Leitung jüdischen Museums wird Opfer
Auf Grund der Entscheidung der Abgeordneten des Deutschen Bundestages erhält der Lobbyismus gegen jede Form der Israelkritik erheblichen Auftrieb. Eines der Opfer ist Peter Schäfer, ein bekannter und anerkannter Talmud-Gelehrter, welcher seinen Posten als Leiter des jüdischen Museums aufgeben musste, weil aus seinem Haus eine Twitter-Nachricht verbreitet wurde, welche die BDS-Bewegung unterstützt haben soll.
»Der u.a. von Hanno Loewy, Direktor des Jüdischen Museums in Hohenems, unterzeichnete Aufruf richtet sich an die politischen Verantwortlichen in Deutschland sowie den Vorstand des Museums. Diese seien gefordert, 'die Einrichtung vor öffentlichen Schmähungen und Angriffen zu schützen und dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Fortsetzung ihrer hervorragenden Arbeit in einer offenen Atmosphäre unterstützt werden'.« [1]
In einem offenen Brief unterstützen auch 45 bekannte Talmud-Gelehrte Schäfer. Aber dieser wird wohl nicht das letzte Opfer sein, welches in der Folge des Bundestagsbeschlusses zu bedauern sein wird. Deutschland ist wieder ein Stück weggerückt von den liberalen, sozialen und freiheitlichen Grundsätzen und Ideen des deutschen Grundgesetzes.
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Aus Protest gegen die Unterdrückung von Kritik an Israel kündigte auch ein jüdischer Mitarbeiter des Jüdischen Museums in Berlin. Yossi Bartal wuchs in Jerusalem auf, lebt seit 13 Jahren als Autor und Übersetzer in Berlin. Ein Artikel von ihm über seine Gründe dem Museum den Rücken zu kehren, erschien in der israelischen Zeitung Haaretz.
Er erklärt, dass er nach der Führung von hunderten von Besuchergruppen durch das Museum aus Protest gegen die krasse politische Intervention der deutschen Regierung und des Staates Israel auf die Arbeit des Museums gekündigt hatte.
»Die beschämende Entlassung von Peter Schäfer, der einer der wichtigsten Lehrer des Judaismus in der Welt ist, im Kielwasser einer Kampagne von 'Fake-News', die vom israelischen Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff und Josef Schuster, dem Präsidenten des Zentralrates der Juden in Deutschland, verbreitet wird, machte klar, dass die deutsche Regierung nicht an der künstlerischen und akademischen Autonomie des Museums interessiert ist. Und ich bin nicht interessiert daran, für eine Institution zu arbeiten, die auf ihre Unabhängigkeit verzichtet, um den politischen Interessen dieses oder jenes Staates zu dienen.« [2]
In seinem Artikel wirft der Autor viele bohrende Fragen auf, auf welche die Abgeordneten des Bundestages keine Antwort geben. Schließlich stellt er fest:
»Beschuldigungen des Antisemitismus, die in Deutschland großes Gewicht haben, führen zu mehr Zensur und Selbstzensur. Kulturelle Institutionen in Deutschland, die dazu dienen sollten, eine Bühne für kritische Positionen zu bieten, werden finanziell und politisch bedroht, wenn sie es wagen, Künstler und Musiker einzuladen, die es irgendwann einmal gewagt hatten, ihre Unterstützung für gewaltfreien Widerstand gegen die israelische Besatzung zu äußern«. [3]
Er weist darauf hin, dass die Anstrengungen des israelischen Ministeriums für strategische Angelegenheiten und des Außenministeriums, in Zusammenarbeit mit rechtsextremen jüdischen Organisationen in der ganzen Welt, es geschafft hatten, jeden zu verleumden, der sich weigerte, ihrer Kampagne der Hetze gegen Menschenrechtsaktivisten beizutreten. Dies hätte nun zur Kündigung eines hoch angesehenen Hochschullehrers geführt, einfach weil er sich entschlossen hatte, das Recht von israelischen Akademikern zu unterstützen, sich gegen eine Verleumdung der BDS-Bewegung als antisemitisch zu wenden.
Ein Interview in der Frankfurter Rundschau [4] gibt noch tiefere Einblicke auch in den Widerstand, der sich gegen die Resolution der Abgeordneten des Deutschen Bundestages langsam formiert. Aber er weist auch darauf hin, dass der Rechtsruck in Deutschland zu einer immer größeren Loyalität mit der rechtsextremen israelischen Regierung führt, und zur Verfolgung von Kritikern der Regierungspolitik von Netanjahu.
»Mit dem Rechtsruck in Deutschland – und das sehen wir bei allen Parteien – wird immer klarer: Liberale Stimmen aus Israel galten noch vor einigen Jahren als begrüßenswert. Inzwischen werden sie eher als Problem gesehen. Selbst Eva Illouz (siehe das FR-Interview v. 24. Juni), eine hochangesehene Soziologin aus Israel, die eine Petition gegen die Anti-BDS-Resolution des Bundestags unterschrieben hat, wird da plötzlich mit Antisemitismus in Verbindung gebracht.« [5]
Rapper ausgeladen, der BDS nicht ablehnte
Die Meldung ging durch die Welt, wurde aber in Deutschland kaum berichtet, dass ein deutsches Musikfestival den US-amerikanischen Hip-Hop-Sänger Talib Kweli vom Festival ausgeschlossen hatte, weil er »sich weigerte, die Boykott, Desinvestment, Sanktionen [Anmerkung: BDS] Bewegung zu verdammen«. Es erscheint absurd, aber es ist tatsächlich so, dass nun der Boykott von Menschen erfolgt, die sich nicht von einem Boykott gegen Völkerrechtsbruch und Menschenrechtsverbrechen distanzieren wollen.
»Kweli enthüllte in der letzten Woche, dass er eine E-Mail vom künstlerischen Direktor des Deutschen Open Source Festivals, Philipp Maiburg erhalten hätte, in der er aufgefordert worden sei, seine Position in Hinsicht auf die BDS-Bewegung zu erklären. Dies folgte einer Entscheidung des deutschen Parlamentes, mit der die Bewegung als 'antisemitisch' beschrieben wurde.« [vi]
Maiburg hatte erklärt, dass die Entscheidung des Bundestages zwar nicht bindend sei, aber alle Verwaltungen der Regionen und Städte sowie die Vertreter Öffentlicher Institutionen aufgefordert worden seien, BDS keinen Raum oder Plattform zu gewähren. Spätestens jetzt wird die Aussage in Reden der Bundestagsabgeordneten am 17. Mai, dass BDS die Meinungsfreiheit einschränken würde, als Satire entlarvt!
»Da wir auch mit Öffentlichen Geldern arbeiten, haben wir keine andere Wahl als Sie um eine öffentliche Erklärung zu bitten, was Ihre Position hinsichtlich der BDS-Bewegung angeht.« [vii]
Was nichts anderes als eine Gesinnungsprüfung ist, um zu verhindern, dass Kritik an der rechtsextremen Apartheidpolitik der israelischen Regierung in Deutschland diskutiert wird.
Kweli antwortet auf seiner Facebook-Seite, dass es eine Lüge sei, dass die BDS-Bewegung antisemitisch ist, und dass die deutsche Regierung in faschistoide Tendenzen abrutsche und den deutschen Menschen einen schlechten Dienst erweisen würde.
Und bei der Mehrheit der Weltbevölkerung dürfte sich diese Sichtweise verbreiten. Denn bereits 137 Länder haben Palästina anerkannt, was in etwa 80% der Weltbevölkerung entspricht. Und in diesen Ländern sieht man die Entscheidung der Bundesregierung als Zensur zur Stützung des Besatzungsregimes von Israel.
Der britische Guardian berichtete am 2. Juli, dass 103 internationale Künstler, darunter Peter Gabriel, Naomi Klein und Boots Riley über die Diskriminierung von Künstlern protestiert. Sie verurteilten die Erzeugung eines politischen Klimas, welche die Rechte der Palästinenser beschränken.
»Wir sind schockiert, dass das Open Source Festival in Düsseldorf den schwarzen US-Rapper Talib Kweli ausgeladen hat, nachdem er sich geweigert hatte, die BDS-Bewegung für die Rechte der Palästinenser zu verurteilen, was zur Absage seiner Deutschland-Tour führte. Bestrebungen in Deutschland, Künstlern, welche die Rechte der Palästinenser unterstützen, politische Bedingungen aufzuzwingen, und besonders farbige Menschen und Queer-Künstler zum Ziel zu machen, ist ein beschämender Trend der Zensur, der Unterdrückung von Palästinensern und ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. (…)
Dr. Sara Roy von der Harvard Universität, eine führende Wissenschaftlerin für den Mittleren Osten, schrieb dass 'die drei Hauptziele der BDS-Bewegung, Ende der Besatzung, volle Gleichstellung der arabischen Bürger Israels, und das Recht auf Rückkehr der palästinensischen Flüchtlinge – Internationalem Recht entspricht'.« [viii]
[1] Wiener Zeitung: »Solidarität mit Jüdischem Museum Berlin«, Wiener Zeitung, 24. Juni 2019, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/kultur/mehr-kultur/2015360-Solidaritaet-mit-Juedischem-Museum-Berlin.html
[2] Yossi Bartal: »Opinion Why I Resigned From Berlin’s Jewish Museum«, Haaretz, 22. Juni 2019, https://www.haaretz.com/opinion/why-i-resigned-from-berlin-s-jewish-museum-1.7398301
[3] Ebd.
[4] Inge Günther: »Ein freier Diskurs wird erstickt«, Frankfurter Rundschau, 24. Juni 2019, https://www.fr.de/kultur/interview-yossi-bartal-juedisches-museum-berlin-12665805.html
[5] Ebd.
[vi] Momo: »Germany festival bars US rapper for refusing to condemn BDS«, Middle Easst Monitor, 13. Juni 2019, https://www.middleeastmonitor.com/20190613-germany-festival-barrs-us-rapper-for-refusing-to-condemn-bds/
[vii] Ebd.
[viii] Letters: » Talib Kweli’s removal from festival lineup is part of anti-Palestinian censorship trend«, The Guardian, 2. Juli 2019, https://www.theguardian.com/world/2019/jul/02/talib-kweli-removal-from-festival-lineup-is-part-of-anti-palestinian-censorship-trend