Nachwort
Der Mangel an israelischen Soldaten, die Unfähigkeit, trotz eines laufenden Völkermordes, die Hamas endgültig zu besiegen, die Anerkennung der Hisbollah durch die arabischen Staaten-Gemeinschaft, obwohl die Hisbollah durch den Iran unterstützt wird, das ständige Zurückschlagen der Hisbollah nach Attentaten bzw. Luftangriffen Israels in Syrien oder zunehmend dem Libanon und die dadurch verursachten Schäden, lassen die Vermutung aufkommen, dass wir zwar nicht vor einem sich schnell zu einem Weltkrieg eskalierenden großen Krieg stehen, aber vor einer Art 30-jährigem Krieg. Auch darin waren Zivilisten die Hauptleidtragenden.
Der Dreißigjährige Krieg war ein Krieg in Europa von 1618 bis 1648. Der 30-jährige Krieg hatte auch einen 7. Oktober. „Am 23. Mai 1618 stürmen protestantische Adlige die Burg von Prag, Sitz des Königs von Böhmen, und werfen kurzerhand die königlichen Statthalter aus dem Fenster. In diesem Anschlag entlädt sich die aufgestaute Wut über die permanente Einschränkung der Religionsfreiheit und die Unterdrückung durch die katholischen Machthaber.“[1] Und wie damals führte die Tat zu einem langen und blutigen Krieg. Und ähnlich wie damals gab es zahlreiche Konflikte, die im Hintergrund abliefen. Heute sind es Putsche, Versuche von Farbrevolutionen und auch Kriege wegen der NATO-Erweiterung, z.B. in der Ukraine, der angebliche „Kampf gegen den Terror“ in Afrika, mit dem zunehmenden Abschütteln kolonialer Reste durch ehemalige Kolonialstaaten, oder die „Eindämmung Chinas“ mit dem Stellvertreter Taiwan. Oder eben der Völkermord in Gaza mit seinen Auswirkungen auf die ganze Region.
Aber natürlich kann sich dieser schwelende Krieg jederzeit ausweiten, wenn Israel etwas einsetzt, das es im Mittelalter nicht gab: Kernwaffen.
Die französische Kolonialherrschaft über Algerien dauerte von 1830 bis 1962, also 132 Jahre. Und es war eine Geschichte von vielen Kriegen und Massakern, die man heute möglicherweise auch Völkermorde nennen würde. Und am Ende gab es natürlich eine Krise, weil viele Fachleute nach Frankreich abwanderten. Es folgten Militärputsche und Umstürze. Aber seit 2019 ist Algerien auf dem Weg, eine Demokratie nach weitgehend westlichem Vorbild zu werden.
Wenn wir 1948 als den offiziellen Beginn der Kolonialisierung Palästinas ansehen, können wir erahnen, wie lange es noch dauern wird, wenn die Entwicklung ähnlich verläuft wie im Fall von Algerien. Oder schauen wir nach Südafrika. Die moderne Apartheid begann ab ca. 1900, zuerst durch die Briten, dann die Buren, und die Ureinwohner mussten bis 1990 um die Selbstbestimmung kämpfen.
Deshalb ist auch der Völkermord von 2023/24 nur eine Episode in dem epischen Kampf um Selbstbestimmung, Gerechtigkeit und eine moderne Demokratie. Was in diesem Buch beschrieben wurde, zeigt aber deutlich auf, dass die Jahrhunderte der kolonialen Herrschaft immer noch in den westlichen Gesellschaften fest in den Köpfen verwurzelt sind. Und man erkennt das Heucheln, wenn von jenen Kräften, die sich in der modernen Zeit immer antiimperialistisch und antikolonial gezeigt haben, behauptet wird, dass sie imperialistische Gelüste hegten. Gemeint ist natürlich Russland, der Iran und China.
Die Jahre 2023/24 und die Ereignisse in Palästina werden die Entkolonialisierung der Welt beschleunigen. Etwas Ähnliches gab es auch schon in der ersten Phase der Entkolonialisierung: Als die Bilder belgischer Missionare zeigten, wie die als Eigentum des belgischen Königs angesehenen schwarzen Untertanen mit dem Abhacken von Extremitäten bestraft wurden, wenn sie die vorgegebene Arbeitsleistung nicht erbrachten.
Dieser Völkermord durch Israel wird drastischere Auswirkungen haben, als zum Beispiel der Völkermord Deutschlands in Namibia. Denn die Zeiten haben sich geändert. Zumindest muss man das hoffen.