Apartheid

 

Die Karikatur vom 15. September 2021 vergleicht die Apartheid Südafrikas mit dem Besatzungsregime Israels, nachdem diese nun auch vom ehemaligen UNO-Generalsekretär angeprangert worden war.

In dem Bild schaut »Mutter« Palästina aus einer Karte Palästinas, die mit einem Plakat benagelt ist: »Nur für Juden«. Eine farbige Frau aus der Karte Südafrikas tröstet sie und sagt: »Wir haben das schon mal gesehen. Es heißt Apartheid.«

Das Quds News Network zitiert Ban Ki-moon, der erklärte, dass die israelische Unterdrückung wohl Apartheid darstelle. Man liest:

»Der ehemalige Chef der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, hat erklärt, dass Israel den Palästinensern eine Apartheid auferlegt, und einen neuen Ansatz für den Konflikt gefordert, der sich auf die Beendigung der Besatzung und   die Gewährleistung gleicher Rechte konzentriert und sich vom traditionellen

‚Friedensprozess‘ abwendet.


In einem Artikel, der am Dienstag in der Financial Times veröffentlicht wurde, sagte Ban, die internationale Politik gegenüber Israel und Palästina müsse ‚die grundlegende Asymmetrie zwischen den Parteien anerkennen‘.«109

Als ich, Andrea Drescher, das erste Mal von »Straßen nur für Juden« in Israel bzw. in der West Bank las, wurde mir schlecht. Warum tun die Nachgeborenen der ShoahÜberlebenden das? Warum haben sie nichts gelernt?

Als ich diese Information in soziale Medien brachte, wurde mir von deutschen

»Christen« Antisemitismus unterstellt. »Das könne ja nicht stimmen. Apartheid gibt es in Israel keine und wer etwas anderes sage, ...« Das war das fast einhellige Resümee. Da wurde mir wieder schlecht, weil mir bewusst wurde, dass auch die Nachgeborenen der Täter nichts wirklich dazu gelernt hatten.

 


109    https://qudsnen.co/?p=26711

 

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wird eigentlich als verlängerter Arm des US-Außenministeriums angesehen. Nicht nur wegen einer Drehtür-Personalpolitik, sondern weil die Organisation auch regelmäßig die moralische Rechtfertigung für Angriffskriege liefert. Zur Überraschung vieler hat sie aber nun zum ersten Mal Israel als Apartheid-Staat bezeichnet.

Die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem, gefördert u. a. durch die EU, hat sich ebenfalls bisher sehr zurückhaltend hinsichtlich einer Apartheid-Bezeichnung verhalten, hat nun aber auch diesen Begriff erstmalig für die israelische Politik verwandt. Ein weiteres Indiz für eine Veränderung der politischen Situation könnte ein Artikel in der New York Times sein, der zwar abwiegelt, aber zwischen den Zeilen Zustimmung signalisiert und das Schweigen über das Thema durchbricht.

Man könnte das als Warnschuss des Establishments in Richtung Israel verstehen, denn ohne eine Duldung, wenn nicht Erzeugung dieser Wandlung durch die Regierungen wäre diese Einschätzung der Politik wohl nicht möglich gewesen.

Mondoweiss schreibt dazu:

»Am Mittwoch schoss North eine weitere seiner Raketen auf die Times ab, weil diese am Vortag einen Artikel über den bahnbrechenden Bericht von Human Rights Watch veröffentlicht hatte, in dem festgestellt wurde, dass Israel bei der Verfolgung der Palästinenser das Verbrechen der Apartheid, ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, begeht. North bezeichnete den Artikel – von Patrick Kingsley, dem neuen Jerusalemer Büroleiter der Times als ‚voreingenommen‘


und als Angriff auf die Ergebnisse von HRW. Er argumentierte, dass Kingsley fünf Kritiker des Berichts und nur zwei Befürworter zitiert habe, wobei ein

‚Unentschlossener‘, ein israelischer General, sich mit der israelischen Politik

‚unwohl‘ fühle. North kritisierte die Times auch dafür, dass sie (1) den Antisemitismus-Vorwurf der Pro-Israel-Kritiker, der so oft auf Kritiker Israels angewandt wird, und (2) die ‚glatte Lüge‘, dass HRW ‚seit Jahren aktiv versucht, Boykotte gegen Israel zu fördern‘, zum Ausdruck gebracht habe.

Nachdem ich Kingsleys Artikel am Vortag gelesen hatte, fühlte ich mich an das Kurosawa-Meisterwerk Rashomon erinnert, in dem die Geschichte eines Verbrechens anhand der verblüffend unterschiedlichen Berichte der Beteiligten und Zeugen erzählt wird. Im Gegensatz zu North war ich von dem Times-Artikel begeistert, begrüßte ihn und dachte, er könnte die Berichterstattung der Times verändern. Hier ist der Grund dafür.«110

Der Autor Robert Herbst weist dann auf die Überschrift und die Zwischenüberschriften hin: »Rights Group Hits Israel With Explosive Charge: Apartheid« und »Human Rights Watch ist die jüngste Organisation, die Israel beschuldigt, eine Version des rassistischen Rechtssystems, das einst in Südafrika herrschte, aufrechtzuerhalten. Israel sagt, der Vorwurf sei unbegründet.«

Er weist darauf hin, dass es vermutlich das erste Mal ist, dass der Apartheid-Vorwurf gegen Israel in der »Newspaper of Record«, der Zeitung der amerikanischen jüdischen Gemeinschaft, erhoben wird. Er schlage dort nicht nur ein wie eine Bombe, sondern werde auch als die jüngste derartige Anschuldigung von anderen »Watchdogs« dargestellt.

Die Verbindung zur südafrikanischen Apartheid sei eindeutig, für alle zu sehen. Und die israelische Verteidigung stelle der Artikel fast als einen nachträglichen Einfall dar, denn die Botschaft ihrer Platzierung laute: Sicher, sie werden es leugnen.

Aber wenn man die Beobachtung gegenüberstellt, dass HRW nur die jüngste Überwachungsorganisation ist, die diesen Vorwurf erhebt, sei die Hauptaussage der Schlagzeile, dass, egal was israelische Kritiker über HRW und seine Voreingenommenheit sagen, diese Kritiker nicht glaubwürdig sind, weil es nicht nur HRW ist, sondern auch andere, die den Vorwurf der Apartheid und des Rassismus erhoben haben und dies weiterhin tun. Das sei eine starke Bestätigung der Anschuldigung, gleich zu Beginn.

Diese Botschaft werde dann im Hauptteil des Artikels wiederholt, wobei der Punkt ausdrücklich hervorgehoben sei. Im einleitenden Absatz heißt es, dass »Hunderte von Menschenrechtsgruppen, die sich 2001 in Südafrika versammelten, Israel der Apartheid beschuldigten«, und nun, »zwei Jahrzehnte später, ist eine kleine, aber wachsende Zahl israelischer und internationaler Beobachter zu einer Schlussfol-


110    https://mondoweiss.net/2021/05/


gerung gelangt, die viele Palästinenser schon vor langer Zeit gezogen haben: dass Israel eine Form der Apartheid praktiziert, das rassistische Rechtssystem, das Südafrika bis Anfang der 1990er Jahre beherrschte.«

Kingsley folge dann mit seiner Zusammenfassung des HRW-Berichts und verlinke auf dessen 213 Seiten – »mit dem Argument, dass Israel eine Politik der ethnischen Vorherrschaft verfolgt, die israelische Juden gegenüber Palästinensern sowohl in Israel als auch in den besetzten Gebieten bevorzugt.«

Herbst erklärt dann, dass der von ihm so gelobte Artikel dann Ken Roth zitiert, den jüdischen Exekutivdirektor von HRW, der erklärt, dass HRW seine Meinung über Israels Rassismus/Apartheid-Etikett geändert hat, weil »die israelische Politik, die einst als vorübergehend angesehen wurde, sich im Laufe der Zeit zu einem Dauerzustand verhärtet hat«. Dann folgte ein längeres Originalzitat:

»Während ein Großteil der Welt Israels fünfzigjährige Besatzung als eine vorübergehende Situation betrachtet, die durch einen jahrzehntelangen ‚Friedensprozess‘ bald behoben werden wird, hat die Unterdrückung der Palästinenser dort eine Schwelle und eine Dauerhaftigkeit erreicht, die den Definitionen der Verbrechen von Apartheid und Verfolgung entspricht.«111

Kingsley, so Herbst weiter, korrigierte daraufhin das Versäumnis seiner Zeitung, über den Apartheid-Vorwurf von B’Tselem zu berichten, den North in seinem Artikel vom Mittwoch ordnungsgemäß anführte.

»Im Januar erhob die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem dieselbe Anklage und schloss sich damit zwei anderen israelischen Organisationen an. Sie wiederholte damit Behauptungen, die Palästinenser mindestens seit den 1960er Jahren aufgestellt haben und die der frühere Präsident Jimmy Carter 2006 bekanntlich aufgestellt hat.«112

Herbst findet es wichtig, dass die Times feststellt, dass weder B’Tselem noch HRW allein dastehen. Ihre Ansichten werden durch die Ansichten anderer gestützt, die in Israel vor Ort sind und die wissen, wovon sie sprechen.

Dies sind die ersten sieben Absätze des Artikels, meint der Autor dann, bevor die üblichen Verdächtigen, die den Standpunkt der israelischen Regierung vertreten, zu Wort kommen. Aber schon nach fünf Absätzen, in denen der Bericht kritisiert wird, kehre Kingsley zu seiner Analyse des Berichts zurück, die im Wesentlichen die These der Pro-Israel-Kritiker widerlegt, dass die Vorwürfe des Rassismus und der Apartheid ‚unbegründet‘ und ‚empörend‘ seien. Er beschreibe die internationalen Gesetze, die Apartheid definieren als »ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit, bei dem eine


111    https://mondoweiss.net/2021/05/

nyt-coverage-of-the-human-rights-watch-apartheid-report-is-a-game-changer/

112    https://mondoweiss.net/2021/05/


Gruppe eine andere durch vorsätzliche, systematische und unmenschliche Unterdrückungshandlungen dominiert. Der Begriff Rasse wird weit ausgelegt und bezieht sich auch auf ethnische Gruppen.«

Kingsley verweise dann auf »das besetzte Westjordanland als Beweisstück A« und stelle fest, dass HRW sagt, dass »Israel ein Zweiklassensystem geschaffen hat, in dem einige Palästinenser unter Militärherrschaft und israelische Siedler unter einem zivilen Rechtssystem mit größeren Freiheiten leben«, eine Ungleichheit, die laut HRW

»auf die für Apartheid erforderliche Systemunterdrückung hinausläuft.« Dann verweise er auf Israels vollständige Kontrolle über 60 % des Westjordanlandes, sein System von Kontrollpunkten und ein Genehmigungssystem zur Regulierung der palästinensischen Bewegungsfreiheit sowie »die gewaltsame Vertreibung Tausender Palästinenser aus ihren Häusern, die Verweigerung des Aufenthaltsrechts für Hunderttausende Palästinenser und ihre Verwandten und die Aussetzung grundlegender Bürgerrechte für Millionen von Palästinensern«, die HRW als Maßnahmen anführt, die der Definition von Apartheid entsprechen.

Kingsley zitiert also Kapitel und Verse aus dem HRW-Bericht, die die Fakten vor Ort hervorheben, die den Vorwurf der israelischen Kritiker, der Apartheidvorwurf sei

‚unbegründet‘ und ‚empörend‘, vollständig widerlegen. Während in den nächsten Absätzen wieder israelische Beamte zu Wort kommen, heiße es in dem Artikel erneut: »Human Rights Watch steht mit seiner Einschätzung jedoch nicht alleine da. Ihr Bericht folgt einem Paukenschlag ähnlicher Anschuldigungen israelischer Menschenrechtsgruppen.«

»Meiner bescheidenen Meinung nach verrät die Wiederholung dieses thematischen Arguments unmissverständlich die Ansichten des Verfassers des Artikels, der den Palästinensern, und insbesondere einem Palästinenser, das letzte Wort überlässt. Lesen Sie die letzten paar Absätze des Artikels:

Viele Palästinenser begrüßten die Unterstützung von außen als Bestätigung ihrer seit Jahren vorgebrachten Argumente, auch wenn einige verwundert darüber waren, dass das Thema, das ihren Alltag bestimmt, immer noch als Debatte angesehen wird.

In Ostjerusalem, das Israel 1967 annektiert hat und das die Palästinenser als ihre künftige Hauptstadt betrachten, hat Fakhry Abu Diab, ein 59-jähriger Buchhalter, nach eigenen Angaben mindestens acht Mal eine Baugenehmigung für die Erweiterung seines Hauses beantragt, um Platz für seine wachsende Familie zu schaffen. Und achtmal wurde der Antrag abgelehnt.

Schließlich gab er auf und baute einen Anbau ohne Genehmigung. Jetzt hat die israelische Regierung eine Abrissverfügung für das gesamte Haus erlassen, eines von Dutzenden in der Nachbarschaft.


Im selben Bezirk hat die Regierung jüdischen Siedlern erlaubt, palästinensische Häuser zu übernehmen und Hunderte von neuen Häusern, ein rituelles Bad und ein Touristenzentrum zu bauen, das die jüdische Geschichte der Stadt propagiert.

‚Wir verstehen sehr gut, was hier vor sich geht‘, sagte Abu Diab. ‚Sie wollen weder mich noch meine Kinder hier haben – und deshalb geben sie uns auch keine Erlaubnis. Wir leben in einem Apartheidsystem.‘«113

»Meiner Meinung nach spiegelt er die langsame, aber stetig wachsende Erkenntnis wider, dass die Zweistaatenlösung tot ist, dass die israelische Unterdrückung der Pa- lästinenser systematisch, intensiv und allgegenwärtig ist und dass der jüdische Staat sich jetzt mit einer Ein-Staaten-Realität zufrieden gibt, die Juden auf Kosten der Men- schenrechte und der Würde der Palästinenser bevorzugt. Mit der Erkenntnis, dass Israel nicht die Absicht hat, all dies aufzugeben, wächst auch das Bewusstsein für die Berechtigung der Kritik an Israel und seiner jüdischen Bevölkerung, die nichts gegen den Rassismus unternimmt, der all dem zugrunde liegt. (...)


In diesem Artikel, so Herbst weiter, nutzte Kingsley Vorrang, Aktualität und Wiederholung, um dem Leser zu zeigen, dass der HRW-Bericht eine Anschuldigung enthält, die durch die Fakten vor Ort gut untermauert wird. Dieser Times-Artikel sei kein voreingenommener Angriff auf HRW und seinen Bericht, sondern trifft den Nagel auf den Kopf und könnte die Berichterstattung der Zeitung grundlegend verändern.

Ich weiß nicht, ob das Apartheid-Israel die New York Times und die etablierte jüdische Meinung schon verloren hat, aber Kingsleys Artikel könnte der erste Schritt zu einem Umschwung sein, der sich anbahnt. Wir sollten alles tun, was wir können, um diese Wende in der Berichterstattung zu fördern, mit Lob, wenn es fällig ist, wie hier.«114

 113    https://mondoweiss.net/2021/05/

nyt-coverage-of-the-human-rights-watch-apartheid-report-is-a-game-changer/

114    https://mondoweiss.net/2021/05/

nyt-coverage-of-the-human-rights-watch-apartheid-report-is-a-game-changer/


 

Im Januar brach die Menschenrechtsorganisation B’TSelem also mit einem Tabu. Sie nannte die israelische Regierung zum ersten Mal seit 30 Jahren ein »Apartheid-Regime«. Dabei dokumentierte sie Menschenrechtsverletzungen im besetzten Palästina auf der Westbank, in Ost-Jerusalem und Gaza. Das war ein ungeheurer Fortschritt im Kampf für die Rechte der Palästinenser, denn B’TSelem hätte nie gewagt, das zu tun, ohne dafür grünes Licht von wichtigen politischen Kreisen im Westen erhalten zu haben. Denn ihre Finanzierung beruht zum großen Teil aus Spenden der EU und von Regierungen.

Carlos Latuff kommentiert das mit einer Karikatur, welche einen B’TSelem-Aktivisten zeigt, der die israelische Fahne, die als Vorhang dargestellt wird, mit der Aufschrift »Einzige Demokratie im Nahen Osten« hochhebt, und einer schockierten Welt das dahinter liegende Wort »Apartheid« zeigt, hinter dem ein Kind mit palästinensischer Flagge kauert und »Hilfe!« ruft.


 

Die Androhung des israelischen Premierministers Netanjahu, die besetzte Westbank für Israel zu annektieren, hat Carlos Latuff dann im Juli 2020 zu dieser Karikatur geführt. Netanjahu wird als Kopf eines israelischen Panzers dargestellt, auf seiner Stirn steht »Apartheid« und zwei Masken fallen von seinem Gesicht. Auf einer steht

»Partner für Frieden« auf der anderen »Zweistaatenlösung«. Mit der linken Hand hält er ein Schild »Nur für Siedler«, in der rechten einen Hammer, mit dem er das Schild in die Westbank rammen will, während »Mutter« Palästina schimpfend den Gehstock schwingt.

Latuff schreibt dazu: »Erinnern Sie sich noch an die Zeiten, als Israel von einer ‚ZweiStaaten-Lösung‘ oder ‚keinem Partner für den Frieden auf palästinensischer Seite‘ sprach? So ein Quatsch! Es ging nie um eine Lösung oder Frieden! Israel will sein koloniales Projekt vollständig umsetzen und die Apartheid in Palästina offiziell machen.«


 

 

Am 22. Januar schreibt Latuff: »In Washington hat eine neue Regierung das Ruder übernommen, die von Gerechtigkeit, Respekt und Vielfalt spricht. Wenn es jedoch um Israel – Palästina geht, sind die Nachrichten nicht so ermutigend.«

In seiner Karikatur sitzen Trump und Biden auf einer Bank mit der Aufschrift »nur für Nicht-Palästinenser«, während Biden sagt: »Je mehr sich die Dinge ändern ...« Und man sieht die US-Botschaft in Jerusalem weiterbestehen auf der rechten Seite und die Apartheid-Mauer auf der linken.


 

Am 17. Dezember schreibt Carlos Latuff zu den Behauptungen, dass jetzt Frieden und »Normalisierung« im Nahen Osten einkehren würden, nachdem Präsident Trump auch Marokko »eingekauft« hatte: »Was die Worte ‚Frieden‘ und ‚Normalisierung‘ für Israel und Marokko bedeuten.«

Er zeichnet Trump, Netanjahu und den marokkanischen Präsidenten tanzend auf den toten Körpern von Palästinensern und Polisario-Demonstranten, während es Dollarnoten regnet und in großen Herzen zu lesen ist: »Frieden ist ... brutale Besatzung zu normalisieren.«

Haidar Eid schreibt dazu schon im September 2020 in Mondoweiss:

»Die offizielle arabische Welt scheint darauf bedacht zu sein, das palästinensische Volk durch einen fortlaufenden Normalisierungsprozess zu verraten, der vom verstorbenen ägyptischen Präsidenten Anwar Sadat in den späten 1970er Jahren eingeleitet und von den Jordaniern und der PLO in den frühen 1990er Jahren fortgesetzt wurde. Dies führte dazu, dass sich die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain anschlossen und einem Siedlerkolonialprojekt im Herzen des Nahen Ostens Legitimität verliehen.«115


Für das palästinensische Volk sei klar geworden, dass es aufgeben muss, sich auf die meisten arabischen Regierungen zu verlassen. Nur die Zivilgesellschaft – einschließlich der Oppositionsparteien, Syndikate, Gewerkschaften, Vereine, Frauenorganisationen und anderer – sei in der Lage, echte Unterstützung für ein Ende der beispiellosen Verbrechen Israels gegen die drei Teile des palästinensischen Volkes

115    https://mondoweiss.net/2020/09/normalizing-the-abnormal/


zu mobilisieren: die Palästinenser in den 1967 besetzten Gebieten, die palästinensischen Bürger Israels von 1948 und die Flüchtlinge in der Diaspora.

Deshalb seien die Lehren, die man aus dem südafrikanischen Kampf gegen das unmenschliche Apartheidregime gezogen habe, so wichtig. Das Vorbild sei die AntiApartheid-Bewegung, und die Intervention der Zivilgesellschaft war in den späten 1980er Jahren gegen das Apartheidregime wirksam. Sie könne dasselbe tun, um einen gerechten Frieden in Palästina zu unterstützen. Nichts zwinge Israel, sich an das Völkerrecht zu halten, außer Menschen mit Gewissen und die Zivilgesellschaft.

»Wir Palästinenser sind nicht länger an der sterilen Opposition gegen den Normalisierungsprozess interessiert, der durch den Vertrag von Camp David und die Osloer Abkommen eingeleitet und durch die Golfscheichtümer verstärkt wurde. Vielmehr sind wir daran interessiert, eine Antwort zu formulieren, die das vielschichtige System der zionistischen Unterdrückung Besatzung, ethnische Säuberung und Apartheid tatsächlich besiegen könnte. In dem Moment, in dem die internationale Gemeinschaft – die Zivilgesellschaft und die Regierungen – beschließt, so zu handeln, wie sie es gegen das Apartheidsystem     in Südafrika getan hat, wird Israel der Stimme der Vernunft nachgeben, die durch den Aufruf zu Boykott, Desinvestition und Sanktionen (BDS) aus dem Jahr 2005 vertreten wird. Dieser Aufruf wurde von mehr als 170 Organisationen der Zivilgesellschaft veröffentlicht und von fast allen einflussreichen politischen Kräften im historischen Palästina und in der Diaspora unterstützt.

Die herrschende Oligarchie der Golfstaaten wird ebenfalls eine Lektion lernen, nämlich dass es auf die Macht der einfachen Menschen ankommt. Diese Länder, die den Golfkooperationsrat (GCC) bilden, sind das, was der verstorbene saudische Schriftsteller Abdelrahman Munif »Städte aus Salz« nennt. Genau wie Salz, das sich sehr schnell in Wasser auflöst, werden diese großen, glitzernden Städte, von Dubai bis Abu Dhabi, Jedda und Manama, in dem Moment zerbröckeln, in dem eine andere Energiequelle als Erdöl entdeckt wird.«116

Die Palästinenser müssen sich gemeinsam mit freiheitsliebenden Menschen eine dringende Frage stellen, führt Haidar Eid weiter aus. Er fragt, wie lange die Welt Israels unverhohlenen konstitutionellen Rassismus akzeptieren werde, seine Politik der ethnischen Säuberung und seinen Siedlerkolonialismus noch tolerieren? Man wisse mit Sicherheit, dass die internationale Gemeinschaft mehr als dreißig Jahre gebraucht hat, um dem Aufruf des unterdrückten Volkes von Südafrika Gehör zu schenken. Wie lange werde das unterdrückte Volk von Palästina noch warten müssen?

Weiter fragt der Autor, ob es für die sich normalisierenden arabischen Oligarchien nicht glasklar sei, dass Israel, unterstützt von der wahnsinnigen Regierung der Vereinigten Staaten, darauf aus ist, die palästinensische Sache komplett zu liquidieren?


Trotz all dieser langen Jahre der Unterdrückung und Tausender Berichte von Menschenrechtsorganisationen und der Verweigerung grundlegender Rechte auf Bildung, Freizügigkeit, Beschäftigung und Gesundheitsversorgung werden die Palästinenser von ihren Brüdern beschuldigt, nicht flexibel genug zu sein, stellt er empört fest!

Mehr als 600 israelische Militärkontrollpunkte im besetzten Westjordanland und in Jerusalem, die mittelalterliche Belagerung des Gazastreifens und die offizielle Apartheid-Diskriminierung der palästinensischen Bürger in Israel selbst berauben die Palästinenser eines normalen Lebens. Der Autor ist der Meinung, dass dies ganz klar eine Diskriminierung sei, weil Palästinenser keine Juden sind, so wie die schwarzen Südafrikaner diskriminiert wurden, weil sie keine Weißen waren.

»Wir glauben, dass es unser Recht ist, von den arabischen Völkern zu erwarten, dass sie sich unserem Kampf gegen Israels Apartheid anschließen, indem sie das rassistische und militarisierte Regime und die Institutionen, die es am Leben erhalten, boykottieren. Genau wie die Schwarzen in Südafrika vor uns sind wir für unser Überleben zunehmend auf internationales Recht und Solidarität angewiesen, insbesondere von unseren eigenen Brüdern.

Israel hat bereits damit begonnen, 30 Prozent des besetzten Westjordanlandes zu annektieren, was als Erklärung des Endes des Traums von einem »unab- hängigen« palästinensischen Staat auf 22 Prozent des historischen Palästinas angesehen wird. Es ist die Verwirklichung dieses Traums, den die Pro-Oslo- Intellektuellen zum ultimativen Ziel erheben, das den hohen Preis rechtfertigt, den die Palästinenser zahlen müssen. Ist es nicht höchste Zeit, dass sich das palästinensische Volk von der Illusion der Zweistaatenlösung löst und einen demokratischen Ansatz verfolgt, der seine Grundrechte – Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit – garantieren kann?


Die offizielle palästinensische Führung hat damit gedroht, einige ernsthafte Schritte zu unternehmen, zu denen auch die völlige Abschaffung des Oslo-Prozesses gehören könnte, ohne jedoch die einzige logische Schlussfolgerung zu ziehen, d. h. eine Ein-Staaten-Lösung anzustreben.

Israel ist ein siedlungskolonialistischer Apartheidstaat, und die Instrumente, die gegen die Apartheid in Südafrika eingesetzt wurden, können das Modell für unseren Kampf gegen die Apartheid in Israel sein. Die Umwandlung Israels von einem ethnisch-religiösen Apartheidstaat in ein wirklich demokratisches Gebilde sollte das Ziel jedes einzelnen Menschen sein, der an die liberale Demokratie glaubt.«117