Rest Vorwort

 

Die beiden Haupt-Kriegsgegner des Jemen

Saudi-Arabien will den Jemen kontrollieren. Obwohl geografisch gesehen der Jemen klein ist und zu den ärmsten Ländern der Region gehört, verfügt er über eine Reihe von Bodenschätzen. Außerdem könnte Saudi-Arabien mit einer Pipeline durch den Jemen die Straße von Hormuz vermeiden, und das Öl weiter entfernt von Irans möglichem Zugriff transportieren.

Saudi-Arabien hat seit Jahrzehnten wahhabitische Prediger in das Land geschickt, die aber wenig Erfolg hatten. Insbesondere die Houthis haben mit ihrer moderneren und moderaten Form des schiitischen Islam eine wirksame religiöse Gegenposition aufgebaut, vergleichbar in der Wirkung vielleicht mit der liberalen religiösen Organisation des säkularen Staates in Syrien.

Die zweite offiziell auftretende Kriegspartei sind die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE). Sie wollen den Süden des Jemen kontrollieren, insbesondere den Hafen von Aden, um ihre Expansionspläne zu realisieren. Außerdem würden sie sich gerne die Insel Socotra einverleiben. Socotra gilt als Weltnaturerbe der UNESCO, soll aber nicht unbedeutende Bodenschätze besitzen und ist strategisch vor dem Golf von Aden gelegen.

Beide Länder haben Söldner aus dem Jemen (verschiedene Stämme) und aus dem Ausland beschäftigt, um die Invasion durchzuführen. Saudi-Arabien hat sich außerdem mit der jemenitischen Islah-Partei verbunden, die zur internationalen Moslem-Bruderschaft gehört, auch bekannt durch ihre blutigen Aufstände in Syrien. Die VAE haben sich bei Stämmen im Süden eingekauft, die nach Unabhängigkeit vom Norden streben.

Die USA unterstützen ihre Verbündeten vom Golf und verkauften große Mengen an Waffen im Wert von fast 200 Milliarden Dollar in den letzten 10 Jahren. Die USA haben Interesse daran, dass Al-Kaida im Jemen kleingehalten wird, was sie eigentlich zu natürlichen Verbündeten der Houthis machen würde. Aber Waffenverkäufe sind dann wohl doch wichtiger.

Saudi-Arabien dagegen sieht keinen Grund, Al-Kaida im Jemen zu vernichten. Und die von Saudi-Arabien unterstützte noch „anerkannte Regierung“ des Landes hat enge Verbindungen zu Al-Kaida.

Es ist unmöglich, Al-Kaida im Jemen zu schlagen, weil es eine weitgehende Koordination vor Ort zwischen Al-Kaida und Al-Islah, dem wichtigen Teil der jemenitischen Regierung gibt. (…) Die Verbindungen zwischen Al-Islah und Al-Kaida reichen weit zurück, und ein hochgestellter Führer von Al-Islah, Abdul Majeed al-Zindani spielte eine wichtige Rolle um eine Brücke zwischen den beiden Parteien zu schlagen. Im Jahr 2004 nannte die US-Regierung ihn wegen seiner Verbindungen zum Al-Kaida-Gründer Osama bin Laden einen „Specially Designated Global Terrorist“. Als die Armee des Jemens 2012 kurz davor stand, eine Offensive gegen Al-Kaida in Abyan im südlichem Jemen durchzuführen, rief Al-Zindani dazu auf, davon Abstand zu nehmen. Der Al-Islah Führer ist ein enger Verbündeter von Präsident Hadi[i].

Neben al-Zindani ist auch einer der militärischen Führer der „anerkannten Regierung“, General Ali Mohsen al-Ahmar ein Verbündeter von Al-Kaida.

Mit anderen Worten: Die USA und Großbritannien unterstützen Saudi-Arabien, das wiederum Al-Kaida über die Marionetten-Regierung des Jemen als Werkzeug gegen die Houthis benutzt. Aber Saudi-Arabien nutzt Al-Kaida auch, um den Rivalen im Kampf um Einfluss im Jemen, die VAE, zu schwächen. So wurden die Kräfte der VAE an Stelle der Houthis zu bevorzugten Anschlagszielen von Al-Kaida im Jemen.

Die humanitäre Situation

Die Koalition der angreifenden Länder hat eine Blockade über die von den Houthis gehaltenen Teile des Landes verhängt. Der Jemen verfügt über keine Marine, keine Luftwaffe und keine Luftabwehr. Das Land war und ist der Blockade und den Luftangriffen weitgehend schutzlos ausgeliefert.

Im Juni 2018 führten die VAE eine Boden- und Marineoperation durch, um den Hafen von Hodeidah von den Houthi zu erobern. Der Angriff entlang der südwestlichen Küste hatte die Grenze des Flughafens im Süden der Stadt erreicht, als es den Houthi-Kräften gelang die Versorgungslinien der Angreifer zu unterbrechen. Dann stockte der Vorstoß. Obwohl es angeblich einen Waffenstillstand gab, hatte Saudi-Arabien Luftangriffe gegen Hodeidah geflogen. Nach den letzten Luftschlägen warnte die UNO vor einer humanitären Katastrophe.

„Am 26., 27. und 28. Juli fanden Luftschläge in der Nähe eines Zentrums für reproduktive Gesundheit und einem öffentlichen Labor in Hodeidah statt und trafen und zerstörten eine Abwasser-Aufbereitung in Zabid und eine Trinkwasseranlage, die den größten Teil des Trinkwassers für Hodeidah City bereitstellt. (…) ‚Cholera ist bereits quer durch die Stadt und das Gouvernement verbreitet. Die Zerstörung der Abwasseranlagen, der Wasser- und Krankenversorgung stellt alles in Frage, was wir versuchen zu unternehmen‘, sagte Frau Grand (Anmerkung des Übersetzers: Humanitäre Koordinator der UNO für den Jemen). ‚Wir könnten nur noch einen Luftangriff entfernt von einer nicht mehr aufzuhaltenden Epidemie stehen‘“ [ii].

Leider ist aber die Bombardierung der zivilen Infrastruktur kein Versehen. Es ist die Taktik der Angreifer, die Bevölkerung zu zermürben. Am 2. August wurde ein Doppelschlag gegen die Bevölkerung in Hodeidah geführt. An den Fischerei-Docks des Hafens wurden 70 Fischer, Händler und Kunden getötet und 150 verwundet. Wobei viele der Verwundeten wegen Fehlens von medizinischen Mitteln oder Geld, um geschmuggelte Arzneimittel zu erhalten, noch sterben werden.

US-Medien machen, ähnlich wie in Syrien, die Houthis für den Schlag verantwortlich. Tatsächlich weisen die Bilder und Beschreibungen sowie Videos darauf hin, dass es sich um einen Angriff mit britischen Mörsern handelte, die aus südlicher Richtung abgefeuert worden waren. Dort befindet sich, in Reichweite der Mörsereinschläge, die Front mit den angreifenden VAE-Kräften. Der zweite Schlag war ein Luftangriff gegen das größte Krankenhaus in Hodeidah, über den ich bereits im ersten Teil des Artikels berichtete.

Iona Craig, eine der sehr wenigen westlichen Reporter im Jemen, wurde ein Geheimdienstbericht zugespielt, der eine typische nächtliche Bombardierung von einigen Zelten in der Wüste beschrieb.

„Ohne von den Maswadahs bemerkt zu werden, kreiste eine Drohne der königlich saudischen Luftwaffe 45 Minuten über ihren Behausungen am Rande einer weiten Ebene, die von Bergen umgeben ist. Saudische Offiziere waren 550 Meilen entfernt im Dienst und sahen die Zelte der Familie, mit zwei ‘‚heißen Punkten‘, sehr wahrscheinlich menschliche Körperwärme, auf ihren Schirmen. (…) Sahen ‚weder PKW, noch hatten sie Geheimdienstinformationen über den Ort‘ führt der Bericht aus. (…) Um 21:25 Uhr gab der nicht persönlich anwesende General den Befehl die Zelte zu bombardieren“ [iii].

Die Familie im Zelt, darunter neun Kinder, hatte Glück. Die Bombe traf die Rückseite des kleinen Hügels, neben dem ihr Zelt stand. Die britische Regierung gab zu, dass Offiziere der Regierung den Prozess der Zielerfassung der saudischen Kräfte überwachen. Offiziere der USA sind ebenfalls in den Operationszentren der Saudis, und sind mindestens über die Luftschläge informiert. Ganz offensichtlich unternehmen sie nichts gegen diese willkürlichen und gegen zivile Ziele gerichteten Angriffe.

Die Internationalisierung des Krieges

Wie bereits im ersten Teil des Artikels beschrieben, versuchte Saudi-Arabien den tatsächlichen oder angeblichen Raketenangriff gegen ein saudisches Schiff zu nutzen, um den Konflikt zu internationalisieren. Offensichtlich hat die angreifende Koalition nicht genügend Ressourcen, um die Barfußkrieger der Houthis zu besiegen und versucht, stärkere Unterstützung, insbesondere durch die schon involvierten Länder Großbritannien und USA, zu erreichen.

Und so hatte dann die britische Regierung bereits 20 Soldaten einer Spezialeinheit an einen nicht genannten Hafen am Roten Meer geschickt und eine Fregatte in die Region entsandt. Israel hatte ebenfalls seine Bereitschaft zum Eingreifen erklärt, und US-Spezialeinheiten sind bereits im Grenzgebiet zwischen Saudi-Arabien und dem Jemen im Einsatz, um Raketenstellungen der Houthis ausfindig zu machen und zu zerstören.

Die Behauptung von Saudi-Arabien und den USA, dass der Iran in den Krieg verwickelt ist und ballistische Raketen durch Hodeidah zu den Houthis schmuggelt, war vollkommen haltlos. Alle etwas größeren Schiffe, die Hodeidah anlaufen, wurden gekapert und untersucht. Die Houthi erhalten vielleicht geringe Mengen aus dem Oman durch die saudischen Linien, aber das können keine großen Mengen sein.

Die wichtigsten Quellen für Waffen und Munition waren ursprünglich die Lager der Armee, die mit US-Waffen gefüllt waren. Danach kommt die Versorgung durch Eroberungen von saudischen Versorgungstransporten, oder es handelt sich einfach um Einkäufe von Saudis Stellvertretern im Krieg.

Hodeidah ist für Schmuggel denkbar ungeeignet und wird daher auch nicht dafür genutzt. Aber der Hafen ist die Lebensader für Jemens belagertes nördliches Hochland. Mehr als 10 Millionen Menschen hängen von Nahrungsmitteln ab, die über den Hafen ins Land kommen. Wenn die Houthis die Kontrolle darüber verlieren oder wenn der Hafen durch die Angriffe der Koalition zerstört wird, muss die zu den Houthis loyale Bevölkerung verhungern und der Krieg ist für den Jemen verloren.

Der Plan hinter der Taktik von Saudi-Arabien, Hodeidahs Wasserversorgung und seine Märkte zu bombardieren, zielte vermutlich auf eine Vertreibung der Zivilbevölkerung aus der Stadt ab, um einen Angriff oder die Zerstörung leichter zu machen. Hodeidah war die Schlagader des Widerstandes im Jemen.

Die USA und auch Deutschland wissen das. Wenn sie der saudischen Koalition erlauben, den Hafen zu erobern oder zu zerstören, machen sich diese Länder mitschuldig an dem Genozid, der folgen wird. Und so versuchte die Bundesregierung solche Informationen so lange wie möglich unter der Decke zu halten. Es wurden viel zu geringe Opferzahlen genannt, die viele Jahre nicht erhöht wurden, und alles versucht, um die Verbrechen des Angriffskrieges nicht als solche erscheinen zu lassen.

Invasoren kooperierten mit Al-Kaida

Die Associated Press (AP) meldete, dass US-Verbündete mit Al-Kaida einen Handel eingingen. Sie warben Kämpfer für den Krieg gegen den Jemen ab und zahlten dafür, dass Al-Kaida ihnen aus dem Weg ging, oder Aufträge für sie ausführte.

„Eine Militärkoalition, angeführt von Saudi-Arabien und unterstützt durch die Vereinigten Staaten, hat geheime Abmachungen mit Al-Kaida-Kämpfern getroffen, bezahlte einige, damit sie Schlüsselstädte und Zentren verließen, die die Militanten überall in Jemen übernommen hatten, ließ andere mit ihren Waffen, Ausrüstung und Bündeln von gestohlenem Geld abziehen, wie eine Nachforschung von Associated Press ergab. Hunderte andere Kämpfer wurden für die Koalition angeworben“ [iv].

Damit wurde nicht nur bestätigt, was weiter oben bereits über die Zusammenarbeit der alten Regierung, die wieder ins Amt gebracht werden sollte, und Al-Kaida gesagt wurde. Sondern auch, dass die Schutzmacht Saudi-Arabien und mit ihr die eng in den Krieg verwobenen USA dies nicht nur tolerierten, sondern sogar diese Politik weiter verfolgen.

Der Bericht von AP beschreibt, wie auch die USA Drohnenangriffe unterließ, wenn sie den Verhandlungen im Weg war, und erklärt, dass Beweise vorlägen, dass auch USA-Geld an Al-Kaida Militante ging. Die Erklärung lautet insgeheim, dass es wichtiger sei den Einfluss des Irans zu begrenzen, als Terroristen von Al-Kaida zu bekämpfen.

Auch Terroristen, die auf der US-Terrorliste standen, erhielten Gehalt von den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Ein Warlord, Adnan Rouzek, dem 12 Millionen Dollar von Jemens früherem Marionetten-Präsidenten für seine Kriegsbeteiligung gegen Jemens Unabhängigkeitsbewegung gezahlt wurde, hatte als engsten Berater eine bekannte Al-Kaida-Persönlichkeit.

Und, so könnte man zynisch sagen, damit die neuen Freiheitskämpfer auch ordentlich ausgerüstet werden können, genehmigt die Bundesregierung auch im Juli 2018 wieder Waffenexporte an Saudi-Arabien in Milliardenhöhe.

„Die Bundesregierung hat in ihrer letzten Sitzung des Bundessicherheitsrats (BSR) weitere millionenschwere Rüstungsdeals mit Saudi-Arabien und Ägypten genehmigt. Dies geht aus einer Liste hervor, die das Wirtschaftsministerium am Donnerstag dem Bundestag überreichte“ [v].



[i] Muthana, Ahmed (2018) Pushing Al-Qaeda out of Yemen Impossible Due to Its Ties with Government, 2. August, online: https://theglobepost.com/2018/08/02/al-qaeda-yemen-al-islah/

[ii] Reliefweb (2018) Civilians at extreme risk from airstrikes in Hodeidah (…), 29. Juli, online: https://reliefweb.int/report/yemen/civilians-extreme-risk-airstrikes-hodeidah-enar

[iii] Craig, Iona und Almosawa, Shuaib (2018) U.S.-Backed Saudi Airstrike on Family With Nine Children Shows “Clear Violations” of the Laws of War, 2. August, online: https://theintercept.com/2018/08/02/saudi-airstrikes-yemen-war-laws/

[iv] Michael, Maggie; Wilson, Trish und Keath, Lee (2018) Yemen: US allies strike deals with al-Qaida in war on rebels, 6. August, online: https://apnews.com/8863660ca8684d5ca51ff58edd95b6de

[v] Gebauer, Matthias (2018) Bundesregierung genehmigt milliardenschwere Rüstungsdeals, 13. Juli, online: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/saudi-arabien-bundesregierung-genehmigt-neue-ruestungsdeals-a-1157567.html