Mexiko – nur Feindbild, wenn „links“ (16.11.2025)

Was passiert gerade in Mexiko, und ist die linke Präsidentin eine „Narco-Präsidentin“ oder ein Opfer von Verleumdung?

In der Nacht zum 16. November ist ein erneuter Versuch, in Mexiko eine Farbrevolution durchzuführen gescheitert. Ich will untersuchen, was hinter den Vorwürfen steckt, womit man die Situation vergleichen kann.

Was auf den ersten Blick Medienkonsumenten vielleicht überrascht, ist, dass Donald Trump nicht Mexiko zum Ziel seiner militärischen Einschüchterungen gemacht hat, sondern Venezuela mit Krieg droht. Einem Land, das wesentlich weniger mit in die USA gebrachten zu tun hat als Mexiko, und sogar weniger wie mit den Drogengeschäften der CIA. Also versuchen wir die Situation abseits der üblichen Narrative zu erklären.

Mexikos „Mafia“

In Mexiko sehen wir viele Ähnlichkeiten zur Situation in Italien während des kalten Krieges. In Italien unterstützte die Mafia die Democracia Christiana (DC) bei Wahlen, besonders im Süden des Landes, z. B. in Sizilien, um gegen Kommunisten zu mobilisieren. Im Austausch erhielt sie Schutz vor Strafverfolgung, Bauaufträge und Einfluss auf lokale Politik. Von NATO-Ausläufern, wurden sogar Terroranschläge verursacht, um sie linken Gruppen in die Schuhe zu schieben. Der Bombenanschlag am Bahnhof von Bologna am 2. August 1980 ist eines der bekanntesten Beispiele für rechtsextremen Terror in Italien während der sogenannten „Years of Lead“ (Anni di piombo), einer Periode politischer Gewalt in den 1970er und 1980er Jahren. Er tötete 85 Menschen und verletzte über 200, als eine Zeitbombe in einem unbeaufsichtigten Koffer in einem Warteraum explodierte. Zunächst wurde der Anschlag linken Gruppen wie den Roten Brigaden zugeschrieben. Dabei war es die „Strategie der Spannung“ (strategy of tension) passte – eine Taktik, bei der Terrorakte inszeniert oder unterstützt wurden, um Chaos zu stiften, die Öffentlichkeit zu verunsichern und linke Bewegungen zu diskreditieren, um so die konservative oder rechte Politik zu stärken und den Einfluss der Italienischen Kommunistischen Partei (PCI) zu brechen. Um das zu verschleiern hatten Mafia und Geheimdienste falsche Beweise konstruiert und unterstützten Medien und Politiker von rechts bis Mitte die Schuldzuweisung auf „die Linken“. Seitdem sind Analysten, im Mainstream auch „Verschwörungstheoretiker“ immer zunächst einmal kritisch, wenn wieder über ein Attentat berichtet wird.

Aber zurück zum Hauptthema, der Zusammenarbeit der DC mit der Mafia. Prominente DC-Figuren wie Giulio Andreotti wurden der Mafia-Zusammenarbeit angeklagt. Er wurde zwar 2003 freigesprochen, aber der Prozess enthüllte die Netzwerke zwischen Politik und Mafia. Und hier kommt die Ähnlichkeit zu Mexiko. Kartelle finanzieren Wahlkampagnen, ähnlich wie Oligarchen in den USA übrigens, und erhalten im Gegenzug „hugs, not bullets“-Politik, also „Umarmungen statt Kugeln“. Was natürlich von Kritikern als Schutz im Sinne von Schutzgeld angesehen wird.

Sowohl in Italien als auch in Mexiko nutzten die Verbrecherkartelle Gewalt, um die Macht zu sichern. In Italien wurden Anti-Mafia-Richter ermordet wie Falcone und Borsellino, die Kartelle in Mexiko sollen über 400.000 Menschen seit 2006 ermordet haben. Aber in Mexiko und der derzeitigen Krise gibt es einen Unterschied. In Italien war die Zusammenarbeit mit der DC absolut dominierend. Während in Mexiko diese Politik des Wegschauens oder stillschweigenden Akzeptierens von allen Regierungen nur in unterschiedlichen Intensitäten verfolgt wird. So lange rechte Parteien die Regierungspolitik bestimmen, sieht man jedoch  keine Farbrevolutionen, vielleicht auch, weil brutaler gegen Aufstandsversuche vorgegangen wird. Sobald aber „linke“ Politik, wie derzeit, von der Regierung verfolgt wird, strömen die Mittel wieder und wird alles versucht, die Regierung zu stürzen.

Mexikos Farbrevolution

Die Auftritte von Lilly Téllez‘ auf Fox News und die Verbreitung durch rechte X-Accounts (z. B. mit Trump-Aufrufen) dienen klar der Diskreditierung der linken MORENA. Die mexikanische Politikerin der rechten PAN-Partei bezeichnete die Präsidentein als „Narco-Präsidentin“, was natürlich voll auf Linie der Trump-Regierung liegt, und deshalb über alle rechte Kanäle verbreitet wird. Konservative in Mexiko/USA nutzen es, um für eine harte Anti-Kartell-Politik, auch mit US-Intervention, zu werben. Damit wird die gleiche Ideologie verbreitet, wie sie in Venezuela von einer „Friedensnobelpreisträgerin“ ausgedrückt wird.

Die derzeitige Präsidentin Mexikos hat eine Zustimmung von über 70% in der Bevölkerung. Aber linke Regierungen waren immer weniger radikal in der Niederschlagung von Aufständen, weshalb eine Farbrevolution nun durchaus im Rahmen des Möglichen erscheint. in Mexiko gab es unter rechten oder konservativen Regierungen (wie der langjährigen PRI-Dominanz, die als autoritär-konservativ gilt, oder der PAN-Regierungen 2000–2012) zahlreiche Demonstrationen und Aufstände, die häufig mit Gewalt niedergeschlagen wurden. Diese Unterdrückung war gekennzeichnet durch Repression, das mit Militär- oder Polizeieinsätzen, Verschwindenlassen und Menschenrechtsverletzungen einherging. Die PRI (1929–2000) und Partido Acción Nacional (PAN) (2000–2012) muss man als „rechts/konservativ“ ansehen, und sie waren durch das brutale Vorgehen weniger Anfällig gegenüber Farbrevolutionen.

Die Beziehung zu den USA

Insbesondere die PAN förderte engere, pro-amerikanische Beziehungen, und war daher durch die USA mit „spezieller Beziehung“ belohnt worden. Die militärische Zusammenarbeit unter Felipe Calderón wurde intensiviert, und im gemeinsamen Drogenkrieg starben 60.000 Menschen. Die USA konnten in dieser Beziehung den größten Nutzen aus dem armen Nachbarn ziehen.

Nun gelangte aber im Oktober 2024 bei Wahlen die linke MORENA-Politikern Claudia Steinbaum an die Macht. Sie lehnt US-Interventionen ab und versucht die Souveränität des Landes wieder herzustellen, natürlich nicht zur Freude Washingtons. Im Vergleich zu den engeren Beziehungen unter früheren konservativen Regierungen (PRI und PAN) ist die Dynamik konfrontativer, aber am Ende pragmatisch nach Lösungen suchend – beide Länder sind wirtschaftlich eng verflochten. Aber natürlich versuchen die USA die öffentliche Meinung und die Politik mit den üblichen Soft-Power-Mitteln des Imperiums, und notfalls mit einer Farbrevolution durchzusetzen.

Erstveröffentlichung unter: https://tkp.at/2025/11/16/mexiko-nur-feindbild-wenn-links