Das Befreiungsmassaker

 

Das Befreiungsmassaker

Passend zur Analyse von Amira Hass geschah dann etwas, welches sowohl den Zweck der so genannten „humanitären Pier“ entlarvte, welche die USA gebaut hatten, als auch die Absichten der israelischen Führung.

Zunächst sollte man wissen, dass die Hamas bereits 41 Geiseln nach Verhandlungen, die auf Druck der öffentlichen Meinung in Israel zustande gekommen waren, frei gelassen hatte. D.h. Verhandlungen führten immer zur Freilassung von Geiseln, welche durch die Hamas wie „rohe Eier“ behandelt worden waren. Wir erinnern uns an Aussagen, dass die Hamaskämpfer, wie Geiseln berichteten, sie mit ihren Körpern gegen Schüsse der IDF gedeckt hatten. Während Gefangene der IDF misshandelt, erniedrigt[1], gefoltert werden, und einige unter der Folter starben. Wenn sie entlassen wurden, litten sie unter deutlichen Zeichen von Folter. Dazu gehörten nicht nur Amputationen wegen zu eng angezogener Handfesseln, sondern auch Zeichen von Schlägen. Manche Foltermethoden, die berichtet wurden sind so unmenschlich, dass man sie nicht erwähnen möchte. Aber zurück zu der Aktion, die von der Zeitung Haaretz am 9.6. in einer Info-Mail wie folgt zusammengefasst wurde:

„Israelische Geiseln, die bei der Operation am Samstag gerettet wurden, berichten ihren Angehörigen von ihrer Gefangenschaft. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums in Gaza wurden bei israelischen Angriffen auf das Flüchtlingslager Nuseirat am Samstag mindestens 274 Palästinenser getötet und 698 verwundet. Die israelische Polizei nahm am Samstagabend bei Protesten in Tel Aviv 33 Personen fest, darunter einen Arzt, der bei der Behandlung eines verletzten Demonstranten gewaltsam festgehalten wurde. Die Hisbollah erklärte, sie habe zum ersten Mal eine Salve von Falaq-2-Raketen auf Israel abgefeuert.“[2]

Die Opferzahlen mussten später noch erhöht werden. Bei dem Angriff der IDF unter offensichtlicher Beteiligung von US-Kräften[3], wurden ein Hilfstransporter und die „humanitäre Pier“ der USA missbraucht, um unbemerkt in das Flüchtlingslager einzudringen. Bei dem dann folgenden Massaker von ca. 300 Palästinensern wurden nach verschiedenen Berichten auch der Leiter der Aktion und drei andere Geisel in dem entstehenden Chaos getötet.

Die vier befreiten Geiseln befanden sich Haaretz zufolge in gutem Zustand und „guter Stimmung“. Was sich aber bald für zumindest eine der frei gekommenen Geiseln ändern sollte. Als diese nämlich öffentlich berichtete, wie fürsorglich und zuvorkommend man die Geiseln behandelt hatte, musste sie wüste Beschimpfungen bis Morddrohungen ertragen[4]. Nach einer offensichtlichen Gehirnwäsche gab es dann ein Interview, in dem sie den Horrer erklärte[5]. Dabei kursierten sogar Fotos im Internet von einer Geisel, welche einen Geburtstagskuchen erhielt. Wie es dagegen Gefangenen der IDF, wenn sie überlebten und entlassen wurden, erging, zeigen Fotos und Videos, welche nicht nur Ernährungsmängel, sondern klare Zeichen von Folter aufweisen[6].

Die Spezialberichterstatterin der UN, Francesca Albanese schrieb in einem Tweet über den Vorgang:

„Erleichtert darüber, dass vier Geiseln freigelassen worden sind. Dies hätte nicht auf Kosten von mindestens 200 Palästinensern, darunter Kinder, geschehen dürfen, die von Israel und angeblich ausländischen Soldaten getötet und über 400 verletzt wurden, während sie sich auf perfide Weise in einem Hilfstransporter versteckten. Dies ist „humanitäre Tarnung“ auf einer anderen Ebene.

Israel hat Geiseln benutzt, um das Töten, Verletzen, Verstümmeln, Aushungern und Traumatisieren von Palästinensern in Gaza zu legitimieren. Und gleichzeitig hat es die Gewalt gegen Palästinenser in den übrigen besetzten Gebieten und in Israel verschärft. Israel hätte schon vor 8 Monaten, als der erste Waffenstillstand und Geiselaustausch auf dem Tisch lag, alle Geiseln frei bekommen können, lebend und unversehrt. Doch Israel weigerte sich, um den Gazastreifen und die Palästinenser als Volk weiter zu zerstören. Dies ist die Umsetzung einer völkermörderischen Absicht in die Tat. Glasklar.“[7]

Während der Aktion wurde auch wieder ein Beispiel für jahrzehntelang eingeübte Kriegsverbrechen Israels gezeigt: Das Benutzen von „Uniformen“ des Gegners, hier die Kleidung arabischer Widerstandskämpfer, um ihn zu überrumpeln. Aber im Kriegsrecht ist es verboten, sich mit Uniformen des Gegners zu bekleiden, um einen Überraschungsangriff durchzuführen oder die Identität des Gegners zu missbrauchen. Das ist ein klarer Fall von Perfidie, bei dem man verspricht, sich fair zu verhalten (z.B. durch das Tragen einer bestimmten Uniform), um dann diese Versprechen zu brechen und den Gegner zu überfallen. Perfidie ist ein Verstoß gegen die Kriegsgesetze und somit ein Kriegsverbrechen, da sie die Schutzmechanismen und gegenseitigen Einschränkungen untergräbt, die im Interesse aller Parteien, sowohl Kombattanten als auch Zivilisten, entwickelt wurden. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, wenn es um List oder Täuschung geht. Für List ist es zulässig, den Feind mit Tarnung, Scheinwerfer, Attrappen, Lockvögel, Scheinangriffen und -rückzügen, Hinterhalten, falschen Nachrichten oder elektronischen Täuschungsmanövern zu überrumpeln. Aber das Tragen der Uniform des Gegners um ihn anzugreifen ist verboten.

Am 14. Juni berichtet Alarabiya[8], dass die US-Regierung nun angeblich die schwimmende Pier, welche für humanitäre Lieferungen genutzt werden sollte, wieder abbauen werde, nachdem es, wie böse Zungen behaupten, für die Befreiung der israelischen Geiseln und einem Massaker unter den Palästinensern gute Dienste geleistet hatte. Die US-Steuerzahler werden sich aber vermutlich fragen, warum man 300 Millionen Steuergelder wortwörtlich in den Sand gesetzt hat, obwohl man lediglich einen Zaun hätte öffnen müssen, um „humanitäre Lieferungen" in den Gaza-Streifen zu bringen.

Die UN0

Am gleichen Tag erklärt eine UN-Organisation, das United Nations Human Rights Office of the High Commissioner die im Westen als „heldenhafte Befreiungsorganisation“ genannte Tat: „UN-Experten verurteilen unerhörte Missachtung palästinensischer Zivilisten während Israels Militäroperation in Nuseirat“.

„UN-Menschenrechtsexperten haben heute das x-te Massaker der israelischen Streitkräfte in Gaza während einer Geiselbefreiungsaktion im Flüchtlingslager Nuseirat aufs Schärfste verurteilt. Dabei wurden mindestens 274 Palästinenser getötet, darunter 64 Kinder und 57 Frauen, und fast 700 verletzt.

Am 8. Juni drangen israelische Besatzungstruppen – angeblich mit Unterstützung ausländischer Soldaten – als Vertriebene und Hilfskräfte verkleidet in einem humanitären Lastwagen in Nuseirat ein. Sie überfielen das Gebiet gewaltsam und griffen die Bewohner mit heftigen Boden- und Luftangriffen an, die Terror, Tod und Verzweiflung verbreiteten.

„Laut Überlebenden waren die Straßen von Nuseirat voller Leichen von Toten und Verletzten, darunter Kinder und Frauen, die in Blutlachen lagen. Wände waren mit Leichenteilen bedeckt, die durch mehrere Explosionen und bombardierte Häuser verstreut waren“, sagten die Experten.

Da das Gesundheitswesen in Gaza dezimiert war, mussten die in Krankenhäuser gebrachten Verletzten auf dem Boden auf medizinische Behandlung warten, sagten sie.

„Wir sind zwar erleichtert über die sichere Rückkehr von vier israelischen Geiseln, die vor acht Monaten von bewaffneten palästinensischen Gruppen gefangen genommen wurden, doch Israels Angriff auf das Lager Nuseirat ist in seiner exzessiven Gewalt und verheerenden Wirkung abscheulich“, sagten die Experten.

Sie verurteilten insbesondere die israelischen Streitkräfte dafür, dass sie sich heimtückisch in einem Lastwagen für humanitäre Hilfe versteckten, der von dem von den USA gebauten Pier kam, der die humanitäre Hilfe erleichtern sollte. „Sich als Zivilist zu verkleiden, um eine militärische Operation durchzuführen, ist Niedertracht, die nach dem humanitären Völkerrecht streng verboten ist und einem Kriegsverbrechen gleichkommt“, sagten die Experten.

„Diese Taktiken gefährden die Hilfskräfte und die Lieferung dringend benötigter humanitärer Hilfe noch mehr und enthüllen ein beispielloses Maß an Grausamkeit bei israelischen Militäraktionen“, sagten sie.

Das Welternährungsprogramm hat bereits angekündigt, aus „Sicherheitsbedenken“ seine Operationen vom Pier aus einzustellen.

„Die dramatisch hohe Zahl der Todesopfer unter den von der Rettungsaktion betroffenen Palästinensern bestätigt Israels eklatante Missachtung des palästinensischen Lebens“, sagten die Experten. „Nach internationalem Recht muss jedes zivile Leben gleich geschätzt und geschützt werden, und kein Leben ist mehr wert als ein anderes.“

Die Experten stellten fest, dass Israel vor acht Monaten, als das erste Waffenstillstandsabkommen vorgelegt wurde, die Möglichkeit hatte, die Geiseln ohne weiteres Blutvergießen freizulassen. Stattdessen hat Israel Waffenstillstandsvorschläge systematisch abgelehnt und es vorgezogen, seinen Angriff auf Gaza fortzusetzen, der sogar das Leben israelischer Geiseln kostete. Die ganze Zeit über hat Israel behauptet, militärische Operationen durchzuführen, um sie zu retten“, sagten sie. „Die Verwendung des Vorwands der Geiselrettung als Rechtfertigung für exzessiven Gewalteinsatz entlarvt Israels kriminelle Handlungen, auch durch humanitäre Tarnung, und zeigt uns, dass sie ein ganz neues Niveau erreicht haben“, sagten die Experten.

„Die Militäroperation in Nuseirat ist eine der abscheulichsten Taten in Israels zerstörerischem Angriff auf das palästinensische Volk seit dem 7. Oktober, bei dem über 36.000 Palästinenser getötet, über 80.000 verletzt und 2 Millionen Menschen in Gaza vertrieben und verhungert wurden, während die Gewalt gegen Palästinenser im Westjordanland und in Ostjerusalem unvermindert weitergeht“, sagten sie.

Die Experten stellten fest, dass die Resolution 2735 des UN-Sicherheitsrats ein Ausweg aus dem Schrecken sei, und wiederholten ihre Forderung nach einem Waffenembargo gegen Israel, um die Gewalt gegen Palästinenser durch israelische Streitkräfte und Siedler zu beenden.

„Obwohl die Stunde bereits vorgerückt ist, hoffen wir, dass diese Resolution den Weg für einen dauerhaften Frieden für das palästinensische Volk und die Freiheit der von palästinensischen bewaffneten Gruppen festgehaltenen Geiseln und der Tausenden von palästinensischen Geiseln ebnet, die von Israel willkürlich festgehalten werden“, sagten sie.[9]



[6]https://x.com/ShaykhSulaiman/status/1799487429222502716 und hier: Israelische Gefangene lassen 50 palästinensische Geiseln in schlechtem Gesundheitszustand in den Gazastreifen frei - eindeutige Beweise für Folter, Hunger und menschliche Misshandlungen sind weit verbreitet: https://x.com/swilkinsonbc/status/1800833851935334564