Epilog

 

Epilog

Als Epilog soll der Artikel eines US-amerikanischen konservativen Journalisten und Kommentators dienen, der leider viel zu früh, im Jahr 2019 verstarb, und die folgenden Zeilen fast unmittelbar nach Kriegsbeginn verfasste. Der Artikel demonstriert die Sichtweise eines konservativen US-Bürgers, der aber zutiefst an Frieden statt an einen permanenten Krieg glaubt. Er ist der Beweis, dass Kommunisten und Konservative durchaus eine ähnliche Meinung vertreten können, ohne "Querfront" zu sein, und die Macht diktatorisch ergreifen zu wollen.

Der folgende Artikel ist eine Übersetzung des fast gleichnamigen Beitrags von Justin Raimondo in www.antiwar.com vom 27. März 2015. [i] [Bemerkungen in eckigen Klammern und Überschriften hinzugefügt.]

    Die von den USA unterstützte Aggression Saudi-Arabiens, gegen die Souveränität des Jemen, ist ein Schulbuchbeispiel wie lokale Konflikte internationalisiert werden - und zu der Lunte für regionale Konflikte und sogar globale Auseinandersetzungen werden.

DIE GESCHICHTE

    Wie Libyen, ist der Jemen ein weiterer Staat des Mittleren Ostens, der in Wirklichkeit gar nicht existiert. Er besteht aus eigentlich mindestens zwei Staaten, vielleicht sogar drei: den südlichen Provinzen, die in erster Linie sunnitisch besiedelt sind, den nördlichen Stämmen, die sich zum größten Teil zur zaidischen Form des schiitischen Islam bekennen, und dem Gebiet, rund um Sanaa, der Hauptstadt, in der sich alle kulturellen, politischen und religiösen Fraktionen treffen.

    Die Nord-Süd-Teilung geht zurück auf die britische Kolonisierung im 19. Jahrhundert, als im Jahr 1839 die Briten den Hafen von Aden besetzten, und die Stadt zu einer Untereinheit des Indischen Vizekönigs machten. Aden wurde nach der Eröffnung des Suez-Kanals ein wichtiges Handelszentrum, und die Briten drangen von hier aus vor, erweiterten ihren Einfluss in ein Gebiet, dessen Herrschaft sich bis dahin fortwährend das Osmanischen Großreich und lokale Imams geteilt hatten, darunter auch die unverwechselbaren Zaidis im Norden. Im Jahr 1911 erhoben sich die Zaidis gegen die Briten und ihre örtlichen Kollaborateure, zerstörten die Nord-Süd-Teilung, die durch das Außenministerium Großbritanniens verhandelt worden war, und etablierten das Mutawakkilite Königreich des Jemen unter dem Imam Yahya. Yahyas Traum war es, die alte Qasamid Dynastie wieder aufleben zu lassen, die im siebzehnten Jahrhundert gegründet worden war. Ein "Groß-Jemen" das sich bis in das Gebiet erstreckt, das heute von Saudi-Arabien beansprucht wird, und im Süden den Bereich des kompletten heutigen modernen Jemens umfasst.

    In den 1960er Jahren entwickelte sich die anti-koloniale Bewegung in der arabischen Welt, eine von Nasser geprägte Form des Sozialismus. Das manifestierte sich im Jemen in einem Coup gegen den König durch Offiziere. Nach einem Bürgerkrieg mit drei beteiligten Parteien, in dem Monarchisten gegen Republikaner und Ultra-Linke kämpften, gründeten sie die Demokratische Republik Jemen (PDRY) im Süden, die dadurch de facto ein Teil des Sowjetischen Einflussbereichs wurde. Im Norden entstand die Arabische Republik Jemen.

    Die beiden jemenitischen Länder lagen in ständigem Streit - aber auch anhaltende interne Konflikte waren zu verzeichnen. Was die religiösen, ideologischen und historischen Unterschiede reflektierte, die das Land seit Jahrhunderten heimgesucht hatten. Im Jahr 1990 jedoch, nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion, als keine sowjetische Unterstützung mehr verfügbar war, vereinbarten beide Länder eine Vereinigung. Jedoch war der Zusammenschluss von Anfang an sehr verletzlich, und alte Unterschiede machten sich schnell bemerkbar.

    Im Süden bildete sich eine sezessionistische Bewegung, ebenso wie bei den Zaidis im Norden (auch wenn diese sagten, sie wünschten lediglich Autonomie), und um das Ganze zu komplizieren, drang auch noch al-Qaida in diese chaotische Gemengelage ein. Dies verschaffte der Zentralregierung in Sanaa die perfekte Ausrede, Intervention von außen, zur Unterstützung der eigenen Interessen, anzufordern.

US-BERATER

    Als die ersten US-Helfer und "Berater" in den Jemen strömten, nutzte dies die Zentralregierung, um ihre de facto Diktatur zu zementieren. Die Regierungstruppen ignorierten weitgehend Al-Kaida, das sehr geringe Unterstützung [außerhalb ihrer Hauptgebiete] hatte, und keine wirkliche Bedrohung für die Autorität der Zentralregierung darstellte. Daher konzentrierte diese sich auf die Zerschlagung der südlichen Unabhängigkeitsbewegungen und ganz besonders auf die Aufständischen Houthi im Norden. Letztere - die jetzt große Teile des Landes unter ihrer Kontrolle haben, und den "Präsidenten" zwangen zu fliehen - haben ihre Wurzeln in der "Gläubigen Jugend" die versuchte, die zaidische Form der schiitischen religiösen Traditionen wiederzubeleben, um den Priestern des sunnitischen Fundamentalismus - den Vorläufern von Al-Kaida - etwas entgegen zu setzen.  Was ihnen mit einigem Erfolg im Norden des Landes gelang. Die Houthi-Aufständischen widerstanden sowohl den Anstrengungen der Zentralregierung, als auch dem Versuch Saudi-Arabiens, sie zu unterdrücken. Allerdings erlitten sie dabei große Verluste. Tausende von Zivilisten wurden bei dem Konflikt getötet, hunderttausende Menschen mussten flüchten.

DER IRAN

    Trotz der Behauptung, bzw. den von US-Medien verbreiteten Meldungen, dass der derzeitige Konflikt einer zwischen Saudi-Arabien und vom Iran unterstützten Rebellen sei, ist ein Beweis für die Teheran - Houthi Verbindung nicht zu finden, einfach nicht existent. Es gibt keinerlei Beweis dafür, dass der Iran, außer politischer Rhetorik, die Bewegung unterstützte. Wie Christopher Boucek und Marina Ottoway in ihrem Buch "Yemen on the Brink" berichten "haben einige jemenitische Offizielle zugegeben, dass solche Annahmen unbegründet sind".

    Unterschiedliche Doktrinen hinsichtlich der zaidischen Form des schiitischen Islam und dem Islam der Iraner, in Bezug auf wichtige theologische Fragen, schlossen für Teheran aus, irgendeine substantielle Unterstützung für die Houthi Aufständischen zu leisten, außer Worte. Neokonservative Experten, die auf den Erfolg der Houthis mit einer Warnmeldung, ähnlich der vor al-Qaida reagierten, indem sie die Houthis als "Takfiris" Abtrünnige/Terroristen, bezeichneten, zeugen von übertriebener, hysterischer Ausdrucksweise. Die Houthis auf ihrer Seite, haben niemals Amerikaner oder amerikanische Interessen im Jemen angegriffen, wie in einer Serie geheimer Mitteilungen, der nicht mehr existenten Botschaft, bestätigt wurde.

US- (UND DEUTSCHE) POLITIK

    All das unterstreicht die derzeitige Ahnungslosigkeit der US-Politiker hinsichtlich dieser Region. Die Neocons schreien, dass US-Luftschläge in Tikrit den durch den Iran geführten schiitischen Milizen helfen würden, ISIS zu schlagen, während im Jemen die Saudis gegen die offensichtlich derzeit nicht vom Iran unterstützten Houthis bombardieren lassen. Es ist richtig, auf den offensichtlichen Widerspruch hinzuweisen, aber falsch, die vorgeschlagene Lösung anzunehmen - nämlich die saudische Karte zu spielen und in Opposition zum Iran zu gehen. Oder genauer gesagt, in Opposition zu den Schiiten zu gehen. Und das bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Anscheinend gerieten die Aufrufe, ISIS zu schlagen, in Vergessenheit.

DIE FOLGEN DES IRAKKRIEGS

    Wie die meisten Probleme der Region, gehen auch diese im Jemen, auf den Irak-Krieg zurück. Dieser Krieg übergab den Iranern anschließend praktisch den Schlüssel zum Irak. Obwohl der ursprüngliche Plan der Neocons war, ihren Favoriten, Ahmed Chalabi und seine Gang, als "demokratisch gewählte" Herrscher des Landes einzusetzen, liefen die Dinge anders. Und wie sich herausstellte, war Chalabi außerdem noch mit Teheran verbandelt. Stattdessen drohte der Ayatollah Sistani, Chef der größten schiitischen Sekte im Irak, einen allgemeinen Aufstand auszulösen, falls keine direkten und freien Wahlen stattfinden sollten. Die schiitische Partei gewann diese und folgende Wahlen, und heute ist der Irak ein Verbündeter des Iran. Deshalb mussten also tausende amerikanischer Soldaten und hunderttausende Iraker sterben, um den Irak zu einer schiitischen Theokratie zu machen.

    Jetzt, da der Irak im iranischen Lager angekommen ist, war es nur natürlich, dass sie sich ihren schiitischen Verbündeten zuwenden würden, als ISIS Bagdad bedrohte. Dies verärgerte die Neocons, die, indem sie ihre eigene Rolle in der Handhabung der Beziehung zwischen Irak und Iran vergaßen, jetzt Teheran als Feind ansehen. Die Iraner kümmern sich für uns [USA] um ISIS, bevor es überhaupt US "Stiefel auf dem Boden des Irak" gibt, sehr zur Enttäuschung von John McCain und Lindsey Graham. Für sie gilt nichts als Krieg, solange kein amerikanisches Blut fließt.

    Die gleiche Ironie kann man im Jemen beobachten. Dort sind die schiitischen Houthis äußerst feindlich gegenüber al-Qaida eingestellt, und eigentlich die einzige Macht, die in der Lage wäre, sie zu besiegen, und damit auszulöschen. Aber das würde wiederum einer Saudisch-Amerikanischen Intervention vorgreifen, und das können wir nicht zulassen.

    Was im Jemen passiert, das ist ein lokales Problem, das streng beschränkt ist, und verursacht wurde durch die lange und chaotische Geschichte des furchtbar armen Landes. Ausländische Interventionen, ob von den Briten, den Saudis, Al-Kaida oder von wem auch immer, führen lediglich zu endlosen Kriegen, und haben noch nie die Lebensbedingungen der Menschen auch nur ein winziges bisschen verbessert. Nun nutzen die Amerikaner ihren "Krieg gegen den Terror", um ihren Willen durchzusetzen und die jemenitische Politik zu bestimmen, obwohl sie überhaupt keine Ahnung haben, um was es geht, oder um was es gehen sollte. Washington und Riad internationalisieren einen Konflikt, der originär jemenitisch ist, und der nur durch die Jemeniten selbst gelöst werden kann.

DIE ABSURDITÄT DER SITUATION

    Wie ich bei vielen Gelegenheiten geschrieben habe, war das Spielen der sunnitischen Karte der USA in Syrien und im Irak stets ein Desaster, und das auf so vielen Ebenen, dass man sie kaum noch zählen kann. Im Irak führte es direkt zu ISIS, dem mutanten Nachkommen des so genannten "Arabischen Frühlings". In Syrien, wo die USA "moderate" Dschihadisten unterstützten, liefen diese in Massen zu Feinden der USA über, was zu einer Erstarkung von ISIS und al Nusra führte. Und nun im Jemen versucht man die Zerschlagung der Houthis, eines Volkes, das schon lange und tapfer unter Verfolgung leidet, und nun bedroht wird durch eine Allianz von 10 diktatorischen Staaten unter der Führung von Saudi-Arabien. Um vollkommene Verrücktheit der Dummheit hinzu zu fügen: Die Anti-Houthi und pro Saudi-Orientierung der Politik wirkt vollkommen gegen unsere [USA] Interessen. Denn die sollen ja [angeblich] aus der Eliminierung von al-Qaida bestehen. Aber hier, bei dieser Gelegenheit, finden wir uns auf der Seite von al-Qaida wieder. Wem mag das sinnvoll erscheinen, außer Bibi Netanyahu?

    Jedes Mal, wenn wir da intervenieren wo es uns nichts angeht, trifft uns der Rückschlag voll ins Gesicht. Und er vermittelt uns eine neue Ausrede, für noch mehr Interventionen. Es ist ein endloser Kreislauf, einer, der niemals enden wird, bis wir eines Tages diesen Dämon in uns, diese Besessenheit, ein Imperium sein zu wollen, was uns so viel kostet, besiegen werden.