Danke an die Menschen der Sowjetunion (09.05.2025)

Auf Grund der Tatsache, dass der frisch gewählte Bundeskanzler Friedrich Merz als eine seiner ersten Amtshandlungen für Aufrüstung und gegen Frieden in der Ukraine warb, möchte ich noch einmal mit kleinen Veränderungen einen Artikel aus dem Jahr 2020 wiederholen. Es ist ein Brief an die Menschen der Sowjetunion, aber insbesondere heute an die Russlands.

Menschen Russlands! Ich möchte gerne „liebe Freunde“ sagen, aber ich traue mich nicht. Ich möchte gerne euer Freund sein, aber ich verstehe, wenn das nach den Gräueltaten, welche Deutschland den Menschen der Sowjetunion und insbesondere den Menschen Russlands antat, nicht einfach zu akzeptieren ist. 27 Millionen Tote, die größte aller Opferzahlen des zweiten Weltkriegs. Aber ich möchte euch erklären, warum ich euch bitten möchte, meine Freundschaft zu akzeptieren, trotz der Politik meines Landes, welche vollkommen losgelöst von der Meinung der Mehrheit der Menschen in Deutschland durch andere Kräfte bestimmt wird. Und ich möchte erklären, warum ich, stellvertretend für viele Menschen, die nach dem Krieg geboren, aber von der Kriegsgeneration aufgezogen wurden, euer Freund sein möchte.

Entscheidend für meine Sozialisierung in Deutschland war mein Vater. Er wurde im Krieg sieben Mal verwundet, aber immer wieder zu anderen Fronten geschickt, bis ihn ein Splitter im Kopf kurz vor dem Kriegsende lebenslang behinderte. Er war kein „stolzer Krieger“. Meine Mutter erzählte mir, wie einmal ehemalige Soldaten ihn besuchen wollten, um ihm zu danken, weil er sie unter Beschuss gerettet hatte. Aber er wollte nichts mehr vom Krieg wissen, er hätte sie weggeschickt, erzählte mir meine Mutter.

Mein Vater wollte nicht gerne über den Krieg sprechen. Er schämte sich dafür, mitgeschwommen zu sein, als Soldat für ein System gedient zu haben, das er Verbrechen begehen sah. Aber als ich mich gegen seinen Willen Anfang der 1970er Jahre für vier Jahre in der Bundeswehr verpflichtete, davon zwei Jahre in Mons bei der NATO „diente“, da erzählte er mir, wie er im Krieg wieder religiös geworden war. Er berichtete, dass Menschen den Verstand verloren, wenn die „Stalinorgeln“ einen Angriff der Infanterie vorbereiteten und rechts und links die Menschen zerfetzt wurden, und wie er in dieser Situation wieder begonnen hatte, zu beten. Damals sagte ich ihm, dass die neue Bundeswehr ja gar nicht für den Krieg bestimmt ist, sondern dass die Aufgabe der neuen Soldaten der wäre, Krieg zu verhindern. Und ich hatte daran geglaubt. Das war schließlich der Geist unseres Grundgesetzes, der auch in der Schule gelehrt wurde.

Mein Vater war entschieden gegen die Wiederbewaffnung Deutschlands. Er sagte mir, dass es nun wieder losgehen würde. Es wäre immer so losgegangen. Ich hatte ihn insgeheim ausgelacht, war überzeugt, dass die deutsche Bundeswehr rein defensiv sei und „Kriege verhindern“ würde. Bis ich durch den Angriffskrieg gegen Jugoslawien aus meiner Ahnungslosigkeit aufzuwachen begann. Und immer wieder daran denken musste, was mir mein Vater gesagt hatte. Es ging wieder los. Und ich schämte mich, innerlich über meinen Vater gelacht zu haben.

Und bis zu seinem Tod im Alter von 94 Jahren verfolgten ihn diese Alpträume, aus denen er schreiend aufwachte. Ich denke, er hätte sich gerne bei den russischen Menschen entschuldigt, aber er schämte sich zu sehr, Teil der Armee gewesen zu sein, die so großes Unrecht begangen hatte, … um auf sie zuzugehen. Und so tue ich das nun angesichts des größten gegen Russland gerichteten Manövers der NATO-Mächte auch von deutschem Boden aus, in der Hoffnung, dass Sie verstehen, dass es dieses Mal eine immer größer werdende Zahl von Menschen gibt, die nicht mit dem Strom schwimmen wollen, die sich gegen einen Krieg mit Russland einsetzen, wenn auch noch eher verhalten, weil die volle Gefahr noch nicht erkannt wird.

Wenn deutschsprachige Wissenschaftler in voller Arglosigkeit wieder davon sprechen „Ordnungsvorstellungen mit militärischer Macht durchzusetzen, wenn Politiker wieder mehr Militäreinsätze fordern, wenn Medien Regierungen anderer Länder dämonisieren, wenn in beispiellosem Maße aufgerüstet wird, dann wissen wir, die Lehren des 2. Weltkriegs gehen langsam aber sicher verloren.

Aber das darf nicht sein. Deshalb, bitte verzeiht meinem Vater, und lasst uns gemeinsam gegen diesen Wahnsinn auftreten. Lasst uns Freunde sein, die gemeinsam an einem Ziel arbeiten. Nämlich an einer Welt, in der Regeln nicht nur für die militärisch Schwächeren gelten, sondern für alle! Eine Welt, in der Konflikte durch den Versuch von Interessenausgleich gelöst werden, statt durch Erpressung, Sanktionen und Bomben, die Macht des Stärkeren. Eine Welt, in der Vereinbarungen und Regeln das Handeln der großen Mächte bestimmen, und nicht die ihnen verfügbare wirtschaftliche und militärische Macht. Eine Welt, in der die Menschen über Grenzen hinweg zusammenhalten, um „die da oben“ unter Kontrolle zu bringen, sie vom Schlimmsten abzuhalten.

Es ist schwer, gegen die Indoktrination, den sozialen Druck und die Macht der Medien, gegen den Strom zu schwimmen. Aber das Internet hat ein Fenster zur Wirklichkeit geöffnet, das sich erst langsam schließen lässt. Lasst und gemeinsam versuchen dieses Fenster zu nutzen, um uns laut und deutlich zuzurufen:

Frieden – мир.

Kommt uns besuchen, so wie wir euch besuchen. Lasst uns gemeinsame Gruppen im Internet bilden, in denen wir uns in einer vereinbarten Sprache treffen und diskutieren. Lasst uns gemeinsame Aktionen starten, um gegen diesen Wahnsinn eines neuen Krieges aufzustehen. Gegen diesen Wahnsinn, den dieser Rüstungswettlauf verursacht, während immer mehr Menschen in die Armut abrutschen, die Umwelt zugrunde geht und die Dritte Welt anscheinend nur noch China als Hoffnungsschimmer sieht.

Bitte lasst euch nicht von unserem Establishment provozieren. Sie wollen, dass ihr Hass entwickelt, sie wollen, dass die Dämonisierung zu einer immer größeren Spaltung führt. Fallt nicht darauf herein. Habt Mitleid mit den bei uns Fehlgeleiteten, welche wieder, wie schon so oft, der Staatsräson folgen, dem ideologischen Mainstream verfallen sind, oft im Wahn intellektueller Überlegenheit, und im Glauben, im Besitz der einzigen Wahrheit zu sein. Wir arbeiten daran, dass sie ihre Macht verlieren. Wir arbeiten daran, dass die Menschen Deutschlands verhindern, dass uns „Mächte“ oder „Märkte“ in einen neuen Krieg drängen. Einen Krieg, den kein normaler Mensch in Deutschland oder Russland will.

Ukraine

Ich wünsche den Menschen in der Ukraine und in Russland, dass der Versuch Trumps und Putins Erfolg hat, den Krieg zwischen den Brüdern und Schwestern zu beenden. Den blutigen Krieg, den Kriegstreiber der Ewiggestrigen immer wieder entzünden. Auf dem Maidan 2014, mit der ATO gegen den Osten der Ukraine, nach Minsk2 mit Bombardierung und Aufrüstung, im April 2022 mit Verweigerung von Frieden.

Bitte glaubt nicht, dass wir die Zurückhaltung nach all diesen Phasen, als Zeichen der Schwäche ansehen. Schwäche zeigen jene, die nicht erkennen wollen, dass ihr Krieg verloren ist. Die sich nicht trauen, es den Menschen zu erklären, denen sie gerade noch sagten, dass Russland eine Tankstelle mit Atomwaffen sei, die Soldaten mit Spaten kämpfen müssten, und sie Kühlschränke wegen der Elektronik ausschlachten müssten.

Liebe russische Mitmenschen. Ich bin kein gläubiger Mensch, daher fällt es mir schwer zu beten. Aber ich hoffe inständig, dass das gegenseitige Töten von Menschen, die eigentlich eine Familie sein sollten, beendet wird, und dass die Politiker auch unseres Landes, die das Töten weiterführen wollen, endlich ihre Macht verlieren. Denn, davon bin ich überzeugt. Die absolute Mehrheit der Deutschen will in Frieden mit dem russischen Volk leben.

Erstveröffentlichung: https://tkp.at/2025/05/09/danke-an-die-menschen-der-sowjetunion/