»Friedensplan«:
Der Deal des Jahrhunderts
Am 15. Juni 2021 veröffentlichte Carlos Latuff eine Karikatur, welche deutlich machen soll, dass man von dem neuen Premierminister Naftali Bennet, dem Liebling der Siedler, wie Latuff sagt, nichts anderes erwarten darf, als eine Fortführung der ethnischen Säuberungen in Palästina. Und dies durch eine noch stärkere Siedlungspolitik als bisher. Er zeichnet den neuen Premierminister mit einer Sprechblase, in der steht: »Stärkung der Siedlungen im gesamten Land Israels« während Siedlungshäuser über Palästina regnen und »Mutter« Palästina im Hintergrund wütend den Gehstock schwingt.
Gegen Ende Februar wurde klar, dass eintreten wird, was in dem so genannten
»Friedensvertrag« steht, auch ohne die Einwilligung der Palästinenser, da die Eliten der westlichen Welt die Politik unterstützen. Carlos Latuff drückt dies durch seine Karikatur aus, welche Netanjahu in einem Panzer zeigt, dessen Kanone, gebaut aus dem Deal des Jahrhunderts, auf »Mutter« Palästina zeigt, während an dem Panzer die israelische und US-Flagge wehen, der Panzer die Aufschrift Apartheid trägt, und
»Mutter« Palästina die Karte Palästinas in Menschengröße in der Hand hält.
Latuff: »Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu und die TrumpRegierung planen, Israel die Souveränität über große Teile des Westjordanlandes zu übertragen. Die Palästinenser werden mit diesem Plan leben müssen, ‚ob sie ihn akzeptieren oder nicht‘.«
Hasan S. Ayoub verdeutlicht die Situation in einem Artikel und schreibt, dass es sich bei dem im vergangenen Monat von Präsident Donald Trump veröffentlichten »Jahrhundertabkommen« weniger um einen Friedensplan als vielmehr um eine präsidiale Durchführungsverordnung handele, die den zentralen Gründungsprinzipien und Ansprüchen des Zionismus Legitimität und Anerkennung verleiht. Es sei ein Abkommen zwischen Netanjahu und Trump einerseits und zwischen Netanjahu und den jüdischen israelischen Siedlern in den besetzten palästinensischen Gebieten (...) andererseits, in dem es um das Ausmaß geht, in dem die ethnisch-religiösen Grundlagen des Zionismus und die biblischen Ansprüche auf das Land umgesetzt werden sollen.
Trumps Friedensplan ziele im Wesentlichen darauf ab, die israelischen Siedler und ihre Unterstützer in Israel und den Vereinigten Staaten zu besänftigen, indem er die Errichtung eines lebensfähigen, souveränen und unabhängigen palästinensischen Staates rundweg ablehnt – ganz zu schweigen von der Anerkennung des Rechts der
Palästinenser auf Selbstbestimmung und Freiheit. Darüber hinaus unterstütze es die zionistisch-ethno-religiösen Vorstellungen im Zusammenhang mit dem Konflikt mit den Palästinensern um das Land.
Präsident Trumps Abkommen komme nicht nur den kolonialen und expansionistischen Bestrebungen Israels entgegen, sondern gebe auch den ethnisch-religiösen Grundlagen des Zionismus und den israelischen Ansprüchen auf das palästinensische Land nach. Der Plan sieht vor, dass Israel das Recht hat, alle israelischen Siedlungen im Westjordanland und im Jordantal zu annektieren. Er festigt die schrittweise Annäherung der USA an Jerusalem, indem er die Stadt zur »Hauptstadt Israels« erklärt.
Durch die Anerkennung dieser grundlegenden Prinzipien bestätige das Abkommen das 2018 verabschiedete israelische Nationalstaatsgesetz und die seit Langem bestehenden Behauptungen in Bezug auf das Land und die Rechte der einheimischen palästinensi- schen Bevölkerung – oder das Fehlen dieser Rechte. |
Den Palästinensern, so der Autor weiter, bietet der Plan einen »künftigen palästinensischen Staat« in den verbleibenden, abgeschirmten und isolierten Gebieten im Westjordanland, im Gazastreifen, in einigen Vierteln Ost-Jerusalems, die sich derzeit mit wenigen Ausnahmen auf der Westjordanlandseite der Mauer befinden, und in einem Stück Land, das sich bis in den Negev erstreckt.
Ayoub erklärt, dass Israels Nationalstaatsgesetz offen darlegt, wofür der Zionismus und der Staat Israel stehen: »Die Ausübung des Rechts auf nationale Selbstbestimmung im Staat Israel ist einzigartig für das jüdische Volk«. Unter der Überschrift
»Israel ist der Nationalstaat des jüdischen Volkes« definiert das Gesetz die Symbole, die Legitimität, die Sprache, die Gesetze und die religiösen Bräuche des Landes. Auch wenn die Bibel nicht direkt erwähnt werde, sei sie doch der eindeutige Drehund Angelpunkt der moralischen Rechtfertigung des Gesetzes.
Das Gesetz bekräftige ferner »die Entwicklung der jüdischen Siedlung als einen nationalen Wert und soll handeln, um ihre Einrichtung und Stärkung zu ermutigen und zu fördern«. Dies könnte in der Tat so interpretiert werden, dass es den Ostblock einschließt. Daher kappt das Gesetz jegliche Verbindung zwischen den Palästinensern und ihrem Land.
Dabei muss für deutsche Leser angemerkt werden, dass dieses Gesetz im Mai 2019 bekannt war, als deutsche Bundestagsabgeordnete immer noch von der Zweistaatenlösung redeten und davon, dass Israel sich verteidige, und die BDS-Bewegung antisemitisch sei.
Trumps Plan, so die Autorin in dem Artikel weiter, übernehme diese Bestimmungen fast wörtlich. Für die Palästinenser sei er zu Recht eine Neuauflage der Balfour-Erklärung von 1917, die auf zionistischen Ansprüchen auf das Land Palästina beruhte. Damit trete Präsident Trump in die Fußstapfen von Präsident Woodrow Wilson, der die Erklärung seinerzeit befürwortet hatte.
»Der Kern der Balfour-Erklärung besteht darin, dass die jüdischen Zionisten und später die Israelis die einzige Gruppe von Menschen sind, die das Recht auf das Land haben. In der Balfour-Erklärung (und später im britischen Mandat) werden die Palästinenser als ‚bestehende nichtjüdische Gemeinschaften in Palästina‘ bezeichnet, und es wird darauf hingewiesen, dass ‚nichts getan werden darf, was [ihre] bürgerlichen und religiösen Rechte beeinträchtigen könnte‘. Die Erklärung spiegelt in diesem Sinne die berühmte zionistische Behauptung wider, dass die Palästinenser kein Volk seien, und erklärt sie zu einer bloßen Gruppe ohne nationale Rechte auf das Land.
Die jüdische Bevölkerung, die 1918 8 Prozent ausmachte, und die jüdischen Einwanderer hatten ein vom britischen Empire anerkanntes Recht auf ein Heimatland. Sowohl in der Erklärung als auch in Trumps Abkommen werden den einheimischen Palästinensern keine nationalen Rechte zuerkannt. Das Abkommen leugnet durch Unterlassung jegliche Verbindung zwischen den Palästinensern und ihrem Land, sei es historisch, kulturell oder religiös, während es ausschließlich israelische historische Verbindungen anerkennt.
Die Absichten des Zionismus waren von Beginn seiner Bemühungen in Palästina an eindeutig. In seinem Briefwechsel mit dem damaligen Bürgermeister von Jerusalem, Yusuf Diya, schrieb Theodor Herzl 1898: ‚Sie sehen eine weitere Schwierigkeit, Exzellenz, in der Existenz der nicht-jüdischen Bevölkerung in Palästina. Aber wer würde auf die Idee kommen, sie wegzuschicken?‘
Herzls Position beruhte auf einer europäischen Rechtfertigung des Kolonialismus. In derselben Korrespondenz macht er deutlich, welche Vorteile ‚nichtjüdische‘ Menschen von der jüdischen Einwanderung nach Palästina und der Ansiedlung dort haben werden. Mit anderen Worten: Herzl fragte sich, ob die Palästinenser davon überzeugt werden könnten, dass der Zionismus ihnen zugute käme, und bezeichnete die Palästinenser ebenso wie die Balfour-Erklärung als ‚Nicht-Juden‘.«101
Der Autor ergänzt dann, dass viele Jahre später, bevor er Israels erster Premierminister wurde, David Ben-Gurion 1937 an seinen Sohn schrieb, dass er ein Gebiet außerhalb der vom Völkerbund diskutierten Grenzen anstrebe.
Das war jener David Ben-Gurion, auf den der deutsche Bundestagsabgeordnete Christian Lange im deutschen Bundestag bei der Verleumdung der BDS-Bewegung am Tag der Schande, dem 17. Mai 2019, eine herzzerreißende Lobrede hielt, die Absichten und Verbrechen zionistischer Politik dabei vollkommen ausblendete.
Ayoub im Artikel erklärt dann weiter, dass die Jerusalem Post die Absichten von Ben Gurion aufgriff und in einem Kommentar schrieb: »Ein Staat auf nur einem Teil des Landes ist nicht das Ende, sondern nur der Anfang«, womit sie die Ausweitung der
101 https://mondoweiss.net/2020/02/the-deal-of-the-century-endorses-zionist-ethno-religious-claims/
Grenzen forderte: »Die Gründung eines Staates, auch wenn es nur ein Teil davon ist, wird als mächtiger Hebel in unseren historischen Bemühungen dienen, das ganze Land zu erlösen.«
Erlösung sei das Wort, das am häufigsten von den Siedlerkolonialisten Israels verwendet wird, die koloniale Grundsätze mit ethnisch-nationalen, aus der Religion abgeleiteten Untermauerungen vermischen. In seiner Rede von 1952 behauptet BenGurion in Bezug auf die UN-Resolution 181: »Dieser Staat ist nicht identisch mit dem Land. Dieser Staat ist nicht identisch mit dem Volk ... Und wir müssen zwischen dem Staat Israel und dem Land Israel unterscheiden.« Die Identifizierung von Land, Volk und Staat impliziere, dass die Palästinenser ignoriert werden. Trumps »Deal« würde, wenn er umgesetzt wird, das liefern, was Ben-Gurion anstrebte.
»Ben-Gurions Bemerkung spielt auf einen sehr wichtigen zionistischen ethnisch-religiösen Grundsatz in Bezug auf das an, was die Expansionisten als Groß-Israel bezeichnen: Viele Stätten des biblischen Erbes befinden sich im Westjordanland und in Ost-Jerusalem, nicht innerhalb der Grenzen Israels. Trumps Plan bietet Israel eine einmalige Gelegenheit, seine Position zu festigen, indem es das besetzte palästinensische Land als untrennbaren Teil von Groß-Israel betrachtet – eine sehr wichtige Ansicht innerhalb des Zionismus. In seinem Buch ‚War Over Peace: One Hundred Years of Israel‘s Militaristic Nationalism‘ (Hundert Jahre israelischer militaristischer Nationalismus) beschreibt Uri Ben-Eliezer die ethnisch-religiösen Antriebe, die Israel in den Krieg von 1967 führten, einen Krieg, der darauf abzielte, das ‚Land Israel‘ über die Grenzen des Staates Israel hinaus zu verwirklichen. Ein Krieg, der Ben-Gurions eigene Vorstellung vom ‚Land Israel‘ verwirklichte.
Der Jahrhundertdeal spiegelt in hohem Maße den Einfluss von Zionisten und gleichgesinnten Personen und Gruppen in den engen Kreisen der Administration wider. Das gesamte Team, das hinter dem Deal steht, besteht aus glühenden rechten Fundamentalisten – darunter auch Jared Kushner. Zu den prominentesten Persönlichkeiten, die der Ankündigung des Deals beiwohnten, gehörte Pastor John Hagee, Leiter von Christians United for Israel, der sich für die ‚Souveränität über die biblischen heiligen Stätten‘ im Westjordanland einsetzt, was wohl eine israelische Annexion des größten Teils des Ostjordanlands bedeutet. Hagee hielt das Schlussgebet bei der Eröffnungsfeier der USBotschaft in Jerusalem 2018. (...)
Trump erklärte, es seien Kushner, Friedman und Greenblatt gewesen, die ihn davon überzeugt hätten, Israels Souveränität über die Golanhöhen ‚durch eine kurze Lektion in Geschichte‘ anzuerkennen. Friedman antwortete daraufhin in seiner Rede vor der israelischen Lobbygruppe AIPAC mit großem Eifer, dass der Golan das Geschenk des ‚Purim‘-Festes sei. Ein noch größeres Geschenk war damals auf dem Weg und wurde Netanjahu jetzt auf Geheiß der zionis-
tischen und rechtsgerichteten republikanischen Cheerleader der Bibel überreicht.«102
Ich weise darauf hin, dass Abgeordnete des Bundestages behaupteten, dass wer von Israel in Zusammenhang mit Kolonisation spricht, ein Antisemit sei.
Der Druck auf die Palästinenser, den »Deal des Jahrhunderts« anzunehmen, wurde Anfang Februar immer größer und Carlos Latuff kommentiert es mit einer Karikatur, welche Trump als Soldaten Israels zeigt, wie er den »Deal des Jahrhunderts« wie ein Gewehr auf »Mutter« Palästina richtet und ruft: »Kommen Sie mit erhobenen Händen heraus, sie sind umstellt.« Diese schaut aus einem Fenster, das in die Karte Palästinas eingelassen ist. Netanjahu steht daneben und redet mit einem Megafon auf sie ein. Latuff sagt dazu: »Donald Trumps #DealOfTheCentury-Plan schlägt keine Apartheid vor, sondern versucht sie zu formalisieren.«
101 https://mondoweiss.net/2020/02/the-deal-of-the-century-endorses-zionist-ethno-religious-claims/
Eine Karikatur kommentiert den »Deal des Jahrhunderts« als einen Vertrag, an dem eine Schlinge für einen Suzid hängt, die über einer Karte von Palästina pendelt, und unter dem ein Schemel steht, auf den die daneben stehende »Mutter« Palästina steigen soll, die wütend erscheint.
Mit dieser Karikatur kommentiert Carlos Latuff Ende Januar 2020 den so genannten
»Deal des Jahrhunderts« von Präsident Trump. Er hält einen Vertrag mit diesem Titel in der rechten Hand, auf der Rückseite sieht man das Wort »Apartheid«. In der Rechten einen Füller, den er versucht »Mutter« Palästina zu geben, damit sie den Vertrag unterschreibt, während Präsident Netanjahu sie in Richtung Vertrag schiebt. Dazu schreibt er: »Deal des Jahrhunderts? Nein. Es sind die neuen Kleider der israelischen Apartheid.«
»Mutter« Palästina und ein alter Araber sitzen vor einem zerstörten Haus, vor dem ein Fernseher mit einer Autobatterie betrieben das Impeachment-Verfahren von Trump in den USA live überträgt. Latuff kommentiert Ende September 2019: »Das Trump-Impeachment, wie es in Palästina gesehen wird.«
Der alte Mann sagt: »Gottseidank können wir Trump ade sagen.« Die Antwort von
»Mutter« Palästina lautet: »Ja, aber wir werden Jared Kushner für immer behalten.« Damit spielt Latuff auf den so genannten Friedensvertrag an, den der Schwiegersohn Trumps entwickelt hat.
Carlos Latuff ist der Meinung, dass die Politik des neuen US-Präsidenten Biden sich keineswegs von Donald Trumps Politik unterscheiden wird.
Warum sollte diese sich auch ändern? Die Beziehung Bidens zu Israel kann man u. a. bei Telesur nachlesen.103
Ein Satz aus 2007 »I am a Zionist. You don‘t have to be a Jew to be a Zionist« [Ich bin ein Zionist. Man muss kein Jude sein, um Zionist zu sein] spricht eine deutliche Sprache. Noch im März 2020 hielt Biden eine Rede bei der AIPAC, der pro-israelischen Lobby-Organisation in den USA, ein paar Monate später wurde er Präsident.
Latuff zeichnete am 27. Mai 2020 einen Panzer, auf dem Netanjahu mit einer Erlaubnisurkunde »Annexion« sitzt, während er von Biden umarmt und geherzt wird, und der Panzer unter ihnen in Richtung Westbank fährt und im Hintergrund »Mutter« Palästina schimpft.
Am 10. Juli 2020 warnt Carlos Latuff davor, dass durch den Druck der Siedlerorganisationen nicht länger auf die Annexion gewartet wird, sondern die Westbank schon mal den Siedlern exklusiv zur Nutzung überlassen werden soll.
Man sieht auf der Karikatur einen Siedler mit Sturmgewehr, Augenmaske und einem Sträflingshemd, während er die Westbank aus der Karte von Palästina reißt und wegrennt. Dabei klingelt eine Alarmglocke und er ruft: »Warum warten mit der Annexion?«