Die Angst vor einem großen Krieg

 

Die Angst vor einem großen Krieg

Man musste sich im Februar 2024 fragen, warum der Internationale Strafgerichtshof zwar einen Haftbefehl gegen Putin ausgestellt hatte, aber auch Monate nach den unvorstellbaren Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Gaza durch Israel, keinen gegen Netanjahu. Warum hörte man wenig vom IStGH zu Gaza?

Dass der IStGH längst den Ruf hat, ein Gericht zu sein, das die Feinde des Westens aburteilen soll, um die Kriege der NATO-Länder zu rechtfertigen, dürfte bekannt sein. Aber wenige kennen die Hintergründe. Und da kommt ein Artikel von Tom Coburg gerade recht, der fragt, ob der Chefankläger des IStGH evtl. kompromittiert sein könnte[1].

Er schrieb Ende Februar, dass, nachdem der Internationale Gerichtshof entschieden hatte, dass „glaubhaft“ ist, dass Israel zum Völkermord in Gaza aufruft, es zu erwarten gewesen wäre, dass der Internationale Strafgerichtshof die strafrechtliche Verfolgung der verantwortlichen Personen beschleunigen wird. Schließlich wurden Israels Kriegsverbrechen und Anstiftung zum Völkermord in Gaza von unabhängigen juristischen Gruppen umfangreich dokumentiert. Aber … es gab keine Ergebnisse, und der IStGH hatte erklärt, dass seine Ermittlungen zur Lage im Staat Palästina angesichts der anhaltenden Angriffe Israels auf den Gazastreifen “noch andauern“.

So waren fast vier Monate nach dieser Erklärung im November letzten Jahres weder Haftbefehle ausgestellt noch andere Maßnahmen durch den IStGH ergriffen worden. Erst nach Beginn der Bombardierung von Rafah, erklärte Karim Khan am 12. Februar, dass sein Büro „gezwungen sei“, Ermittlungen aufzunehmen[2].

Nominierung durch Großbritannien

Khan, ist ein britischer Anwalt, war der Kandidat Großbritanniens für das Amt des IStGH-Anklägers. Als bekannt wurde, dass er der nächste IStGH-Ankläger werden sollte, kommentierte der Economist, Khans Wahl “war sicherlich ein Zeichen dafür, dass Großbritannien immer noch diplomatisches Gewicht hat“[3].

Nun muss man einschieben, dass Großbritannien die koloniale Hauptschuld daran trifft, dass die Situation in Palästina heute ist, wie sie ist. Denn schließlich hatte die damalige Kolonialmacht zuerst den Arabern das Land versprochen, um sie zum Kampf gegen Hitler zu bewegen, dann aber auch den Zionisten. Die dann erfolgte Teilung des Landes war eines der letzten kolonialen Verbrechen über die Köpfe der indigenen Bevölkerung hinweg. Und wie man heute daran erkennt, wie Weltgerichtsurteile ignoriert werden, wie im Fall des Chagos-Archipels[4],  hat Großbritannien seine koloniale Gesinnung noch lange nicht überwunden.

Aber zurück zu Khan. Der Artikel von Tom Coburg beschreibt seine Erfahrung in der Arbeit z.B. für den Innenminister Großbritanniens und als Sonderberater der UNO wegen Verbrechen des IS im Irak. Dann stellt er fest, dass Khan wohl bewiesen habe, dass er schnell handeln kann. Denn im Februar 2022, als Russland in die Ukraine einmarschiert war, kündigte er sofort an, dass der IStGH eine Untersuchung wegen angeblicher russischer Kriegsverbrechen durchführen werde.

Er hatte sich dann eng mit dem britischen Außenminister und dem ukrainischen Generalstaatsanwalt ausgetauscht und nur einen Monat später hatte der britische Außenminister 42 Länder angeführt, welche beim IStGH die Untersuchungen gegen Russland vorantrieben. Nur fünf Monate später wurde der Haftbefehlt gegen Wladimir Putin ausgestellt.

Nachdem der Autor die Höhe der britischen Beitragszahlungen, auch speziell zur Erreichung des Haftbefehls gegen Putin erwähnt, kommt er auf eine delikate Sache zu sprechen, die schon 2022 die Runde im Internet gemacht hatte.

„Khan hat über seinen Bruder Imran Ahmad Khan, einen Abgeordneten, der 2022 des sexuellen Missbrauchs eines 15-jährigen Jungen für schuldig befunden wurde, eine familiäre Verbindung zur konservativen Partei des Vereinigten Königreichs. Er wurde daraufhin aus der Partei ausgeschlossen und zu einer 18-monatigen Haftstrafe verurteilt.“[5]

Was der Autor nicht sagte, ist die Tatsache, dass der Bruder erstaunlich frühzeitig aus der Haft entlassen worden war. Report 24 berichtete, dass der Bruder keinerlei Reue gezeigt habe, und auch ein gewisses Maß an Gewalt im Spiel gewesen sei. Zwei Anträge auf Berufung seien abgelehnt worden, aber schließlich war er doch nach nur der Hälfte der Strafe entlassen worden. Was Kim DotCom, und er war nicht der Einzige[6], zu der Vermutung brachte, dass es zwischen der frühzeitigen Entlassung und dem Haftbefehl gegen Putin eine Verbindung gab[7].

Stattdessen erklärte Coburg, dass Khan wenige Monate nach seiner Ernennung, im November 2021, vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen angekündigt hatte, dass er beabsichtige, die Ermittlungen des IStGH auf diejenigen zu beschränken, die von diesem Rat, zu dessen ständigen Mitgliedern Großbritannien und die USA gehören, an sein Büro verwiesen werden.

„Mit anderen Worten, konnten nun die NATO-Mächte im Sicherheitsrat jedwede Ermittlung durch ihr Veto blockieren, was die Rolle des Gerichts als NATO-Werkzeug auch formal bestätigt.“[8]

Aber offensichtlich hatte Khan im Fall der Ermittlungen gegen Russland „eine Ausnahme“ gemacht.

Ermittlungen, die nicht auf diese Weise überwiesen wurden, so Khan, würden „einer Überprüfung unterzogen“. Dazu gehörten auch die Untersuchungen zu Afghanistan und Palästina, die von seiner Vorgängerin Fatou Bensouda begonnen worden waren. Damit dürfte, was die Vorgängerin im Dezember 2017 erklärte, hinfällig geworden sein:

“Das Büro [der Anklägerin] ist zu dem Schluss gekommen, dass es eine vernünftige Grundlage für die Annahme gibt, dass Mitglieder der britischen Streitkräfte innerhalb der Gerichtsbarkeit des Gerichtshofs Kriegsverbrechen gegen Personen in ihrem Gewahrsam begangen haben.” [9]

Obwohl die USA (und Israel) nicht Mitglied des IStGH sind, hat Afghanistan das Römische Statut ratifiziert, das die Grundlage für den Gerichtshof bildet. Daher leitete der IStGH 2016 auch eine Untersuchung zu mutmaßlichen Kriegsverbrechen des US-Militärs in Afghanistan ein. In der Folge hatte Washington 2018 gedroht, die Richter des IStGH zu verhaften, sollten sie versuchen, Angehörige der US-Armee anzuklagen. Unerschrocken hatte Bensouda dann auch noch im Dezember 2019 erklärt, sie sei überzeugt, dass

“…im Westjordanland, einschließlich Ostjerusalem, und im Gazastreifen Kriegsverbrechen begangen wurden oder werden”.[10]

Worauf die USA im September 2020 Sanktionen gegen Bensouda und ihre Kollegen verhängt hatten und weitere Maßnahmen gegen das Gericht ergriffen. Als dann Khan sein Amt antrat, wollte die US-Regierung die Maßnahmen gegen das Gericht (wohlwollend) „überprüfen“.

„Sollte der IStGH seinem Auftrag nachkommen, würden der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und andere hochrangige Persönlichkeiten in Israel Gefahr laufen, verhaftet zu werden. Dasselbe gilt wohl auch für Biden und den britischen Premierminister Rishi Sunak – beide erlauben Netanjahu, seine völkermörderische Mission ungestraft durchzuführen.“[11]

Coburg stellt fest, dass der derzeit sich im Februar 2024 weiter entfaltende Völkermord in Gaza vielleicht nie stattgefunden hätte, wenn es dem IStGH erlaubt worden wäre, seine Ermittlungen in Palästina 2019 fortzusetzen. Übrigens hatte sich die Bundesregierung auch sehr stark für eine Einstellung der Ermittlungen eingesetzt.

„Bereits im März äußerte sich Deutschland kritisch zu einer Einmischung des Internationalen Strafgerichtshofs in den israelisch-palästinensischen Konflikt. Nun bekräftigt Außenminister Maas diesen Standpunkt.“[12]

Im Februar 2024 versuchte Israel anscheinend, durch Eskalation des Krieges auf den Libanon, Syrien und den Irak von Gaza abzulenken, und die USA dazu zu bringen, die Länder wieder einmal in Schutt und Asche zu legen, natürlich möglichst auch gleich den Iran.

Und die USA bombardierten auch schon den Jemen und den Irak, was erwartungsgemäß die Forderung des irakischen Parlaments, der Regierung und der Bevölkerung verstärkt, die US-Basen aus dem Land zu weisen. Und was zu mehr Anschlägen gegen US-Einheiten im Irak führen würde, wie jeder wusste. So war die Lunte im Nahen Osten bereits angezündet worden. Da die USA keine Anstalten machten, den Irak oder Syrien zu verlassen, sondern die illegalen Besatzungssoldaten „sich nur verteidigten“, Israel weiter nach Belieben in den Nachbarländern bombardierte, musste man annehmen, dass die Provokationen auch hier bald erfolgreich sein würden und sich der Konflikt verschärft. Einzige Hoffnung war, dass die „Widerstandsachse“ bis zu den US-Wahlen im November die Zähne zusammenbeißen würde, und ein Wechsel in der Präsidentschaft die Lunte wieder austritt, also ein neuer Präsident Trump den Rückzug aus Syrien und dem Irak anordnet. Wie bereits einmal durch Trump für Syrien geschehen, dann aber doch nie durchgeführt. Was erklärte, wer die Politik der USA bestimmt.

Zu diesem Zeitpunkt veröffentlichte Michael Lüders auch seine interessante Video-Analyse: „Gaza und die Folgen: Der Krieg weitet sich aus“[13]. Man konnte erkennen, dass nicht nur in der Sahel-Zone, sondern auch im Nahen Osten die Massen aufbegehrten, wenn auch noch nicht die Eliten, um die Reste des Kolonialismus zu beseitigen.

Provokation eines großen Krieges

Die Angst vor einer Ausweitung des Gemetzels in Gaza auf den ganzen Nahen und Mittleren Osten war durchaus berechtigt. Zuerst tötete Israel den iranischen General Mussawi bei einem Luftangriff in Syrien. Gaspipelines im Iran wurden gesprengt. Dann wurde ein Hamas-Führer in der libanesischen Hauptstadt Beirut getötet und schließlich verübte der Mossad nach Angaben iranischer Offizieller, was Israel allerdings dementierte, einen Terroranschlag im Iran, der ein Massaker mit über 210 Toten und vielen Verletzten zur Folge hatte.

Der Terroranschlag wurde mit Aktentaschenbomben verübt. Diese Art von ferngesteuerten Bomben ist eine vom Mossad oft verwendete Methode, um insbesondere im Ausland Menschen zu töten. Weshalb das Bekenntnis des IS[14] zu dem Anschlag im Iran stark bezweifelt wurde.

Vielmehr schien es so, dass Israel und die USA den Iran herausfordern und ihn zwingen wollen, eine kriegerische Aktion gegen Israel zu organisieren, welche dann als Vorwand für einen großangelegten Krieg gegen das Land dienen konnte.

Dazu passte auch, dass die USA und einige verbündete Staaten eine „letzte Warnung“ an den Jemen ausgesprochen hatten, endlich die Blockade von Schiffen zu beenden, welche nach oder von Israel fuhren.

Dann der Höhepunkt. Am 1. April 2024 wurde ein israelischer Luftschlag gegen ein iranisches diplomatisches Gebäude in Damaskus, Syrien, durchgeführt[15]. Der Angriff hatte das Gebäude, in dem die iranische Konsularabteilung untergebracht war, zerstört und dabei 16 Menschen getötet, darunter acht Offiziere der Islamischen Revolutionsgarde (IRGC), außerdem syrische zivile Opfer gefordert. Der Angriff musste als eine Eskalation der Angriffe Israels auf militärische Führer aus dem Iran gewertet werden. Die Reaktionen auf den Angriff waren international gemischt, mit vielen Staaten, die den Angriff verurteilten und die Verletzung internationaler Gesetze kritisierten. Während westliche Politiker wie immer vom „Recht Israels auf Selbstverteidigung“ sprachen.

Diese Provokation konnte der Iran unmöglich unbeantwortet lassen, zu groß war die Empörung innerhalb der iranischen Gesellschaft. Und so versprach der Iran, auf den Angriff zu reagieren. Aber die Eskalation in einen großen Krieg war nicht im Interesse des Irans, das gerade dabei war, die strangulierenden Sanktionen westlicher Staaten durch eine Zusammenarbeit mit den BRICS-Staaten und der Mitgliedschaft in der SZO zu überwinden.

Und so hatte der Iran nach der Bombardierung seiner diplomatischen Gebäude in Damaskus, als Vergeltung einen interessanten Angriff gegen Israel ausgeführt. Dieser wurde gegen den am besten geschützten Luftraum der Welt gerichtet und die militärtechnisch angeblich führenden Länder der Welt, die USA, Großbritannien und Frankreich, beteiligten sich an der Abwehr.

Und so prahlten westliche Medien damit, der Iran habe nur ein „Feuerwerk“ erzeugt, mehr nicht, denn glücklicherweise gab es praktisch keine menschlichen Opfer[16]. Die Fakten sprechen allerdings eine andere Sprache. Denn der Iran wollte gar keine Opfer erzeugen, auch keinen Krieg, er wollte lediglich den militärischen Fachleuten im Westen und in Israel demonstrieren, wozu das Land fähig ist, und dass es in Zukunft keine weiteren Überschreitungen von Roten Linien, keine Ermordung von Atomwissenschaftlern wie in der Vergangenheit oder Bombardierungen von diplomatischen Einheiten außerhalb des Landes, und sicher keinen Angriff auf den Iran akzeptieren werde. Es war Israel, das von seinem „plausiblen“ Völkermord in Gaza ablenken wollte, indem es eine Eskalation erzwingt. Schauen wir uns die Einzelheiten an.

Abschreckung

Die CIA-Analysen des iranischen Militärs beschreiben seit Jahren die Aufrüstung des Landes als in erster Linie der Abschreckung und Verteidigung geltend. Die seit über 30 Jahren[17] immer wieder aufgestellte Behauptung Netanjahus, der Iran werde in „ein paar Wochen“ eine Atombombe, genauer gesagt eine Kernwaffe, entwickelt haben, steht im Gegensatz zur religiösen Grundentscheidung der iranischen Kleriker, keine Massenvernichtungswaffen zu entwickeln, da diese gegen religiöse Gebote verstoßen. Schon im Irak-Iran-Krieg konnte man beobachten, dass der Iran auf Giftgasangriffe des Iraks, ermöglicht durch Lieferungen westlicher Länder, nicht durch eigene Chemiewaffen reagierte, die es leicht hätte selbst produzieren können, sondern mit passiven Schutzmaßnahmen. Aber wenn man 30 Jahre lang beschuldigt wird, Atomwaffen zu entwickeln und deshalb sanktioniert wird, warum sollte man dann eigentlich keine produzieren?

Seit 2011 hatte Israel bis zum ersten Gegenschlag des Irans über ca. zweitausend Luftangriffe gegen „iranische Ziele“ in Syrien geflogen. Davon zwischen Oktober 2023 und März 2024 ca. 52[18]. Die meisten waren als „präventive Verteidigung“ gegen Waffenlieferungen des Irans an Syrien und die libanesische Hisbollah gerechtfertigt worden, halfen aber de facto den diversen Terrorgruppen in Syrien. Was Israel in arabischen Ländern den Spitznahmen „Luftwaffe des IS“ einbrachte. Der Iran hatte bis zum 1. April 2024 lediglich verbal auf solche Angriffe reagiert. Nur durch die Hisbollah wurden bei vorangegangenen Angriffen gegen deren Kämpfer im Libanon oder Syrien kleinere Vergeltungsschläge in Grenznähe durchgeführt. Die Führung des Irans hatte stillschweigend als Rote Linie einen Angriff gegen das eigene Land erklärt und kontinuierlich seine Abschreckungsfähigkeiten entwickelt. Die letztlich sogar in Hyperschallraketen mündeten.

Diese Rote Linie hatte Netanjahu am 1. April 2024 bewusst überschritten, indem er ein diplomatisches Gebäude in Damaskus bombardierte und mehrere hochrangige Offiziere tötete. Vermutlich war es der Versuch, eine Eskalation des „plausiblen“ Völkermordes in Gaza zu einem Flächenbrand zu erzwingen, mit dem Ziel, die USA in einen Krieg gegen den Iran zu verwickeln. Nur so konnte er von den Ungeheuerlichkeiten ablenken, welche durch das israelische Militär in Gaza verursacht wurden, und vielleicht auch nur so konnte er sein politisches Leben verlängern.

Im Westen wurde der Anschlag Israels sinngemäß mit „iranischen Generälen, welche die Hisbollah unterstützen“ rechtfertigt. Aber es ist nichts Ungewöhnliches, dass Offiziere oder sogar militärische Hauptquartiere in diplomatischen Missionen untergebracht werden. Ein gezielter Angriff darauf ist in der jüngeren Geschichte allerdings selten vorgekommen und wird seit Jahrhunderten als ein Bruch des Völkerrechts gesehen. So wurde die Bombardierung einer chinesischen diplomatischen Mission während der NATO-Bombardierung Serbiens deshalb auch als „Versehen“ deklariert.

Bevor der Iran aber zu seiner militärischen Antwort griff, hatte er am 2. April versucht, den Angriff in einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates verurteilen zu lassen, was eine militärische Antwort unnötig gemacht hätte, weil eine Wiederholung eines solchen Angriffes zu Sanktionen des Sicherheitsrates gegen Israel hätte führen können. Natürlich wurde diese Initiative durch Vetos der USA und der Kolonialstaaten Großbritannien und Frankreich unmöglich gemacht. In US-Medien, so muss sogar das deutsche Wikipedia zugeben, wurde das Veto der Länder zum Teil kritisch kommentiert und die völlige Zerstörung des Konsulatsgebäudes als große Eskalation im „unerklärten Krieg Israels gegen Iran“ bezeichnet.

Nach intensiven diplomatischen Konsultationen, kam es dann zu folgender Einschätzung:

 „Die diplomatischen Gespräche zwischen Iran und seinen regionalen Verbündeten und den europäischen Hauptstädten brachten westliche Beamte zur Schlussfolgerung, dass der Iran eine Reaktion vorbereite, die darauf abzielte, Abschreckungsstärke (deterrent strength) zu demonstrieren und gleichzeitig Zurückhaltung (restraint) zu zeigen (…). Analysten und Beamte in Teheran erklärten, die Regierung in Teheran versuche, eine direkte Konfrontation zu vermeiden (…).“[19]

Ein bisschen Vorgeschichte, bevor wir zum eigentlichen Angriff kommen. Wikipedia weist auch darauf hin, dass es zahlreiche Vorwarnungen vor dem Angriff gab. Und die NATO-Länder mobilisierten alle verfügbaren Kräfte, um einen Raketenangriff des Irans gegen Israel abzuwehren. Es war also ein Angriff mit Ansage durch den Iran, erzwungen durch die diplomatische Unfähigkeit der Kolonialländer, Israel in seine Schranken zu weisen, damit das Land den unerklärten Krieg gegen den Iran nicht weiter eskaliert.

Der Angriff auf das diplomatische Gebäude war ja nur der Höhepunkt einer Serie von Attentaten, Angriffen, Unterstützungen von Terrororganisationen im Iran und Luftangriffen gegen iranische „Ziele“ in Syrien während der letzten Jahre. Besonders schlimm dürfte die Ermordung der sechs führenden Atomwissenschaftler des Landes[20] in Erinnerung sein. Eigentlich begann alles schon wesentlich früher, noch vor den gefälschten Beweisen, welche den Sicherheitsrat am 9. Juni 2010 dazu brachten, Sanktionen gegen den Iran zu verhängen[21].

Der Iran war zum Hauptfeind Israels geworden, weil er der Expansion Israels in ein „Groß Israel“ Einhalt geboten hatte. Und zwar indem das Land einen „Widerstandshalbmond“ über den Irak und Syrien bis zum Libanon organisierte. Und nicht zuletzt, weil Teheran den Widerstand im Libanon gegen die Besatzung durch Israel unterstützt hatte. Eine Unterstützung welche die vermutlich wichtigste politische Partei des Libanons, die Hisbollah, mit seinem militärischen Arm, zu einer immer mächtiger werdenden Abschreckung vor einem erneuten Angriff machte.

Zweimal musste Israel den Libanon auf Grund des Widerstandes von Gruppen, welche durch den Iran unterstützt wurden, wieder verlassen. Der wohl wichtigste Angriffskrieg Israels, der auch als solcher innerhalb Israels gewertet wurde, war der Krieg von 1982. Und Israel hält seit 1967 immer noch Shebaa-Farmen im Süden des Libanons besetzt, um sich der Quellflüsse des Jordans zur Bewässerung des Landes zu bemächtigen. Die Gegend wird bis zu einer Höhe von 1.200 Metern von Israel als Ackerland genutzt, auf dem in erster Linie Gemüse und Gerste angebaut werden. In den letzten Jahren wurde auch ein Wintersportgelände eingerichtet.

So lange diese Besatzung nicht aufgegeben, und eine Einigung über Wasserrechte vereinbart wird, gibt es zwischen dem Libanon und Israel keinen Friedensvertrag, sondern lediglich einen immer wieder gebrochenen Waffenstillstand. Israel hat keinerlei Anzeichen gemacht, eine friedliche Einigung herbei führen zu wollen. Es betrachtet das Gebiet als praktisch annektiert.

Interessantes Detail: Die Hisbollah hatte in der Vergangenheit bewiesen, dass sie trotz vollkommener Luftüberlegenheit Israels in der Lage ist, angreifenden israelischen Truppen so großen Schaden zuzufügen, dass diese für Jahre einen weiteren Versuch der Erweiterung Israels in Richtung Groß-Israel im Libanon aufgaben. Und, zurückkommend zum Iran, natürlich war die diplomatische Unterstützung Palästinas für Israel ein Dorn im Auge.

Die Antwort des Irans am 13. April 2024

Dann kam es zu dem Angriff mit vorheriger Ansage. Wikipedia beschreibt den Ablauf des iranischen Vergeltungsangriffs im Detail[22], schon Stunden vor dem Eintreffen der ersten iranischen Drohnen warteten die Verteidiger in Israel auf das Eintreffen. Angeblich wurden 99% der angreifenden Drohnen, Marschflugkörper und ballistischen Raketen durch die Armada der NATO-Flugzeuge und des dichtesten Luftabwehrsystems der Welt abgefangen. Aber einige wenige Einschläge wurden auf der Landebahn eines Militärflughafens registriert, von wo aus der Angriff gegen die diplomatische Einheit in Syrien gestartet worden war.

Nun konnten Israel und seine Verteidiger jubeln, vergaßen aber zu erwähnen, dass die Verteidigung weit über eineinhalb Milliarden Dollar verschlungen hatte, und dass der Iran seine am weitesten entwickelten Raketen noch gar nicht zum Einsatz gebracht hatte. Sondern dass das Land lediglich andeuten wollte, wozu es militärisch fähig ist.

Um besser zu verstehen, was tatsächlich am 13. April passiere, sollte man weniger westliche „Experten“ in westlichen Medien zu Rate ziehen, weil die, wie man es aus der Ukraine Krise gelernt hat, lediglich die Lautsprecher offizieller Narrative sind. Vielmehr ist interessant, was ein ehemaliger Waffeninspektor aus den USA, Scott Ritter erklärt.

Scott Ritter, der natürlich regelmäßig mit Angriffen auf die Person versucht wird zu diskreditieren, wurde zu einem Kritiker der westlichen Politik während seiner Arbeit als Waffeninspekteur im Irak. Stichwort „Massenvernichtungswaffen des Irak“. Durch das Internet erhielt er eine neue Plattform. In der Folge will ich das übersetzte Transkript eines Interviews[23] als Analyse des 13. Aprils anbieten. Ritter begann damit, die Gründe für den Vergeltungsangriff zu erklären.

„Was passierte, ist, dass die iranische Regierung einen öffentlich erkennbaren Akt der Abschreckung ausgeführt hat. Sie hat Israel wissen lassen, und nicht nur Israel, sondern auch die Vereinigten Staaten und jede andere Nation in Raketenreichweite, dass ein Angriff auf iranischen Boden einen hohen Preis kosten wird, dass der Iran die Art von Angriff, die am 1. April stattfand, als Israel das iranische Konsulat in Damaskus angriff, nicht tolerieren wird. Und ich glaube, der Iran legt auch den Beweis auf den Tisch, der besagt, dass der Iran Aktionen wie die Ermordung von Atomwissenschaftlern auf seinem Boden durch Israel in der Vergangenheit nicht länger tolerieren wird. Dies wird nicht geduldet, und wenn man sich in Zukunft entscheidet, den Iran anzugreifen, wird der Iran zurückschlagen. Und er wird mit der Art von Gewalt zurückschlagen, die nicht aufgehalten werden kann, und mit der Art von Gewalt, die das zerstören wird, was er zu zerstören sucht.“[24]

Im Wesentlichen sei es das Aufzeichnen einer Roten Linie, dessen Überschreitung der Iran in Zukunft nicht mehr stillschweigend tolerieren werde. Dann fuhr er fort:

„…Die Iraner haben sich diese Haltung sehr geschickt vorbereitet. Alles, was sie tun mussten, war, ein Konzept zu demonstrieren. Ich glaube, viele Leute sagen: Nun, sie haben keinen Flugplatz zerstört, sie haben kein israelisches Hauptquartier zerstört, sie haben nicht Hunderte oder Tausende von Israelis getötet. Das hatten sie auch nicht vor. Sie haben den Israelis und den Amerikanern lediglich gezeigt, dass sie in der Lage sind, einen Flugplatz zu zerstören. Die Israelis brauchen nur auf eine Karte zu schauen und zu sehen, wo die iranischen Raketen eingeschlagen sind, um zu verstehen, dass die Iraner das getroffen haben, worauf sie gezielt hatten, und dass Israel nichts tun konnte, um diese Raketen daran zu hindern, ihr Ziel zu erreichen. Und Israel ist der am stärksten verteidigte Luftraum der Welt, mit der ausgefeiltesten Raketenabwehrtechnologie, die in der Tiefe eingesetzt wird, und sie konnten doch die iranischen Raketen nicht aufhalten.

Das Signal an die Vereinigten Staaten, die über keinen solchen umfassenden Luftverteidigungsschirm über ihren Einrichtungen im Nahen Osten verfügen, lautet also auch hier: Wenn ihr uns angreifen oder einen israelischen Angriff ermöglichen wollt, dann versucht es, aber nur mit Gottes Gnaden. Dies war also eine der größten militärischen Demonstrationen in der modernen Geschichte, wie ich es nenne. Denn damit hat der Iran nicht nur Israel in die Schranken gewiesen, sondern, ob Sie es glauben oder nicht, eine Grundlage für Frieden und Stabilität im Nahen Osten geschaffen, indem er Optionen, die Israel und die Vereinigten Staaten möglicherweise in Betracht zogen, aus dem Weg räumten. Dazu gehören ein Präventivschlag gegen iranische Atomanlagen oder ein Luftangriff als Bestrafung des iranischen Regimes.

Die Vereinigten Staaten und Israel wissen jetzt, dass der Preis, den sie zahlen müssen, wenn sie so etwas versuchen, unerschwinglich hoch sein wird. Im Falle Israels könnte er sogar tödlich hoch sein.  (…)

Zunächst einmal sollten wir uns vor Augen führen, dass der Iran seinen Angriff mit dem Abschuss der langsamsten und lautesten Waffe in seinem Arsenal begann, den Shahead-Drohnen. Sie taten dies, weil sie ein Signal an Israel, die Vereinigten Staaten und alle anderen senden wollten: ‚Wir greifen Israel an‘. Wenn sie einen tödlichen Angriff durchführen wollten, warum sollten sie ihn fünf Stunden im Voraus ankündigen? Warum sollte man Israel die Chance geben, seine wertvollen Anlagen von den gefährdeten Stützpunkten abzuziehen? Warum sollte man den Vereinigten Staaten, Großbritannien und Frankreich die Möglichkeit geben, Ressourcen, Abwehranlagen und Flugzeuge nach Jordanien zu verlegen, um diese Raketen abzufangen?

Der Iran hat gesagt: Wir kommen, schießt uns ab, und das haben sie getan. Sie kamen heraus und schossen die Drohnen ab. Der Iran hat Drohnen [gemeint sind Drohnen und Raketen] im Wert von Dutzenden von Millionen von Dollar gestartet. Die Vereinigten Staaten und Israel haben Billionen von Dollars ausgegeben, um sie abzuschießen. Das ist eine finanzielle Gleichung, die nicht aufrechtzuerhalten ist, und das war einer der Punkte, die der Iran vorbrachte, dass man sich diese Art von Krieg nicht leisten kann.

Dann schickten sie Marschflugkörper, die zusammen mit den Drohnen die Anfangsphase der Luftverteidigung definierten, nicht nur die Luftverteidigung, die Flugzeuge, sondern sobald sie die Barriere von Flugzeugen durchdrangen, griff der ‚Iron Dome‘ an. Und sie brachten Raketen auf einer höheren Ebene ein, so dass das Arrow-System und die Patriots zu zugreifen begannen, und sie erkannten so die Radardaten Israels. Sie haben notiert, wie Israel die Ziele anpeilt. Und dann haben sie drei Dinge getan, und an dieser Stelle wird es heikel. Ich will ehrlich sein. Es ist noch sehr früh und es gibt nur unvollständige Informationen. Aber ich gehe davon aus, dass der Iran drei Arten von ballistischen Raketen eingesetzt hat.

Eine ballistische Rakete, eine sehr clevere Rakete, verwendet einen Gefechtskopf, der sich abtrennt und dann abfeuert, ein Bündel von Täuschkörpern, die speziell entwickelt wurden, um Iron Dome-Raketen zu absorbieren. Zur Erinnerung: Iron Dome verfolgt ein Ziel. Man feuert die Täuschkörper ab, und der Iron Dome sagt, aha, wir haben jetzt 25 Ziele und feuert 25 Abfangraketen ab. In der Zwischenzeit gehen kleinere Sprengköpfe, die manövrierfähig sind, durch diese Abfangjäger hindurch und treffen die israelischen Luftabwehrsysteme.

Und das scheint der Fall zu sein. Ich habe mir einige Videos angeschaut, auf denen man das sieht, den Schrotflinteneffekt dieser Bomblets, die Eiserne Kuppel, die reagiert wie dann das Luftabwehrsystem getroffen wird. Sie zeigen den Israelis also, wie wir euch ausschalten werden.

Als Nächstes sieht man diese Raketen, bei denen sich der Gefechtskopf vom Raketenkörper ablöst. Der Sprengkopf wird von einem Booster-Triebwerk mit hoher Geschwindigkeit in den Boden getrieben, wodurch jede Radarabwehr und jede Möglichkeit, das Ziel abzufangen, zunichte gemacht wird. Dadurch wird der Raum geräumt, die Luftverteidigung wird ausgeschaltet.

Der letzte Punkt sind diese schweren Sprengköpfe, die von den schweren Raketen stammen, die die Landebahnen getroffen und große Krater in sie gesprengt haben. Dies war ein dreistufiger Raketenangriff, der von den Iranern speziell entwickelt wurde, um die israelische Luftabwehr zu zerstören, den Weg freizumachen, die Luftabwehr auszuschalten und dann zu zeigen, dass wir die großen Sprengköpfe überall in Israel einsetzen können, wo wir wollen. Und das war erfolgreich. Und das Schöne daran ist, dass sie nicht ihre besten Raketen eingesetzt haben. Alle drei, mit Ausnahme einer dieser Raketen, sind ziemlich neu, aber es ist nicht die Hyperschallrakete. Israel [gemeint ist der Iran] hat keine Hyperschall-Raketen eingesetzt. Und Israel [gemeint ist der Iran] hat eine Menge dieser Raketen. Dies war ein einziges Angriffspaket. Der Iran hat mehrere solcher Raketenpakete in Reserve, die er für Damona, für Kirya in Tel Aviv und für andere Luftwaffenstützpunkte hat. Der Iran kann diesen Prozess den ganzen Tag über wiederholen. Und was sie Israel gezeigt haben, ist: Das können wir tun. …“[25]

Dann erklärt Ritter, dass mit Sicherheit Analysten des Militärs zur gleichen Schlussfolgerung gekommen waren und die politische Führung dringend vor einer weiteren Eskalation mit dem Iran warnten. Das sei vermutlich der Grund, warum Biden Netanjahu erklärt habe, die USA würden sich nicht an einem Angriff gegen den Iran beteiligen.

„Und ich kann Ihnen garantieren, dass es in diesem Moment Leute wie mich gibt, die Uniform tragen oder Geheimdienstoffiziere sind, die genau die gleiche Analyse machen wie Sie, und sie schreiben, und sie schreiben große kritische Berichte an die Befehlskette, in denen sie sagen, hört auf mit dem Unsinn, wir können diesen Krieg nicht gewinnen. Es ist vorbei, Leute, hört auf. Wir haben hier keine Verteidigung. Wenn der Iran angreifen will, sind wir machtlos. Die Sache wird unkontrolliert eskalieren. Deshalb hat Joe Biden mit den G7-Staaten telefoniert, um bei Israel zu intervenieren, deshalb hat Joe Biden mit Netanjahu telefoniert, und deshalb sagen Netanjahus Generäle ihm: Haltet euch zurück! Wir können diesen Kampf nicht gewinnen. … Dies ist ein großer iranischer Sieg.“

Die USA haben verstanden

Am 22. April wurden in einem Interview ebenfalls wichtige Folgen der iranischen Aktionen erklärt. Die Analyse ist recht lang (etwa 10 Minuten), aber hörenswert. Der Mann, der spricht, ist Chas Freeman, ehemaliger stellvertretender Verteidigungsminister und – für das Thema sehr relevant – ehemaliger US-Botschafter in Saudi-Arabien. Er wird interviewt von @PLottaz, einem außerordentlichen Professor an der Universität Kyoto in Japan[26].

Es wurde argumentiert, dass der iranische Angriff die Spielregeln im Nahen Osten geändert habe. Der wichtigste Punkt sei, dass Saudis, die Emirate und andere den Vereinigten Staaten mitgeteilt haben, dass sie von ihrem Territorium aus keine amerikanischen Operationen gegen den Iran zulassen und dass der Iran diese Staaten gewarnt habe, dass sie im Falle eines Angriffs zur Zielscheibe würden.

    „In gewisser Weise hat der Iran also die Neutralisierung der amerikanischen Streitkräfte im Persischen Golf erreicht, die er seit langem anstrebt. Aus taktisch-militärischer Sicht war es also ein ‘Nullsummenspiel’ – niemand wurde getötet[27], niemand wurde beschädigt[28] – […] aber aus strategischer Sicht, aus der Sicht der Soft Power, war es ein großer Erfolg. Der Iran hat sein Ziel erreicht und Israel in ein unerträgliches Dilemma gebracht. Israel kann nicht weiter so tun, als könne es ungestraft handeln.”[29]

Die Folge: Wie Reuters ganz „offiziell“ meldete, wollten die USA sich im April 2024 nicht an einer Vergeltungsaktion Israels gegen den Iran beteiligen[30]. Zwar warnte man den Iran davor weitere Angriffe gegen Israel auszuführen, was der Iran aber sowieso schon ausgeschlossen hatte, indem seine Führung erklärt hatte, dass man nun die Sache mit dem Angriff auf die diplomatische Vertretung in Syrien als abgeschlossen ansehe. Aber dann heißt es bei Reuters:

„Dennoch sagte Biden Netanjahu, die USA würden sich nicht an einer israelischen Gegenoffensive gegen den Iran wegen des Angriffs beteiligen, so ein Beamter des Weißen Hauses.“[31]

Natürlich bestand nun die Gefahr, dass Netanjahu weiter eskalierte. Denn er wusste, dass die USA im Notfall doch eingreifen würden. Schon alleine um zu verhindern, dass Israel in Verzweiflung auf seine Kernwaffen zurückgreift. Also war die Gefahr keineswegs gebannt. Immer noch versuchte Netanjahu von seinem Gemetzel, der provozierten Hungersnot und Seuchen in Gaza abzulenken und andererseits sein persönliches politisches Überleben zu retten. Käme es zu Neuwahlen, dürften seine Tage endgültig gezählt sein und die Verfahren wegen Korruption gegen ihn könnten durchaus zu sehr langen Gefängnisstrafen führen. Nicht zu vergessen die Haftbefehle, welche der IStGH angeblich zu diesem Zeitpunkt in Betracht zieht, wegen Kriegsverbrechen, die schon lange vor dem 7. Oktober begangen wurden.

Ob die israelische Führung also auch verstanden hatte, dass sie mit dem sprichwörtlichen Höllenfeuer spielt, sollten sie weiter gegen den Iran eskalieren, blieb abzuwarten.

Vergeltung gegen Vergeltung

Am 19. April berichtete Al-Jazeera[32], dass Israel einen Angriff auf Ziele im Iran vollzogen hätte, jedoch scheinbar mit drei kleinen Quadrocoptern und möglicherweise von innerhalb des Landes aus. Es gab offensichtlich keine Opfer, über die Schäden war zunächst nichts bekannt. Der Iran hatte diesen Vorgang im Prinzip wie einen Mückenstich ignoriert, und nur von der Aktivität der Luftabwehr berichtet. Teheran schien kein Interesse an einer Eskalation zu haben.

Einen Tag später berichtet Pepe Escobar[33] die unglaubliche Geschichte, dass Geheimdienstquellen aus Asien ihm gesteckt hatten, dass Israel vorgehabt habe, einen atomaren EMP-Anschlag über dem Iran auszuführen, der das Stromnetz und unzählige elektronische Geräte zerstört hätte. Angeblich hatte Russland aber die israelische Maschine kurz nach Verlassen des jordanischen Luftraums abgeschossen. Klang wie eine Räuberpistole, oder als ob seine „Quellen“ versuchten, ihn unglaubwürdig werden zu lassen. Aus keiner Regierung hörte man eine Bestätigung des Vorfalls. Wenn man nach Israels Möglichkeiten einer EMP-Bombe recherchierte, stellt man jedoch fest, dass schon einige Tage vor dem angeblichen Ereignis, in verschiedenen außerwestlichen Medien über das Szenario spekuliert worden war. Während im Westen früher fabuliert wurde, angedrohte neue Waffen des Irans könnten EMP-Waffen sein[34].

Der ehemalige Waffeninspektor Scott Ritter hielt die von Pepe Escobar beschriebene Geschichte aus technischen Gründen für unmöglich.  Aber Pepe Escobar erhöhte den Einsatz am 21. April noch einmal und erklärt, absolut sicher zu sein[35]. Etwas verstörend war schon, dass die Zeitung Express am 7. April schon genau das Szenario eines EMP-Angriffs Israels angedroht hatte.

“Israels umstrittener Staatschef Benjamin Netanjahu könnte in letzter Minute als Gegenmaßnahme EMP-Bomben gegen den Iran einsetzen. Ein anonymer Sicherheits- und Verteidigungsexperte verriet dem Daily Star: ‚Wenn der Iran beschließt, Israel direkt anzugreifen, indem er strategische Einrichtungen in Israel angreift, wird es eine sehr unkonventionelle Antwort von Israel geben.‘ ‚Zum ersten Mal in der Geschichte wird eine neue Art von Bombe eingesetzt werden. Es ist die elektromagnetische Bombe (E-Bombe). Sie wird gegen Teheran und andere wichtige Zentren im Iran eingesetzt werden. Sie wird auch in den Gebieten eingesetzt werden, in denen sich die iranischen Atomanlagen befinden.‘ “[36]

Ray McGovern, ein ehemaliger Geheimdienstanalyst, der während seiner aktiven Zeit US-Präsidenten zuarbeitete, vertrat die Meinung[37], dass es zwar unwahrscheinlich war, und vielleicht Teil einer Mossad-Psy-Ops, aber falls es sich bewahrheiten sollte, riesige Konsequenzen nach sich ziehen könnte, denn es wäre ein versuchter Atomwaffenangriff gegen den Iran.

In einem weiteren Interview mit Pepe Escobar [38] bestätigte dieser noch einmal, dass er inzwischen aus einer zweiten asiatischen Geheimdienstquelle die Informationen bestätigt erhalten habe. Tatsächlich wäre es nicht das erste Mal, dass ein Atom-Fast-Zwischenfall weltweit geheim gehalten worden war.

Pepe Escobar bestätigte dann in einer Twitter-Meldung auch noch einmal seine Geschichte:

„Ich habe jetzt ZWEI separate, definitive Bestätigungen von ZWEI hochrangigen Geheimdienstquellen aus ZWEI verschiedenen asiatischen Nationen. Ich arbeite daran, eine dritte zu bekommen – zumindest eine Teilbestätigung.

Ich bin vor 30 Jahren nach Asien gezogen. Habe mir ein unvergleichliches Netzwerk aufgebaut. Ich vertraue meinen Top-Quellen zu einer Milliarde Prozent.

Die ursprüngliche Quelle, die zu meinem ersten Beitrag führte, bestätigte, dass er dazu steht. Seine Worte: ‚Ich bin ehrlich gesagt überrascht, dass die Leute überrascht sind. Glauben sie wirklich, wenn so etwas passiert ist, wird es ihnen vor dem Fernseher präsentiert? Es ist, als hätten sie aus der Geschichte nichts gelernt.‘“[39]

Und was war die Reaktion in Deutschland? Dort hieß es sinngemäß “Israel hat das Recht auf Verteidigung!“ Und statt Israel davon abzuhalten, weiter zu zündeln und fremde Länder zu bombardieren, sollte nun der Iran weitere Sanktionen aufgebürdet bekommen. Der Iran hatte sich schon davor vom Westen abgekoppelt. Erzwungenermaßen, aber erfolgreich. Im Jahr 2022 hat das Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts im Iran rund 3,78 Prozent betragen. Auch wenn statista[40] für die Folgejahre nur ein Wachstum von 2% vorhersagte, dürfte dies Wunschdenken des Westens sein. Denn der Iran hatte vor den neuen Sanktionen einen 25-Jahre-Vertrag über 400 Milliarden US-Dollar für Investitionen mit China abgeschlossen. Im Gegenzug liefert der Iran Öl zu vergünstigten Marktpreisen, was China noch konkurrenzfähiger, auch gegenüber Deutschland, auf dem Weltmarkt machen wird. Und die Investitionen werden nicht einfach „Investitionen“ sein, sondern den Iran eng in die neue Seidenstraße Chinas, die Belt and Road Initiative (BRI) einbinden. Was eine dauerhafte Erweiterung des Handels für den Iran mit sich bringt. Deutschland und die EU schießen sich also weiter in die bereits heftig blutenden Beine.

 



[10]Ebd.

[11]Ebd.

[16]Ein ziviles Opfer wurde durch Trümmer abgeschossener Teile verwundet und erlag später seinen Verletzungen.

[24]Ebd.

[25]Ebd.

[27]Korrektur, durch das Trümmerteil eines abgeschossenen Angriffskörpers oder des Abwehrkörpers wurde ein Zivilist verletzt, der später den Verletzungen erlag.

[28]Das war die offizielle Aussage Israels. Jedoch waren die Beschädigungen, in Betracht der wenigen ernsthaften Angriffswaffen, erheblich.

[31]Ebd.

[38]Videointerview mit Pepe Escobar: https://www.youtube.com/live/m6x06HLGk38?si=JqrPkPGnaar7RwRM Siehe ab 43:30!