine Poster Project Archives, https://www.palestineposterproject.org/artist/hafez-omar .
[cxx] Human Rights Watch phone interview with Mohammad Omar, July 1, 2019.
[cxxi] »Israeli Court Extends Interrogation of Hafez Omar Palestinian Organiser and Artist,« Addameer press release, March 20, 2019, https://bit.ly/2BPLAvz
[cxxii] »Addameer: The Detention of Activist and Artist Hafez Omar,« Addameer press release, April 2, 2019, https://bit.ly/2JlZ0DQ
[cxxiii] Ibid.
[cxxiv] Indictment on file with Human Rights Watch.
[cxxv] Yaakov Lappin, »Liberman Bans Group ‘Set Up by Hezbollah and Iran to Attack Israelis’,« Jerusalem Post, July 11, 2016, https://www.jpost.com/Arab-Israeli-Conflict/Liberman-bans-group-set-up-by-Hezbollah-and-Iran-to-attack-Israelis-460099
[cxxvi] Harriet Sherwood and Hazem Balousha, »Gaza and West Bank Protests Demand End to Palestinian Divisions,” The Guardian, March 15, 2011, https://www.theguardian.com/world/2011/mar/15/gaza-west-bank-unity-protests
[cxxvii] Human Rights Watch phone interview with Mohammad Omar, July 1, 2019.
[cxxviii] Human Rights Watch phone interview with Palestinian political analyst (name withheld), July 2, 2019.
[cxxix] Human Rights Watch text message correspondence with Mohammad Omar, October 26, 2019.
[cxxx] Administrative detention orders on file with Human Rights Watch.
[cxxxi] »The Second PLC Elections - 2006,« Central Elections Commission - Palestine, February 15, 2006, https://bit.ly/2MIdyQT
[cxxxii] »Ofer military court reverses judge’s decision to release Khalida Jarrar on bail,« Addameer press release, May 28, 2016, http://www.addameer.org/news/ofer-military-court-reverses-judge%E2%80%99s-order-release-khalida-jarrar-bail
[cxxxiii] Human Rights Watch email correspondence with Khalida Jarrar, August 5, 2019.
[cxxxiv] Supervision order on file with Human Rights Watch.
[cxxxv] Human Rights Watch interview with Khalida Jarrar, Ramallah, May 20, 2019.
[cxxxvi] »Ofer military court reverses judge’s decision to release Khalida Jarrar on bail,« Addameer press release, May 28, 2016.
[cxxxvii] Original charge sheet on file with Human Rights Watch.
[cxxxviii] Amended indictment on file with Human Rights Watch.
[cxxxix] Ibid.
[cxl] Sentencing decision on file with Human Rights Watch.
[cxli] »Ofer military court reverses judge’s decision to release Khalida Jarrar on bail,« Addameer press release, May 28, 2016.
[cxlii] Amira Hass, »Jailed Palestinian MP's Trial Demonstrates How Much the Game Is Fixed,” Haaretz, December 8, 2015, https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-palestinian-mp-trail-shows-game-is-fixed-1.5434256 (accessed June 30, 2019); Interview with Sahar Francis, Director of Addameer, Ramallah, May 30, 2019.
[cxliii] Sentencing decision on file with Human Rights Watch.
[cxliv] »LPHR, Addameer and National Lawyers Guild joint statement on the appalling sentencing of leading Palestinian human rights defender, Ms Khalida Jarrar,« Addameer, Lawyers for Palestinian Human Rights (LPHR), National Lawyers Guild (NLG) press release, January 4, 2016, https://bit.ly/32M2xDi (accessed August 3, 2019); Human Rights Watch email correspondence with Sahar Francis, June 20, 2019.
[cxlv] Human Rights Watch phone interview with Khalida Jarrar, August 6, 2019.
[cxlvi] Administrative detention orders on file with Human Rights Watch.
[cxlvii] Human Rights Watch interview with Najwan Odeh, Ramallah, January 29, 2019.
[cxlviii] Ibid.
[cxlix] »Countries We Reach Out To,« Qatar Charity, https://www.qcharity.org/en/qa/qatar-charity-offices (accessed October 26, 2019).
[cl] »List of Declarations and Orders of Terrorist Organizations and Unlawful Associations,« Ministry of Defense, http://www.mod.gov.il/Defence-and-Security/Fighting_terrorism/Pages/default.aspx .
[cli] »Defense Minister signs order banning Hamas-affiliated charitable organizations,” Israel Ministry of Foreign Affairs, July 7, 2008, https://bit.ly/2XanGTT .
[clii] Chaim Levinson, »Israel Blacklists 163 Foreign Charities Suspected of Supporting Terrorism,” Haaretz, January 12, 2011, https://www.haaretz.com/1.5106718
[cliii] Human Rights Watch phone interview with Najwan Odeh, October 13, 2019.
[cliv] Tovah Lazaroff, »Qatar Will Allocate $480 Million to the West Bank, Gaza,« Jerusalem Post, May 8, 2019, https://www.jpost.com/Arab-Israeli-Conflict/gaza-news/Qatar-will-allocate-480-million-for-Palestinians-589015 .
[clv] Human Rights Watch interview with Najwan Odeh, Ramallah, January 29, 2019.
[clvi] Sentencing decision on file with Human Rights Watch.
[clvii] Military Order No. 1651, art. 251.
[clviii] Letter from Israeli army to Human Rights Watch, November 18, 2019.
[clix] Josef Federman, »Israel: Social Media Monitoring Nabs Would-Be Attackers,” Associated Press, June 12, 2018, https://www.apnews.com/c573e9c93d8544209a52baed19be7984
[clx] Human Rights Watch phone interview with Sahar Francis, Director of Addameer, July 3, 2019. Amos Harel, »Israel Arrested 400 Palestinians Suspected of Planning Attacks After Monitoring Social Networks,« Haaretz, April 18, 2017, https://bit.ly/2J5oi9P : finding in the span of just over a year that predictive policing methods led Israeli authorities to arrest more than 400 Palestinians and to turn over a similar number to the Palestinian Authority for arrest; Orr Hirschauge and Hagar Shezaf, »Revealed: How Israel Jails Palestinians Because They Fit the 'Terrorist Profile',« Haaretz, May 31, 2017, https://bit.ly/2Xc1Lfe : finding that between October 2015 and the end of 2016, Israeli military prosecutors brought 160-170 incitement cases concerning social media before military courts.
[clxi] Palestinian Center for Development and Media Freedoms (MADA), 2018 Annual Report, https://bit.ly/2RPH6MP (accessed July 1, 2019).
[clxii] MADA, 2017 Annual Report, https://www.madacenter.org/files/image/editor/annualrepE2017(1).pdf (accessed July 1, 2019).
[clxiii] Orr Hirschauge and Hagar Shezaf, »Revealed: How Israel Jails Palestinians Because They Fit the 'Terrorist Profile',« Haaretz, May 31, 2017, https://bit.ly/37Z2OFG
[clxiv] Human Rights Watch phone interview with legal researcher in Ramallah (name withheld), April 24, 2019; Human Rights Watch phone interview with Gaby Lasky, lawyer, April 29, 2019; Human Rights Watch phone interview with Lea Tsemel, lawyer, May 15, 2019; Human Rights Watch phone interview with Eitay Mack, lawyer, May 16, 2019; Human Rights Watch phone interview with Aram Mahameed, lawyer at Adalah, May 23, 2019.
[clxv] Letter from National Public Complaint Officer and Freedom of Information Officer Assistant, Israel Police, to Human Rights Watch, August 28, 2019.
[clxvi] »Minister of Justice Ayelet Shaked,« Israel Ministry of Foreign Affairs, March 20, 2018, https://bit.ly/2FNr7u0. See also »Social media giants continue to collaborate with Israel's illegal 'Cyber Unit',« Adalah press release, December 19, 2018, https://www.adalah.org/en/content/view/9652; »Israel's 'Cyber Unit' operating illegally to censor social media content,” Adalah press release, September 14, 2017, https://www.adalah.org/en/content/view/9228
[clxvii] Ministry of Justice, Commissioner of Public Information (Freedom of Information), May 31, 2018, https://foi.gov.il/sites/default/files/130-18%20תשובה%20לפרסום.pdf (Hebrew)
[clxviii] Ministry of Justice, Office of the State Attorney, 2018 Annual Report, September 11, 2019, https://bit.ly/384H1Nb
[clxix] »Violence and graphic content,” Facebook Community Standards, https://www.facebook.com/communitystandards/graphic_violence
[clxx] »Dangerous individuals and organisations,” Facebook Community Standards, https://www.facebook.com/communitystandards/dangerous_individuals_organizations
[clxxi] Letter from Facebook to Human Rights Watch, November 6, 2019.
[clxxii] »Foreign Terrorist Organizations – Bureau of Counterterrorism,« U.S. Department of State, https://www.state.gov/foreign-terrorist-organizations/
[clxxiii] »Israel,” Content Restrictions, Facebook Transparency Report, July 2013 – June 2019, https://transparency.facebook.com/content-restrictions/country/IL
[clxxiv] Bill Van Esveld, »Israeli Prosecutors Throw Book at Palestinian Child Protestor,” commentary, Human Rights Dispatch, January 14, 2018, https://www.hrw.org/news/2018/01/14/israeli-prosecutors-throw-book-palestinian-child-protestor. Mohammad was in a coma for four days and underwent two operations to remove bullet fragments lodged in the back of his brain after he was shot at close range by Israeli forces. Tessa Fox, »Shot in the head and arrested, Mohammed Tamimi still in high spirits,« Middle East Eye, February 26, 2018, https://bit.ly/2GMAuKH
[clxxv] Human Rights Watch Interview with Nariman Tamimi, Nabi Saleh, November 7, 2018.
[clxxvi] Ahed was detained in the children’s section of the prison, her lawyer told media. Jaclynn Ashly, »Ahed and Nariman Tamimi’s detentions extended,« Al Jazeera, December 26, 2017, https://bit.ly/31PMMKa
[clxxvii] Jack Khoury and Yaniv Kubovich, »Israeli Army Arrests Palestinian Teenage Girl Who Slapped Soldiers; 'She Should Finish Her Life in Prison',« Haaretz, December 20, 2017, https://www.haaretz.com/israel-news/idf-arrests-palestinian-teen-girl-who-slapped-soldiers-1.5629071
[clxxviii] Lilach Shoval, »Punishment for Assaulting Soldiers: Restrictions on the Family of Ahed Tamimi,« Israel Hayom, January 10, 2018, https://www.israelhayom.co.il/article/527343 (Hebrew)
[clxxix] Human Rights Watch phone interview with Nariman Tamimi, June 24, 2019.
[clxxx] Nariman Tamimi’s Facebook page, https://bit.ly/2XI39dG
[clxxxi] Ibid., https://bit.ly/2pXYoxC
[clxxxii] Charge sheet on file with Human Rights Watch.
[clxxxiii] For more information on Ahed Tamimi’s detention: Bill Van Esveld, »Palestinian Girl’s Detention Raises Rights Concerns,« commentary, Human Rights Dispatch, February 12, 2018, https://www.hrw.org/news/2018/02/12/palestinian-girls-detention-raises-rights-concerns ; Bill Van Esveld, »Israeli Prosecutors Throw Book at Palestinian Child Protestor,” commentary, Human Rights Dispatch, January 14, 2018, https://www.hrw.org/news/2018/01/14/israeli-prosecutors-throw-book-palestinian-child-protestor.
[clxxxiv] Human Rights Watch phone interview with Nariman Tamimi, June 24, 2019.
[clxxxv] Human Rights Watch interview with Alaa al-Rimawi, Ramallah, September 23, 2018.
[clxxxvi] Oren Persico, »Israel arrests six Palestinian journalists for 'incitement',« +972 Magazine, August 6, 2018, https://972mag.com/israel-arrests-six-palestinian-journalists-for-incitement/137093/
[clxxxvii] Judah Ari Gross and Alexander Fulbright, »Israel puts Palestinian TV station on terror blacklist,” The Times of Israel, July 9, 2018, https://www.timesofisrael.com/israel-puts-palestinian-tv-station-on-terror-blacklist-for-hamas-link/
[clxxxviii] Gili Cohen and Jack Khoury, »Israeli Army Raids Multiple Palestinian Media Outlets Across West Bank,« Haaretz, October 18, 2017, https://bit.ly/325WcSW
[clxxxix] »MADA« denounces the banning of »Al-Quds” TV and the persecution of its Staff by Israel,« MADA press release, July 10, 2018, https://www.madacenter.org/en/article/1141/
[cxc] Jack Khoury, »Israel Bans Hamas-affiliated Palestinian TV Channel,” Haaretz, July 9, 2018, https://www.haaretz.com/israel-news/.premium-israel-bans-hamas-affiliated-palestinian-tv-channel-1.6249941
[cxci] Human Rights Watch phone interview with Nasser al-Nubani, January 24, 2019.
[cxcii] Human Rights Watch interview with Alaa al-Rimawi, Ramallah, September 23, 2018.
[cxciii] Linah al-Saafin, »Israel kills Palestinian after month-long manhunt,” Al Jazeera, February 6, 2018, https://www.aljazeera.com/news/2018/02/israel-kills-palestinian-month-long-manhunt-180206091847290.html
[cxciv] »Prisoner’s Club: Israeli court extends detention of four journalists for investigation,” (Arabic), Palestinian News and Information Agency (Wafa), August 2, 2018, http://www.wafa.ps/ar_page.aspx?id=w388Fza826929642297aw388Fz
[cxcv] »[Israeli] Occupation court extends journalist al-Rimawi’s detention and releases four others on conditions,« (Arabic), Wafa, August 9, 2018, http://www.wafa.ps/ar_page.aspx?id=VeV5nta827290356684aVeV5nt
[cxcvi] Military Court of Appeals verdict on file with Human Rights Watch.
[cxcvii] Human Rights Watch phone interview with Alaa al-Rimawi, June 24, 2019.
[cxcviii] Ibid.
[cxcix] Ibid.
[cc] Closure order on file with Human Rights Watch; Military Order No. 1651; Order regarding Closure of Place, August 21, 2017.
[cci] Human Rights Watch phone interview with Ayman al-Qawasme, January 23, 2019.
[ccii] Human Rights Watch interview with Ayman al-Qawasme, Hebron, October 21, 2017.
[cciii] »Watch: The reaction of Mr Ayman al-Qawasme to the closure of Manbar al-Huriyya in Hebron,« (Arabic), video clip, YouTube, August 31, 2017, https://www.youtube.com/watch?v=mvv5iROIF2U
[cciv] Human Rights Watch interview with Ayman al-Qawasme, Hebron, October 21, 2017.
[ccv] Human Rights Watch phone interview with Ayman al-Qawasme, October 21, 2018.