
Was bedeutet die Durchsuchung bei und der Rücktritt des angeblich wichtigsten Manns der ukrainischen Regierung?
Der Sturz von Andrij Jermak / Ermak – Selenskyjs Strippenzieher, Vollstrecker, Türsteher und früher einmal unentbehrlicher Verbündeter – ist kein „Korruptionsskandal“. Es ist die Durchsetzung imperialer Macht. Die USA zeigen, wer das Sagen hat. Der NABU, der von den USA ausgebildete „Anti-Korruptionsagentur“ der ukrainischen Politik, stürmte das Präsidialamt nicht zufällig erst jetzt, obwohl die Beweise für Korruption schon länger kursierten. Die USA wollten Selenskyj daran erinnern, dass er weder den Krieg noch den Friedensprozess bestimmen kann und dass die Kontrolle über die Bankowa-Straße in Washington liegt, nicht in Kiew und schon gar nicht bei europäischen Kriegstreibern. Korruption wurde nicht verhindert, sondern zugelassen, toleriert, weil man wusste, sie bei Bedarf als Waffe einsetzen zu können.
Die eigentliche Geschichte ist also nicht Jermaks Rücktritt. Die eigentliche Geschichte ist, welche Werkzeuge in der Geopolitik eingesetzt werden sowie der Streit des Westens, wie ein Krieg beendet werden soll, den Russland bereits gewonnen hat. Denn die USA haben gleichzeitig den Möchtegern-Ehemals-Imperien in Berlin, Paris und London mitgeteilt, wer das Wissen über Dinge hat, die unangenehm werden können.
Wer war Anrdij Jermak?
Der Sturz von Andrij Jermak, Selenskyjs loyalstem Verbündeten und der grauen Eminenz der Ukraine, ist kein Skandal. Es ist ein Schlag auf den Tisch durch Trump. Und zwar sehr offensichtlich, genau einen Tag nach dem Aufbegehren von Jermak. Die von den USA finanzierte und ausgebildete Antikorruptionsbehörde NABU durchsuchte nicht zufällig das Haus und das Büro des mächtigsten nicht gewählten Beamten der Ukraine. In jedem anderen Land wäre sein Rücktritt nach einer Korruptionsrazzia ein politischer Skandal. In der Ukraine ist es eine geopolitische Katastrophe.
Jermak war nicht nur Stabschef, sondern der heimliche Architekt des Regimes, der Mann, über den jede Ernennung, jede oligarchische Verhandlung, jede westliche Anfrage und jede Entscheidung in Kriegszeiten laufen musste. Und die Schnelligkeit seines Rücktritts macht deutlich, dass es hier weniger um Korruption ging, sondern vielmehr um Druck – inszeniert, getimt und ausgeführt von dem einzigen Akteur, der einen solchen Hebel betätigen kann: Washington.
Die neue US-Realitätswahrnehmung?
Monatelang waren die USA gespalten zwischen den Neokonservativen, die an der Illusion einer Wendung des Krieges festhielten, und dem aufstrebenden Block der Realisten (J.D. Vance u. a.), die endlich akzeptiert hatten, was die Frontlinien seit über einem Jahr zeigten: Russland hat bereits gewonnen. Die ukrainische Armee ist zerschlagen, die Munitionsreserven der NATO sind erschöpft, und die Wähler haben genug von einem Krieg, der weder einen Sieg noch eine Strategie bietet. Die Realisten wollen nun einen kontrollierten, gesichtswahrenden diplomatischen Ausstieg, der die Gebietsverluste stillschweigend besiegelt, während Washington behauptet, den Frieden gesichert zu haben. Außerdem will man sich auf Venezuela und den Iran konzentrieren können, die als wesentlich schwächere Opfer wahrgenommen werden. Und indem man Russland scheinbar freundlich bei der Beendigung des Krieges hilft, will man sich möglicherweise die Toleranz der Bombardierung von Venezuela und dem Iran erkaufen.
Selenskyj hat sich diesem Kurswechsel mit allen Mitteln widersetzt, da Frieden seine Macht beenden würde. Und Jermak war die unerschütterliche Stütze dieses Widerstands, der Selenskyj vor jeglichem Verhandlungsdruck schützte und als Filter unerwünschte Botschaften vom Präsidenten fernhielt. Nun ist Selesnkyj von seiner wichtigsten Quelle der Unterstützung abgetrennt worden.
Die EU gerät in Panikmodus
Und schon gerät die EU in Panik. Europäische Staats- und Regierungschefs fürchten den Frieden mehr als den Krieg, denn Frieden zwingt zur Rechenschaftspflicht. Warum haben sie ihre eigene Industrie zerstört, ihre Energiesicherheit aufs Spiel gesetzt, ihre Wirtschaft in die Rezession gestürzt und Hunderte von Milliarden in Korruption investiert – für einen Krieg, den Washington nun selbst aufgeben will? Brüssel unterstützte Selenskyj bedingungslos, nicht aus Überzeugung, sondern aus purem Selbsterhaltungstrieb. Und weil man den Krieg benötigte, um von den eigenen Fehlern der Wirtschaftspolitik abzulenken.
Wenn der Krieg endet, müssen sie sich für das Leid verantworten, das sie ihrer eigenen Bevölkerung zugefügt haben. Europa braucht einen andauernden Konflikt, um die politische Abrechnung hinauszuzögern. Trump hingegen will einen Ausweg, der das Gesicht wahrt und Punkte für den Friedensnobelpreis. Das ist der wahre Konflikt zwischen EU und USA: Brüssel will die Verewigung der Krise, Washington will ein gesichtswahrendes Ende, Kiew will kämpfen bis zum letzten Ukrainer und bis zum letzten Steuer-Euro.
Moskau erkennt natürlich die Situation. Putins Botschaft war kühl und unmissverständlich: Entweder finden Verhandlungen auf der Grundlage der Realität auf dem Schlachtfeld statt und gehen den Ursachen des Konflikts auf den Grund, oder Russland wird die NATO-Verbündeten so lange zermürben, bis nichts mehr übrig ist, worüber verhandelt werden kann. Für Russland führen beide Wege zum Sieg. Russland hat keinen Grund zur Eile; es ist der Westen, dem Zeit, Waffen, Einigkeit und Glaubwürdigkeit ausgehen. Und auch die beiden von der Ukraine versenkten zivilen Öltanker im Schwarzen Meer vergrößern höchsten die Anzahl an Raketen und Drohnen auf die Infrastruktur der Ukraine, verursachen aber sicher kein „Einlenken“ Russlands.
Wenn die europäische Öffentlichkeit endlich erkennt, dass ihre „Elite“ Wohlstand, Stabilität, Industrie und geopolitische Autonomie für einen Krieg geopfert haben, der genau dort endete, wo Moskau es vorhergesagt hatte, wird die politische Abrechnung gewaltig sein. Jermaks Sturz ist nicht das Ende einer Ära, sondern möglicherweise auch der Beginn des Zusammenbruchs der EU.
Erstveröffentlichung: https://tkp.at/2025/11/29/gehts-der-korruption-jetzt-an-den-kragen/