Geschichte wird vom Establishment geschrieben
Das Titelbild zeigt die Zerstörung einer Lebensmittelfabrik des Jemens durch die das Land bombardierende Koalition, angeführt durch Saudi-Arabien mit maßgeblicher Hilfe Großbritanniens, den USA und unter wohlwollender Duldung durch Deutschland. Ein Mann steht fassungslos in den Trümmern. Hunger und Cholera werden durch die jahrelange Bombardierung von Infrastruktur und zivilen Anlagen zur Waffe, um das Land einem regionalen Hegemon zu unterwerfen. Aber die Medien behaupten, es handele sich um einen Bürgerkrieg, was dann auch Eingang in die Geschichtsschreibung finden wird.
Geschichte
wird vom Establishment geschrieben.
(Wir lernen aus der Geschichte, was wir glauben sollen).
Jochen Mitschka, 2017
Eine Betrachtung, wie das globale Establishment die Geschichte wirksam in ihrem Sinne verändert, und für den uninformierten Betrachter in das Gegenteil der Tatsachen verkehrt.
Im Beispiel von Thailand wird detailliert aufgezeigt, welche Arten von Geschichtsschreibung es gibt, und welchen Einfluss sie auf Thailänder und die Sicht der Welt auf Thailand hatten.
Inhalt
Geschichte wird vom Establishment geschrieben
Wie aus Massenmörder Helden werden
Geschichtsschreibung: Beispiel Thailand
Die Gegenposition: Jit Phumisak
Die Korrektur der Geschichtsschreibung
Westliche Geschichtsschreibung
Wie aus Massenmörder Helden werden
Schon in der Schule werden uns menschenverachtende Massenmörder wie Karl der Große als Helden dargestellt, obwohl sie unzählige Verbrechen gegen die Menschlichkeit begingen, und die einfachen Menschen ihrer Zeit furchtbar unter ihren Eroberungskriegen litten. So geht das bis heute weiter. Henry Kissinger, einer der größten Kriegsverbrecher der Neuzeit, wird als politischer Guru verehrt und Universitätsabteilungen nach ihm benannt. "Mutter Teresa", die Kranke unter furchtbaren Schmerzen sterben ließ, "damit sie Gott näher waren", obwohl Schmerzmittel verfügbar gewesen wären, wird heilig gesprochen. Und die Kalendersprüche des Dalai Lama, so erklärt uns die Politik, seien die ethischen Glanzpunkte des gewaltlosen geistlichen Führers Tibets, eines vom bösen China unterdrückten Landes. Dabei ist der Dalai Lama der Vertreter einer menschenverachtenden Theokratie, die Menschen als Leibeigene hielt. Und so haben es die Medien leicht, die Narrative weiter zu pflegen, die schon in Schule, Studium, Kirche und Politik gepflegt werden. Was mit alternativer Geschichtsschreibung passiert, soll das Beispiel Thailand verdeutlichen.
Karl der Große
Er war ein Massenmörder, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit beging, indem er Völkermord als übliche Politik praktizierte, und der zwecks Machtverbreitung religiösen Fanatismus schürte. Einer von Karls Rachefeldzügen im Jahr 792 gegen die Sachsen liest sich in den fränkischen Reichsannalen, die von Karls Begleitern niedergeschrieben wurden, wie folgt:
"Schleunigst bot er sein Heer auf und zog nach Sachsen. Hier berief er alle sächsischen Großen vor sich und forschte nach den Rädelsführern der letzten Empörung. Da nun alle Widukind als den Anstifter bezeichneten, ihn aber nicht ausliefern konnten, weil er sich nach jener Tat wieder zu den Normannen (Dänen) begeben hatte, so ließ sich der König von den übrigen, die dem Rate des Verführers gefolgt waren, bis zu 4500 ausliefern und sie zu Verden an dem Flusse Aller alle an einem Tag enthaupten. Nachdem der König so Rache genommen hatte, begab er sich in das Winterquartier nach Diedenhofen und feierte daselbst wie gewöhnlich Weihnachten und Ostern." [1]
Das verzweifelte Festhalten der Sachsen an ihren Göttern und althergebrachten Kulthandlungen mit Tier- und Menschenopfern war für die Christen "treuloses Verhalten", das bestraft werden musste. Herzog Widukind führte auch nach Verden seine Sachsen mit Unterstützung der Friesen gegen die Franken. Das bittere Ende kam aber nach einem letzten Sieg seiner Sachsen schließlich in der Nähe von Detmold. Drei Tage wurde dort auf beiden Seiten gemordet, bis der Widerstand der Sachsen zusammenbrach. Erneut konnte Widukind entkommen, stellte sich dann aber ein Jahr später freiwillig zur Taufe. Der große Karl aber hatte seinen Rachedurst immer noch nicht gestillt. Er brach zu einem "großen Vernichtungszug" auf, wie der Historiker Rudolph Wahl bereits vor etwa 65 Jahren in seinem Buch „Karl der Große“ schrieb:
"Biograph Einhard erwähnte den Massenmord von Verden in seiner »Vita Karoli Magni«[2] nicht, er notierte lediglich über die Sachsen:
‚Wenn sie . . . etwas erreicht hatten, gestattete er (Karl der Große) niemals, dass sie unbestraft blieben, sondern zog entweder persönlich gegen sie ins Feld oder schickte ihnen seine Grafen mit einer Armee, um Rache für ihr treuloses Verhalten zu nehmen und gerechte Sühne zu fordern‘…In breiter Front gingen die Franken beiderseits der großen Straße vor, die den Rhein mit der Elbe verband. Hinter ihnen regte sich kein Leben mehr. Von der Sommerhitze ausgedörrte Wälder wurden verbrannt, die Saaten vernichtet, die Häuser niedergerissen, die Brunnen verschüttet. Wo sich ein verängstigter Bauer zeigte, der zur rechtzeitigen Flucht zu alt oder zu stolz gewesen war, wurde er niedergemetzelt. Aber es kam nirgendwo zur Unterwerfung. Das Land war ausgestorben. …’
Um die noch gelegentlich aufflammenden Aufstände einiger Sachsen gegen die Franken endgültig zu brechen, griff schließlich Karl zum Mittel der Massendeportation. Bei Einhard lesen wir:
„Nachdem er dann alle, die ihm Widerstand geleistet hatten, besiegt und unter seine Herrschaft gebracht hatte, führte er 10 000 Sachsen, die an beiden Elbufern gewohnt hatten, mit Frauen und Kindern aus ihrer Heimat und siedelte sie in verschiedenen Gruppen zerstreut in Gallien und in Germanien an… An ihrer Stelle ließ Karl in Südholstein im Jahre 804 die Obodriten, einen slawischen Stamm, den er über die sächsischen Gebiete hinaus ebenfalls bereits christianisiert hatte, ansiedeln…" (Quelle wie vor)
Wer jetzt behauptet, das hätte Karl der Große halt damals tun müssen, der übersieht, dass sein martialisches Vorgehen viel Schmerz und Leid erzeugte – jenseits aller Menschlichkeit. Dass sich von damals bis heute eine blutige Linie der Elite durch die Geschichte zieht. Dass sich die Politik von heute in keinster Weise von der früheren unterscheidet.
Henry Kissinger
Maßgeblich auf das Konto Henry Kissingers gehen die Verbrechen im Zusammenhang mit dem Vietnamkrieg, der auch noch weitergeführt wurde, als er längst als verloren galt. Trotzdem erhielt Kissinger für die Beendigung des Vietnamkrieges – unglaublich aber wahr – den Friedensnobelpreis! Dabei ist Kissinger zum Beispiel für das exzessive „Christmas Bombing" in Vietnam verantwortlich, das zu über 500.000 Toten und 2 Millionen Flüchtlingen führte. Er ist verantwortlich für die völkerrechtswidrige Bombardierung Kambodschas, bei der die Lebensgrundlage der Menschen zerstört wurde, und schließlich in der Machtergreifung eines despotischen Regimes endete, in dessen Folge 3 Millionen Menschen ermordet wurden.
Kissinger ist verantwortlich für die US-Politik, die es Suharto, dem Diktator Indonesiens, erlaubte, Osttimor anzugreifen, und zu annektieren. Die USA gaben ihm auf Grund von Kissingers Meinung Rückendeckung in der Weltpolitik und lieferten Waffen. Die Annexion Osttimors führte zu tausenden Menschenrechtsverletzungen und Morden an der Zivilbevölkerung.
Kissinger ist verantwortlich für den Putsch, gegen den gewählten sozialistischen Präsidenten Salvador Allende in Chile. Selbst Wikipedia widmet dem US-amerikanischen Dokumentarfilm „Angeklagt: Henry Kissinger“ aus dem Jahr 2002 einen umfangreichen Beitrag und vermeldet:
„Kissinger bereitete eine Verschwörung vor, die die Chilenen schockieren sollte.“[3]
In seinen Memoiren behauptet Kissinger, er habe mit den Ereignissen in Chile nichts zu tun, was offizielle amerikanische Dokumente jedoch widerlegen. So auch. General René Schneider[4], der treu zur chilenischen Verfassung stand und an einem Putsch rechter, pro-amerikanischer Militärs nicht mitgewirkt hatte, wurde als Feind der USA ausgemacht. Eine Entführung Schneiders wurde vorbereitet. Kriminelle wurden rekrutiert und von der CIA mit Waffen und Geld ausgestattet. Bei dem Versuch seiner Entführung wurde Schneider ermordet. Alexander Haig, Mitarbeiter Kissingers und ehemaliger US-Außenminister, versucht im Film, die Bedeutung dieser Ereignisse herunterzuspielen und sagt, man hätte ihn doch „nur entführen“ wollen. Entführung sei nur dann ein Verbrechen, wenn man niedere Beweggründe hätte. Der Journalist Christopher Hitchens kommentiert dies mit der Bemerkung, kein Staatsanwalt würde es einem Mörder positiv anrechnen, wenn sich dieser – neben der Leiche stehend – damit herausreden wolle, dass er das Opfer doch nur entführen wollte.
Eine Untersuchungs-Kommission, das Church Committee, befragte Kissinger zu den Ereignissen in Chile. Ergebnis der Untersuchung war, dass Kissinger über jeden Schritt des Entführungsplans informiert war und diesen unterstützt hatte. Kurz vor der Entführung will Kissinger diesen Plan jedoch widerrufen haben. Ehemalige Weggefährten bezichtigen Kissinger dafür ausdrücklich der Lüge…
Das ist nur ein kleiner Auszug aus einer viel größeren Reihe ungesühnter Verbrechen dieses hoch geehrten Politikers, der uns als Vorbild dargestellt wird.
Mutter Teresa
Schon am 8. März 2013 veröffentlichte die Süddeutsche Zeitung einen Artikel über eine Studie, die zu der Feststellung kam, dass "Mutter Teresa" alles andere als eine Heilige war [5].
"502 Dokumente und Publikationen haben die Wissenschaftler über das Leben Mutter Teresas gesichtet und nach Abzug doppelter Texte 287 davon ausgewertet. Das von ihnen gesichtete Material mache 96 Prozent aller verfügbaren Literatur über die Ordensschwester aus, behaupten sie, ohne dies genauer zu erläutern. Dennoch kommen sie zu einer eindeutigen These: Der Vatikan habe den Prozess zur Seligsprechung Mutter Teresas mit Hilfe einer PR-Kampagne auf den Weg gebracht. Das dafür erforderliche Wunder, das sie an einer Frau vollbracht habe, sei später von Ärzten widerlegt worden, so die Wissenschaftler."
Vielleicht ist der Friedensnobelpreis ja insgeheim für die Menschen reserviert, die die größten Heuchler unter den Verbrechern gegen die Menschlichkeit sind. Jedenfalls erhielt auch sie diesen Preis. Deutlicher in der Verurteilung der angeblichen Heiligen ist der Autor des Buches "Mother Teresa": The Final Verdict (2002). Auch aus diesem Buch zitiert Wikipedia:
"Aroup Chatterjee, setzt sich in seinem Werk kritisch mit der Legendenbildung auseinander und bezweifelt in einem Interview die Effizienz der Hilfstätigkeit in Kalkutta („36.000 Kranke, die sie von der Straße aufgesammelt habe. Ich fand keinen einzigen Menschen, dem das passiert ist […] Krankenwagen des Ordens sind zum Fahrdienst für die Schwestern umgebaut worden, und bei Hilferufen verwies der Orden auf die Ambulanz von Kalkutta.“).[…] So wurden außerdem laut Chatterjee leicht heilbare Patienten vom Sterbehaus nicht immer in ein Krankenhaus eingewiesen, sondern ihnen sei bisweilen durch die Behandlung womöglich geschadet worden, beispielsweise durch Verwendung nicht sterilisierter, mehrfach verwendeter Spritzen.[…] Weiterhin soll die Gabe von Schmerzmitteln untersagt worden sein. Laut Mutter Teresa sei durch das Leid eine besondere Nähe zu Jesus Christus erfahrbar, Schmerzen und Leiden seien daher positiv zu bewerten."
Mutter Teresa unternahm genau das, was nach katholischer Glaubenslehre getan werden muss, um Heiligkeit zu erreichen: soziales Engagement, religiöse Rituale und Askese. Die beiden Autorinnen Susan Kwilecki und Loretta S. Wilson erkennen hierin eine zweckbestimmte, rational geplante Vorgehensweise, die im Gegensatz zur behaupteten Selbstlosigkeit steht. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die Tatsache, dass Mutter Teresa sich selbst am Lebensende jene schmerzstillenden Mittel gönnte, die sie ihren Patienten über Jahrzehnte verweigert hatte. Was klar macht, dass sie eine dieser Heuchler/Innen war, die eigentlich als religiöse Extremistin verurteilt werden sollte, der es nicht um die Menschen ging, sondern um ihre Religion und ihren eigenen Platz in der Religionsgeschichte.
Dalai Lama
In einem Vortrag an der Universität Wien hat Colin Goldner das Lächeln des Dalai Lama entlarvt[6]. Er beschreibt, was seine "Heiligkeit", der Dalai Lama, in Wirklichkeit ist: Der Vertreter einer feudalistischen Theokratie, die mit einer Mönchsherrschaft die Menschen Tibets versklavt hatte. Natürlich sind die gesellschaftlichen Verhältnisse in China in keiner Weise vorbildlich. Aber die Theokratie, die Chinas Gesellschaftssystem in Tibet abgelöst hatte, war um ein Vielfaches schlimmer, und nur die ehemals Herrschenden, also die mit absolutistischer Macht über die Menschen entscheidenden Mönche, weinen diesem System nach.
Goldner berichtet zum Beispiel dass der Dalai Lama 40.000 Menschen als persönliche Leibeigene auf dutzenden von Landgütern, die für das Wohlbefinden seiner Familie zuständig waren, sein Eigentum nannte. Und natürlich ist ein solcher Mensch eher in Freundschaft mit der CIA und rechten Kreisen zu sehen, denn als sich für Menschenrechte einsetzender Aktivist.
Den Menschen unter dieser Theokratie wurde lebend die Haut abgezogen, noch im 20. Jahrhundert wurden Augen ausgestoßen, Gliedmaße abgehackt. Jedes Kloster hatte eine Folterkammer. Und das Netzwerk der Klöster herrschte über das Land schlimmer als eine mittelalterliche Aristokratie.
Auch religiös ist der Dalai Lama ein Fake. Die tibetische Religion kennt "Millionen" von Göttern. Und nur hochrangige Kleriker haben die Chance, ins Nirwana zu kommen. Sicher keine Frauen. Diese Religion hat nichts mit dem "echten" Buddhismus zu tun. Die Lehre schürt die Angst, dass ungehorsame Angehörige, ungeheure Höllenqualen in einer der 16 Höllen erleiden müssen. Die Angst war das wichtigste Unterdrückungswerkzeug der Theokraten. Das größte Vergehen war die Ungehorsamkeit gegenüber der Theokratie. Die Höchststrafe war die Wiedergeburt als Frau. Seine Regierung war ein staatlicher Terrorismus. Und so schien dem Dalai Lama auch Terrorismus nicht unbedingt ein Problem zu sein:
"Ohnehin schaut er sich insgeheim gern Kriegs- und Actionfilme an, gab der indischen Atombombe seinen ausgesprochenen Segen und nannte selbst nach dem U-Bahn-Attentat des Sektenfanatikers Asahara den Terroristen einen Freund, wenngleich nicht unbedingt einen vollkommenen.... " [7]
Dazu sollte man wissen, dass Asahara Terrorakte geplant hatte, die über die von 9/11 weit hinausgingen. Der Terroristenführer und Hitlerverehrer war mit zwei höchst wirksamen Empfehlungsschreiben des Dalai Lama (als dieser bereits Nobelpreisträger war) ausgestattet gewesen, was einen Teil des Zulaufs bewirkte. Der Giftgasanschlag der Sekte am 20. März 1995 war nur Vorspiel zu viel größeren geplanten Anschlägen. Dass in den westlichen Berichten kein Wort über den Dalai Lama verloren wurde, wird nicht überraschen. Es gibt weitere Links, die noch mehr Einblicke in die Abgründe jenes, vom Westen als Waffe gegen China geschmiedeten "Heiligen" gibt.
Die Kritik am Dalai Lama ist keineswegs auf obige Angaben beschränkt, sie geht aber im medialen Rummel und der politischen Nutzung „Seiner Heiligkeit“ vollkommen unter. Hier noch weitere Beispiele: Entlarvung der "Enthaltsamkeit" [8]… Kindesmissbrauch und Giftgas [9]
Dass man in Wikipedia keine Beschreibung der gesellschaftlichen Zustände Tibets vor der Wiedereingliederung nach China findet, wird den informierten Internetnutzer nicht verwundern. Dass das Schwergewicht der Wikipedia-Beschreibung auf den Exzessen gegen das gestürzte Regime – nach der chinesischen Machtübernahme –liegt, ist ebenso wenig überraschend. Insbesondere wird „natürlich“ nicht erwähnt, dass die meisten Gewalttaten an Leibeigenen ausgeführt wurden und nicht von den chinesischen Soldaten, sondern von den nun gegen die Mönche aufbegehrenden Massen von ehemaligen Gequälten. Die angebliche Unterdrückung Tibets durch China ist reine Propaganda. Oft wird sich auf die längst überwundene Phase und die Verbrechen der Kulturrevolution, die übrigens ganz China betrafen, bezogen. Und bei Wikipedia fehlt jeder Hinweis, der die Kontakte des Dalai Lamas zu Vertretern des Nationalsozialismus und der CIA, beleuchtet.
Zurückblickend kann man feststellen, dass seit der Verleihung des Friedensnobelpreises an den Dalai Lama 1989 diese „Ehrung“ immer wieder als Waffe des Westens gegen politische Gegner missbraucht wird.
Geschichtsschreibung: Beispiel Thailand
„In Wahrheit ist die Geschichte die Beschreibung der sozialen Kämpfe der Menschen. Diese Beschreibung ist ein Beispiel für den Kampf späterer Generationen. Das Studieren der Geschichte ist das Herz des Begreifens von sozialer Entwicklung, einer der wichtigen Schlüssel, der die Tür für die richtigen Aktionen {Anm. d. A.:in der Gegenwart} öffnet. Die Sakdina[10] weiß über diese Tatsache, weshalb sie das Studieren der Geschichte in ihren Händen behalten hat, und ihre Beschreibung zum Gewinn der eigenen Klasse betreibt.“[11]
In der thailändischen Geschichtsschreibung lässt sich besonders deutlich der Einfluss der jeweiligen Elite auf die Geschichtsschreibung aufzeigen. Sie wird im Westen ebenfalls in religiöse, Geschichten der Dynastien und der modernen Zeit unterteilt. Aber nur in Thailand sind die drei verschiedenen Typen der Geschichtsschreibung so klar zu unterscheiden: tamnan, phongsawadan und prawatsat.
Tamnan bedeutet „Geschichte“, „Legende“ oder „Mythen“. Phongsawadan wurde aus den zwei Pali-Worten vamsa und avatara entwickelt und bedeutet so viel wie „Die Annalen von Mitgliedern einer Blutlinie, Dynastie oder eines Königreiches“. Der letzte Typus der Geschichtsschreibung prawatsat (in Pali: pravati und sattha) bedeutet nach heutigem Verständnis so viel wie „Geschichte“.
Während der Periode des tamnan lag der Schwerpunkt der Geschichten auf religiösen Themen. Im Prinzip drehte sich alles um den Buddhismus. Die Religion war das bestimmende Element der Gesellschaft. Mit der Religion und ihren Regeln waren Menschen in der Lage, in sozialen Gemeinschaften zusammen zu leben. Bis heute erkennen wir an den Überlieferungen des Ursprünglichen, also nicht die im Laufe der Jahrhunderte durch „Kirchengeschichte“ und Regeländerungen entstandene Massenreligion, dass Buddhismus in dieser Zeit auf Respekt, Rücksicht, Liebe und Aufopferung aufgebaut war. Das waren die wichtigen Elemente, die die soziale Gemeinschaft zusammenhielt und auch gegen andere beschützte.
Die Tamnan Geschichte[12]
Wenn wir heute darüber sprechen, was die Tamnan-Geschichte erzählt, dürfen wir nicht vergessen, dass erst in nachfolgenden Geschichtsperioden analysiert und interpretiert wurde, was in dieser Zeit Teil der Tamnan-Geschichte war. Grundsätzlich, so sagt man heute, beginnt die Tamnan-Geschichte mit dem Punkt an dem Gautama Buddha gelobte, die Erleuchtung zu erreichen. Dies war eine Zeit in weit zurückliegenden Jahrhunderten, bevor viele von Buddhas Reinkarnationen stattgefunden, und bevor er alle Meriten erworben hatte, um schließlich der Buddha zu werden.
Das Werk Jinakalamalipakaranam, das im Jahr 1517 entstand, gibt eine Beschreibung des Tamnan-Konzeptes in Hinsicht auf Zeit und Raum im vorher erläuterten Sinn[13]. Die Tamnan-Geschichte fährt dann weiter fort mit der Beschreibung der Karriere Buddhas, und wie er schließlich erleuchtet wurde und wie er seine Regeln lehrte, das Dhamma. Nach dem Tod von Buddha beschreibt die Geschichte verschiedene Konzile, die in Indien und Sri-Lanka stattfanden. Auch wird der Einfluss des indischen Königs Asoka in der Förderung des Buddhismus herausgehoben, was sich aber in neuerer Zeit immer deutlicher als nachträgliche Veränderung der ursprünglichen Texte herauszustellen scheint. Danach wird die Geschichte erzählt, die beschreiben soll, wie der Buddhismus nach Thailand kam. Auch dies stellt sich heute als mögliche Manipulation heraus. An diesem Punkt soll die „wahre Geschichte“ Thailands beginnen. Verschiedene Könige und Königtümer werden dargestellt, mit dem Fokus aber auf die Rolle der Religion für die Gesellschaft und die Rolle der Herrscher in der Verbreitung und Unterstützung der Religion.
Das wichtigste Thema der Tamnan-Geschichte ist also ganz klar die Religion und Gautama Buddha, der die alles bewegende Kraft in ihr ist. Der Zweck der Geschichtsbeschreibung, so die allgemeine Auslegung, ist die Beschreibung des Entstehens des Buddhismus. König und Königtümer kommen nur soweit ins Bild, als sie den Buddhismus fördern.
In dieser Weltsicht definiert also die buddhistische Tradition die Einheit einer Gesellschaft, nicht ein Territorium oder eine Zeit oder ein Königreich. Die thailändische Geschichte erscheint so als Teil der buddhistischen Tradition. Einige alte Königreiche werden als Teil von Chomphuthawip (Jambudvipa) bezeichnet, was allgemein als das alte Indien gilt. Man findet in den Geschichten den König von Sawankhalok und wie er erklärt, dass kein Mensch in Chomphuthwip ihm gleich kommen würde[14]. Man kann lesen, dass Buddha während seiner Lebzeiten von Indien über Chiangmai nach Ayudhya geflogen wäre. Diese möglicherweise nachträglich hinzugefügten Geschichten müssen als Versuch angesehen werden, eine Kontinuität zu beschreiben, die die buddhistische Tradition in Südostasien mit dem Ursprung verbindet. Sie zeigen auch, dass das damalige Establishment Thailands sich selbst als Teil der größeren Welt des Buddhismus ansah – wenn man so will – als Teil einer globalisierten Religionsgemeinschaft.
Für eine Weile war die Geschichte durch die Gesetze des Buddhismus geregelt. Aber wenn Chomputhawip Indien war, konnte es nicht gleichzeitig Thailand sein. Wenn ein thailändisches Königreich als Teil von Chomphuthawip angesehen wurde, kann es sich nicht um das gleiche Territorium gehandelt haben. Man sagt, dass Buddha im Norden von Thailand herumgereist wäre, und man beschrieb, wie er die lokalen Menschen traf, deren Sprache er aber nicht sprach. Die Historiker dieser Periode stellten aber fest, dass Buddha zu ihnen in der Sprache der lokalen Menschen sprechen musste, um sich verständlich zu machen. In einer Geschichte wird nicht nur eine Verbindung zwischen Thailand und dem Ursprung des Buddhismus hergestellt, sondern auch die herausragende Bedeutung Thailands wird behauptet[15]. Spätestens an diesem Punkt beginnt die Authentizität vollständig zu bröckeln.
Die Tamnan-Sicht der Geschichte bedeutete, dass der Buddhismus aus Indien stammte, aber nun sein Zentrum in das besondere Königreich Thailand verlegt hätte. Hier würde die Religion bis zum Ende des Jahres 5000 nach dem Tod von Buddha überleben.
Nun dürfte klar sein, warum die Tamnan-Geschichte sich auf die Religion fokussiert. Sie wurde von Mönchen und anderen religiösen Männern geschrieben, die bekannt waren als Rusi (rsi), Chipakhao oder Chiphakhao und Khru-ba-achan. Der Rusi war eine Art Einsiedler, der Chipakhao war jemand, „der ein weißes Gewand trug“. Der Chipakhao war ein Mensch, der sich strikt an religiöse Regeln hielt, aber nicht in der Lage war, vollkommene religiöse Disziplin einzuhalten. Der Khru-ba-achan war ein Lehrer. Alle drei Menschentypen waren religiös geprägt, stammten aus der Erziehung von Klöstern und spielten eine wichtige Rolle im sozialen Leben der Gemeinschaft. Sie waren die „Elite“ ihrer Zeit und also bemüht, die Regeln zu erstellen und auf ihre Einhaltung zu achten. Andererseits waren sie von den strengen Regeln der Sangha (buddhistisch religiöse Organisation, ähnlich dem königlichen Hof, aber für religiöse Fragen zuständig) befreit. Es waren sozusagen die ersten weltlichen Führer.
Der Übergang zur nächsten Periode der Geschichtsschreibung ist verwischt, da die letzten Werke, die man der Tamnan-Periode zuschreibt, zunehmend gewalttätig werden und immer stärker „weltliche“ Züge zeigen, wodurch sie sich aus der religiösen Sichtweise entfernen.
Die Phongsawadan Geschichte
Diese Art der Geschichtsschreibung begann etwa im siebzehnten Jahrhundert, vielleicht während der Regentschaft von König Narai (1657-1688) von Ayutthaya[16]. Sie war die Folge drastischer Veränderungen in der thailändischen Gesellschaft, denn nun hatten die Menschen Kontakt mit Ausländern bekommen, besonders mit Europäern. Und so machten gelehrte Männer, Schreiber, nicht mehr Karriere im Kloster, sondern am königlichen Hof, und ihr Denken wurde nicht mehr strikt von Religion bestimmt, wie in früheren Zeiten, sondern die Religion begann ein Werkzeug zu werden.
Nach einem längeren Prozess der politischen Entwicklung hatte sich herausgestellt, dass Königreiche mächtige autonome Institutionen werden konnten, die zunehmend der religiösen Führung den Rang abliefen. Historiker waren nun Männer, die die kulturellen Aktivitäten des Landes leiteten und entwickelten, weniger die rein religiösen.
Das Werk „Phraratchaphongsawadan Krung Si Ayudhya chadbap Luang Prasoet“, die Chronik von Ayutthaya, wurde im siebzehnten Jahrhundert von einem königlichen Astrologen geschrieben, nicht mehr von Persönlichkeiten aus dem Umfeld der Klöster. Die Sprache war nicht mehr das internationale Pali, sondern die weltliche, ethnische Sprache der Region, das Thailändisch dieser Zeit. Buddhismus hatte nicht seinen Einfluss verloren, aber er spielte nun eine untergeordnete Rolle und wurde zur Stützung der neuen Ordnung eingesetzt. Dabei war der Prozess lang und möglicherweise schmerzhaft. Denn viele der später führenden Männer wurden nach wie vor in Klöstern erzogen. Aber ihre Treue galt nicht mehr der Religion, sondern ihrem Vorgesetzten, dem König.
Die Phongsawadan-Geschichte ist eine dynastische Chronik, die in erster Linie die Aktivitäten der Könige und Königreiche hervorhebt und lobpreist. Manche erklären, dass es eine Geschichte des Staates wäre, verglichen mit der vorhergehenden Geschichte der Religion. Aber Teile der Tamnan-Periode, besonders diejenigen, die dem neuen Gesellschaftskonzept dienlich waren, konnte man noch lange auch in der Phnongsawadan-Geschichte wiederfinden.
Die Geschichtsschreibung der Phongsawadan-Periode beginnt in der Regel mit der Gründung eines Königreiches und der Auflistung der Aktivitäten der aufeinander folgenden Könige. Diese neue Art, die prinzipiell nichts mehr mit Buddha, seiner Lehre und ihren Regeln zu tun hat, kann in den Chroniken, die auf Befehl von Rama I in Bangkok um das Jahr 1800 geschrieben wurden, deutlich gesehen werden. Diese Geschichte beschreibt die Existenz von Bangkok als Nachfolger des gefallenen Königreiches von Ayutthaya.
Die Prawatsat Geschichte
Im neunzehnten Jahrhundert veränderte sich die Geschichtsschreibung erneut. In dieser Zeit wurde moderne Technologie aus dem Westen nach Thailand gebracht. Die wichtigste Maschine für die Entwicklung der Geschichtsschreibung war vielleicht die Druckerpresse. Ausgerechnet ein amerikanischer Missionar soll die erste Druckerpresse importiert haben, um seine christlichen Manifeste zu drucken und die Menschen leichter missionieren zu können. Er begann jedoch, mit alten historischen Werken zu arbeiten, und veröffentlichte Übersetzungen chinesischer Geschichten ins Thailändische. Prinz Damrong, der Bruder von König Mongkut, der einer der führenden Historiker Thailands werden sollte, gestand einmal, dass sein Interesse am Lesen aus dem Buch Sam Kok von Dr. Bradley, wie der Missionar hieß, entstanden war.[17]
In dieser Zeit begann für Thailand die Bedrohung des Imperialismus, hauptsächlich aus Frankreich und England. Das Auftreten der Europäer hatte einen großen Einfluss auf das Denken der thailändischen Elite. Sie begann, ihre Arbeit zu reformieren und sich stark an die Linie der europäischen Länder anzupassen. Wir können diese Veränderungen besonders gut während der Regentschaft von König Mongkut und später noch deutlicher während der von König Chulalongkorn sehen. Und diese beiden Könige legten auch großen Wert auf die „richtige“ Geschichtsschreibung. Reynolds[18] schrieb darüber:
„Von den Monarchen der Bangkok-Periode drückten die Könige Mongkut und Chulalongkorn besonders ausdrückliches Interesse an der Vergangenheit aus und beachteten sie in jedem Moment der internen Reform. Der Druck der Westmächte und die Reaktionen der Menschen aus dem Westen stellten die Vergangenheit in Frage und schärften das historische Bewusstsein. Allerdings ein Bewusstsein, dass von ihnen und ihren Vorfahren „geschaffen“ worden war. Wir wissen aus der Geschichte der Pharaonen, wie mühsam es war, mit Steinmetzen die Geschichte umzuschreiben. In Thailand war das einfacher, da in Kriegen Schriften und Geschichts-Artefakte verloren gingen.“
Im Jahr 1833, so die offizielle Geschichtsschreibung Thailands, fand der König angeblich eine Inschrift von Ram Khamhaeng in Sukhothai, die aus dem dreizehnten Jahrhundert stammen sollte. Er brachte die Inschrift nach Bangkok und begann, die Epigraphik zu fördern, die schon bald von ausländischen und thailändischen Lehrern weiterentwickelt wurde.
Der erste Band über die Inschrift erschien im Jahr 1924, weitere folgten. Einige ausländische Forscher sehen die Steintafeln aber als eine später entstandene Fälschung an. Aber für Generationen von Schülern und Studenten war und ist diese Inschrift eine Kernaussage der Ewigkeit und potentiellen Leistung der absolutistischen Monarchie. Ob die Steintafeln Fälschungen sind, obwohl Sie UNESCO - Ehren erhielten, oder nicht, wird in Thailand heftig, emotional, und mit großem Einsatz bestritten. Müsste doch ansonsten die Geschichte des Landes umgeschrieben werden.
Die Könige sahen nun die Geschichtsschreibung auch als Werkzeug an, territoriale Ansprüche zu erheben. So erhob zum Beispiel König Mongkut gegenüber Frankreich den Anspruch auf kambodschanisches Gebiet und präsentierte eine Chronik, mit der er gegenüber französischen Diplomaten seinen Anspruch zu belegen suchte.[19] Sein Sohn Chulalongkorn zeigte auch großes Interesse an Geschichtsschreibung, denn er machte selbst große Anstrengungen in diesem Gebiet. Oft bezog er sich auf die Geschichte, um seine Argumente zu untermauern. So zum Beispiel, um den Anspruch einer Blutlinie, die Frage der Nachfolge und der Erbfolge zu erklären[20].
Man erkennt sofort, wie groß der Einfluss der Politik und der Machtansprüche der jeweils Herrschenden auf die Geschichtsschreibung war. Dies drückte sich auch in der Anpassung der Geschichtsschreibung an die westliche Art aus. Man ging weg von der rein beschreibenden Form hin zu einer analysierenden und erklärenden Geschichtssicht. Letztere war – nicht nur in Thailand – besser geeignet, Herrschaftsansprüche zu belegen. Einer der führenden Historiker jener Zeit wurde Prinz Damrong, dessen Arbeiten bis heute die Geschichtssicht der Schüler Thailands prägen, und der auch im Ausland meistzitierter Historiker Thailands ist.
Mit den westlichen neuen Techniken gelangten aber auch Bücher und Schriften in den Grand Palace. Und schon bald reichte der Platz nicht mehr aus, und bis zum Jahr 1932 hatte sich eine Sammlung von mehr als 200.000 Büchern ergeben, die in eine Büchereiorganisation geflossen waren. Während damals noch keine Zensur ausgeübt wurde, war der Kreis derjenigen, die Zugang zu den Büchern hatten, klein, und stellte keine Gefahr dar, für eine, das thailändische Narrativ gefährdende Verbreitung anderer Ansichten. 1966 flossen die Bücher in die neue Nationalbücherei des Landes, womit auch die Kontrolle derselben institutionalisiert wurde.
Bis zu dieser Zeit war das Studium der Geschichte eine Sache der thailändischen Elite gewesen. Der Stil hatte sich aber wie beschrieben verändert und wurde von im Ausland gebildeten Prinzen geprägt. Im Jahr 1933 jedoch, nach der Revolution, wurde Geschichtswissenschaft institutionalisiert. Zunächst traf es auf großes Interesse. Mit zunehmender Beschränkung der Lehre und Forschung jedoch schwand das Interesse, bis sich Anfang des 21. Jahrhunderts nur noch kleinste Gruppen für das Studium der Geschichte interessierten.
Diese neue thailändische Geschichtsschreibung, wie sie heute noch die Schüler und Studenten prägt, wurde also im Wesentlichen von zwei Persönlichkeiten geprägt: von Prinz Damrong (1862-1943) und Luang Wichitwathakan (1898-1962).
Prinz Damrong
Prinz Damrong hatte sowohl eine thailändische als auch eine europäische Ausbildung genossen. Er war einer der ersten, der „wissenschaftliche“ Methoden anwandte. Man sagt von ihm, er hätte die Brücke zwischen europäischer und thailändischer Kultur und Wissenschaft gebaut. In seiner Geschichtsschreibung dominieren das Königreich und die Monarchie. Sie sind die zentralen Themen. Im Prinzip also die Geschichte seiner Familie. Historische Elemente wurden immer nur als Teil dieser beiden institutionellen Einheiten beschrieben.
Damrong verwandte neue Methoden, aber nur, um damit alte Grundlagen neu erscheinen zu lassen. Er beschrieb seine Familie und nicht die Geschichte. Und das, obwohl Thailand längst Teil einer Region, ja einer sich globalisierenden Welt geworden war.
Luang Wichitwathakan
Luang stammte aus bescheidenen Verhältnissen und wurde innerhalb der Sangha geschult und gebildet. Ein großer Teil seines Wissens erarbeitete er sich als Autodidakt. Er verließ dann das Kloster und wurde Mitarbeiter im Außenministerium und von dort an die Botschaft nach Paris und zu den Vereinten Nationen geschickt. 1931 veröffentlichte er sein erstes Werk unter dem Titel Weltgeschichte (12 Bände). Nach der Revolution von 1932 wurde er Sprecher der neuen Regierung. Dann arbeitete er von 1932 bis 1962 unter verschiedenen Regimes, wobei er anscheinend immer dem jeweils Herrschenden zu Diensten war. Seine wichtigsten Positionen erhielt er unter den Diktatoren Phibun und Sarit, die er beriet und deren Geschichtsbild er umsetzte:
Er war der erste Vertreter eines modernen thailändischen Nationalismus. Seit 1932 hatten verschiedene aufeinander folgende Regierungen versucht, eine neue Legitimation aufzubauen, nachdem die absolutistische Monarchie abgeschafft worden war, aber Demokratie sich nicht durchsetzen konnte. Luang war auch ein glühender Verfechter des thailändischen Nationalismus während des Krieges, er war Sprecher von nationalistischen Bewegungen. Auf seine Werke baut die extremistische Volksallianz für Demokratie (PAD), wenn sie Territorialansprüche gegenüber Kambodscha erhebt.
War die Geschichtsschreibung von Prinz Damrong also eine im Interesse der Glorifizierung seiner Dynastie, bezweckte die Geschichtsschreibung von Luang eine Rechtfertigung für nationalistische und diktatorische Politik? In seinem Essay zum Beispiel, in dem er die Franzosen beschuldigte, Thailand Kambodscha „gestohlen“ zu haben, „übersah“ er vollkommen den aufstrebenden Nationalismus in Laos und Kambodscha und vor allen Dingen die historischen Gegebenheiten der Khmer-Kultur.
Luang Wichitwathakan wurde oft wegen seiner Methodologie verurteilt. Er war ein typischer Politiker, der Fakten und Genauigkeit ignorierte. Seine Schriften basierten oft auf „Hörensagen“ oder eigener Vorstellungskraft. Er glorifizierte die thailändische Rasse ins Extreme und ignorierte große Teile der Geschichte. Trotzdem oder gerade deswegen war und ist Luang Wichitwathakan sehr populär. Er wird bis heute gerne zitiert und Teile seiner Werke werden heute noch gelehrt.
Die Gegenposition: Jit Phumisak
Soweit die offizielle Geschichtsschreibung, die heute noch von diesen beiden Persönlichkeiten Luang Wichitwathakan und Prinz Damrong beherrscht wird. Aber es hat auch eine Gegenposition gegeben. Eine, die jedoch verboten, verfolgt und ausgelöscht wurde.
Diese Geschichtsschreibung war genauso einseitig wie die von Prinz Damrong und Luang, nur vertrat sie die Position der gesellschaftlichen Gruppen, die bisher noch niemals beschrieben worden waren, deren Schicksal keinen der Geschichtsschreiber der Vergangenheit interessierten: das einfache Volk.
Jit Phumisak (1930-1966) war der Sohn eines kleinen Provinzbeamten, der in seiner Kindheit oft den Ort und die Schule wechseln musste, weil sein Vater versetzt wurde. Nach dem 2. Weltkrieg zog er nach Bangkok und beendete seine High-School-Ausbildung. Seine Karriere als Schriftsteller begann während seines Studiums an der Fakultät der Künste der Chulalongkorn Universität. Mitte der 1950er Jahre verlor die diktatorische Phibun-Regierung nach und nach an Popularität, Phibun wandelte sich vom Saulus zum Paulus und versuchte, durch demokratische Reformen und Erlaubnis der Redefreiheit an der Macht zu bleiben.
Viele Artikel und Bücher von Jit stammten aus dieser Zeit, so dass Phibun indirekt und unbewusst als Förderer Jits angesehen werden kann. In dieser Zeit entstand auch Jits vielleicht wichtigstes Werk „Chomna Sakdina Thai“ (Das Gesicht des thailändischen Feudalismus). Es ist eine marxistische Analyse der thailändischen Geschichte und stellt die Gegenposition zu Allem dar, was bisher als Geschichte gelehrt worden war.
Verständlicherweise wurde Jit Phumisak, zusammen mit anderen Schriftstellern verhaftet, als Diktator Sarit die zaghaften Demokratisierungsbestrebungen Phibuns abwürgte und letzterer ins Exil gehen musste. Sarit führte zwei erfolgreiche Coups im Jahr 1957 und 1958 durch. Jit musste daraufhin sechs Jahre im Gefängnis verbringen, wo er aber ganz erstaunlicherweise einen großen Teil seiner bekannten Werke verfasste und es schaffte, diese aus dem Gefängnis zu schmuggeln. Sie wurden unter verschiedenen Pseudonymen veröffentlicht und bildeten den intellektuellen Unterbau für einen entstehenden Widerstand gegen die Art der thailändischen Herrschaft. Im Jahr 1964 wurde Jit seltsamerweise entlassen und floh in den Dschungel, wo er sich einer Guerillabewegung im Nordosten des Landes anschloss. 1966 wurde er erschossen[21].
Jit komponierte auch Lieder und schrieb Gedichte für die Massen, die gesungen und zitiert wurden, als sich Aufstände und radikale Studentenbewegungen bildeten.
In der Studentenbewegung von 1973 standen die Studenten vor der Wahl, Pridi Bonmayong oder Jit Phumisak zu ihrem Idol zu erheben. Die Studenten respektierten zwar Pridi, aber sie entschlossen sich für Jit, da Pridi ihnen nicht revolutionär, nicht radikal genug erschien. Jits Bücher wurden daraufhin immer wieder gedruckt und seine Lieder immer wieder gesungen, seine Gedichte gelesen. Sein Name ist bis heute ein rotes Tuch für die Herrschenden des Landes.
Zurück zur Geschichtsbeschreibung Jits. Seine Arbeit war ebenfalls stark durch westliche Einflüsse geprägt. Besonders die Rolle Amerikas in Asien in den 1950er Jahren beschäftigte ihn intensiv. Deshalb waren seine Bücher eine Warnung vor dem Imperialismus und beschäftigten sich mit der Zusammenarbeit der thailändischen herrschenden Klasse mit den Ausländern. Jit sympathisierte mit anderen Asiaten, die gegen westliche Kolonisierung kämpften, und mit der unterdrückten Gesellschaft in ihren Ländern.
In seinem bereits erwähnten Buch über den thailändischen Feudalismus deckt er die thailändische Geschichte von der Sukhothai-Periode im dreizehnten Jahrhundert bis zum Beginn des westlichen Einflusses im neunzehnten Jahrhundert ab. Er teilte, wie Marx, die Gesellschaft in zwei Klassen: die Unterdrücker und die Unterdrückten. Die Unterdrücker sind jene, die er Sakdina (Feudalisten) nennt, denen die Produktionsmittel gehörten, unabhängig davon, ob es um Landwirtschaft oder Zwangsarbeit ging. Die Unterdrückten waren die Phrai (Fronarbeiter) und die That (Sklaven), die für die Sakdina arbeiten mussten. Interessanterweise wurde in den Jahren 2009 / 2010 der Begriff Phrai für die Demokratiebewegung der Rothemden zu einem Wort, mit dem sie sich selbst klassifizierten und aus dem Schimpfwort eine Auszeichnung machten.
Es ist nicht so sehr die Frage eines marxistischen Ansatzes, die Jits Arbeit kennzeichnen, sondern dass er beschreibt, dass es eine Ausbeutung gab, die bedingt war durch eine Klassengesellschaft, durch Anspruch auf exklusive Landnutzung, durch Zwangsarbeit und durch eine ausbeutende Besteuerung.[22]
War früher die Religion, dann die Dynastien der Könige im Zentrum der Geschichtsschreibung, so gelang es Jit, die Massen ins Zentrum zu setzen. Seine Bücher sprechen von ihren Leiden und den vielen Arten, mit denen die herrschende Klasse sie zu ihrem eigenen Nutzen ausbeutete. Jits Geschichtsschreibung ist eine politische Waffe gegen die herrschende Klasse Thailands und diese tut noch heute alles, um die Verbreitung seiner Schriften zu verhindern.
Die Korrektur der Geschichtsschreibung
Die Verfälschung der Geschichte, die wir seit der ägyptischen Hochkultur kennen, hat die Geschichte der Menschheit bis zum heutigen Tag begleitet. Im Mittelalter wurden Heerscharen von Mönchen mit dem Umschreiben der Geschichte beschäftigt, später waren es Verlage, Propagandaabteilungen, Gesetze und Erklärungen von Herrschersystemen. Thailand gehört zu den Ländern, die eine der intensivsten und offensichtlichsten Manipulationen der Vergangenheit in der Neuzeit begangen hat und noch heute als offizielle Doktrin vertritt. Dieser zum großen Teil erfolgreiche Versuch, die Geschichte anders darzustellen, als sie sich in Wahrheit abgespielt hat, kann zurückverfolgt werden bis in den Beginn der Chakri-Dynastie. Die Geschichte Thailands dient der Legitimierung für einen Herrschaftsanspruch über die ganze südostasiatische Halbinsel, wie sie von rechten Nationalisten herangezogen wird. Gerade so wie die deutsche bzw. westeuropäische Geschichtsschreibung das Narrativ von „westlichen Werten“ bedient, die über die ganze Welt verbreitet werden müssen.
Westliche Geschichtsschreibung
Wer nun meint, dass es „bei uns“ so etwas nicht gibt, dass die Geschichtsschreibung neutral und „ehrlich“ wäre, dem will ich nur einige wenige Beispiele nennen, die das Gegenteil belegen:
Wenn wir von Geschichtsschreibung reden, muss es ja gar nicht ausschließlich die in den Schulen gelehrte (oder ignorierte) sein.
„Bei einer Umfrage im Jahre 2006 erklärten 85 Prozent der US-Soldaten im Irak, dass ihre »Hauptmission« darin bestehe, »Saddam für seine Rolle bei den Terroranschlägen vom 11. September zu bestrafen«. Das Verrückte ist: Saddam hatte nichts mit 9/11 zu tun!“[23]
Auf Grund der Umschreibung der wahren Geschichte also wurden auch im 21. Jahrhundert Kriege geführt, die zu Millionen Toten führten.
Gehen wir noch etwas weiter zurück und schauen wir uns an, wer nach Ansicht der deutschen Bevölkerung den Krieg gegen Nazi-Deutschland gewann. Waren noch kurz nach dem Krieg die Meinungen stark vertreten, dass Russland den größten Beitrag zur Niederlage Nazi-Deutschlands geleistet hatte, so wird heute kolportiert und von der Mehrheit der Deutschen und inzwischen auch Europäer geglaubt, dass die USA den Krieg entschieden bzw. gewonnen hätten. Der Sturm der westlichen Alliierten in der Normandie wird als entscheidender Tag der Niederlage Hitlers genannt. Tatsache ist aber, dass dieser Sturm niemals erfolgreich gewesen wäre, hätte nicht Russland schon lange die Hauptlast des Krieges getragen.
„Die britischen und amerikanischen Streitkräfte in Westeuropa waren zusammen mit 20 Divisionen der deutschen Wehrmacht konfrontiert. Nur 20!!! Im Osten kämpfte die Sowjetarmee gegen 200 Divisionen der Wehrmacht. Das heisst, rein zahlenmässig an Gegnern hat die Sowjetunion 90 Prozent des Krieges geführt und damit enorm zum Sieg beigetragen. Sogar Churchill hat zugeben, es war die Rote Armee „die der Nazi-Kriegsmaschine die Eingeweide rausgerissen hat“.
Hier eine weitere Zahl, die den Einsatz und das Opfer zeigt. Die Sowjetunion hatte 20 bis 26 Millionen Kriegstote zu beklagen. Die Amerikaner und Briten 300'000. Auf deutscher Seite, alleine nur von Juli bis November 1944 hatte das Ostheer rund 1,2 Millionen Soldaten verloren.[24]
Oder schauen wir uns die offiziellen und medial verbreiteten Narrative zur Ukraine-Krise an.[25] So wird aus einem aggressiven, gewalttätigen Umsturz, eine friedliche Revolution, und die sich gegen den Umsturz wehrenden Aufständischen zu russischen Aggressoren.[26] Und unser (ehemalige) Bundespräsident Gauck, marschiert im Gedenken an die Opfer der „Revolution“, Arm in Arm mit jenem Putschisten, dessen Verbündete die Morde begingen.[27] Die Sezession der Krim und Beantragung der Aufnahme in die russische Föderation wird zu einer Besetzung und Einverleibung.
Die Liste könnte weiter geführt werden, über Afghanistan, Libyen, hin zu Syrien, jetzt gerade Venezuela. Immer wird ein Narrativ verbreitet, welches dem Establishment entspringt, und medial so lange wiederholt, bis es tief verwurzelt in den Köpfen der Menschen steckt, egal wie oft die Lügen und Fehler nachgewiesen wurden.
Fazit
Wer die Geschichtssicht der Unterdrückten und Ausgebeuteten verbreitet, wird vom Mainstream ausgespuckt, angefeindet, verleumdet. Nicht die Tatsachen werden widerlegt, sondern die Personen, die die kritische Sicht der Geschichte oder Politik in das Bewusstsein der Menschen bringen. Sie werden mit propagandistischen Mitteln verunglimpft, mit Schmutz beworfen, als indiskutabel dargestellt. Und so wird uns das Weltbild der Eliten als unser eigenes vorgegaukelt. Von Karl dem Großen bis George Bush, mit seinem Angriffskrieg gegen Afghanistan und den Irak, und zuletzt Obama, einem Friedensnobelpreisträger, der den schmutzigen Krieg der USA, in einem bis dahin ungekannten Ausmaß ausgedehnt und quasi legalisiert hatte, werden uns die größten Verbrecher als Helden dargestellt, die im Interesse der Menschen gehandelt hätten.
So erkennen wir, dass nicht nur die Medien reformiert, sondern auch das Geschichtsbild neu definiert werden muss. Nämlich aus der Sicht der einfachen Menschen und nicht aus der Sicht der Elite. Das was wir derzeit an „Korrekturen“ sehen, um selbst Literatur und Kinderbücher „politisch korrekt“ werden zu lassen, ist eine lächerliche Veranstaltung einer Begriffsinquisition, die über die Reinheit der Sprache glaubt, die wahren Probleme übertünchen zu können.
Als Kind war ich sehr „katholisch“. Bis ich als Jugendlicher begann, Kirchengeschichte und Geschichte kritisch zu hinterfragen. Aber was mir von damals in Erinnerung blieb, war die Tatsache, dass Bezeichnungen für farbige Menschen, die heute als rassistisch gelten, damals in keiner Weise von uns Kindern so empfunden, und auch von den katholischen Lehrern nicht rassistisch belegt wurden. Das „Gendern“ von Texten und das Ersetzen von „diskriminierenden“ Begriffen ist eine vom Establishment geförderte Scheinegalisierung, die die wahren Diskriminierungen, erfolgreich in den Hintergrund rückt. Statt die durch Bomben und Waffen vernichteten Leben und Infrastrukturen in „Kriegen für Demokratie und gegen Terror“ zu erwähnen, wird diskutiert, ob der Mond nicht auch weiblich sein könnte. Statt tausende von Hungertoten bei gleichzeitigen immer weiter ins Wahnwitzige steigende Rüstungsausgaben zu kritisieren, wird die politisch korrekte Toilette in den Mittelpunkt der Diskussion gerückt, um nur anzureißen, wie geschickt Medien und Elite uns mit Themen beschäftigen, um die Diskussion zu bestimmen.
Aber über Deutungshoheit die unsere Worte interpretieren wollen, egal wie sie gemeint sind, wird in einem anderen Essay diskutiert werden.
[1] (Dollinger, Hans. Schwarzbuch der Weltgeschichte. 5000 Jahre der Mensch des Menschen Feind. (1999). Seite 120)
[2] (http://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/b/b073817.pdf)
[3] (http://www.mgh-bibliothek.de/dokumente/b/b073817.pdf)
[5] http://www.sueddeutsche.de/panorama/studie-kratzt-an-mythos-mutter-teresa-alles-nur-keine-heilige-1.1618899
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Sakdina
[11] Somsamai Sisutphan (Jit Phumisak), Chomna takdina That (Bangkok, 1974) Seiten. 57-8, in Thailand verboten.
[12] Die Darstellung von Tamnan und Phongsawadan entspricht zu großen Teilen denen im Buch von Charnvit Kasetsiri “The Rise of Ayudhya: A History of Siam in the Fourteenth and Fifteenth Centuries” (Kuala Lumpur, O.U.P. 1976)
[13] N.A. Jayawiclc:rama (tr.), „The Sheaf of garlands of the epochs of the conqueror“ (London. 1968).
[14] “Khamhaikan Chao Krungkao” (Bangkok, 1939) Seite 30
[15] Tamnan Munlasatsana (Bangkok, 1939) Seite 133
[16] (siehe unterschiedliche Schreibweisen)
[17] Aemon Chaloemrak, “Prince Damrong Rajanubhap: His Writings and his Contribution to the National Library” (Master-Thesis, Chulalongkom University, 1968) Seite. 12.
[18] C.J. Reynolds, “The Case of K.S.R. Kulap:
A challenge to Royal Historical Writing in late Nineteenth Century Thailand”, Seite
63, U(1973) p. 65.
http://www.siamese-heritage.org/jsspdf/1971/JSS_061_2e_Reynolds_CaseOfKSRKulap.pdf
[19] Reynolds, S. 64 bezieht sich auf M. Osboren und D.K. Wyatt „The Abridged Cambodian Chronicle, A Thai Version of Cambodian History“, France-Asie, 22, II (1968)
[20] Die Ernennung des Thronfolgers sollte durch den König erfolgen.
[21] Paul Handley berichtet, dass er von Regierungsbeamten in der Nähe der Phu Phan Berge exekutiert worden wäre. Die offizielle Geschichtsschreibung besagt, dass er von Dorfbewohnern erschossen worden wäre.
[22] Suchart Wawasdisri, “Jit Phumisak (Association of the Social Sciences, 1974)” jetzt in Thailand verboten.
[23] https://www.rubikon.news/artikel/vorsicht-verschworungstheorie
[24] http://alles-schallundrauch.blogspot.de/2016/04/wer-hat-den-ii-wk-wirklich-gewonnen.html
[25] https://jomenschenfreund.blogspot.de/search/label/AA%20erkl%C3%A4rt%20Bundestag%20Politik
[26] https://www.academia.edu/28606903/Das_Ukraine-Narrativ?auto=download
[27] https://www.academia.edu/8776021/The_Snipers_Massacre_on_the_Maidan_in_Ukraine