Deutschland und die Apartheid

 

Deutschland und die Apartheid

Heute wird der inzwischen verstorbene Nelson Mandela als Held und Friedensnobelpreisträger verehrt. Aber das war nicht immer so. Bis in die späten 1980er Jahre war das weiße Aparteid-Südafrika der bevorzugte Gesprächspartner westlicher, auch deutscher Politiker. So wie heute behauptet wird, in Israel gäbe es gar kein Apartheidsystem, tat es der Vordenker der rechtskonservativen Politik in Deutschland, Franz Josef Strauß noch 1984 im Fall von Apartheid-Südafrika.

  »So empfindet es der Burenfreund als
_____' unzulässig, schlechterdings vom Apartheidsystem zu'
_____' sprechen. Es gibt die sogenannte kleine Apartheid
, die'
_____' aber beinahe verschwunden ist ... Es wirkt ...'
_____' gespenstisch irreal, wenn die Bundesregierung ... in'
_____' kakophoner Übereinstimmung mit vielen anderen Staaten das'
_____' Apartheidsystem in Südafrika entschieden ablehnt, also '
_____' eine Lösung verlangt: one man, one vote.'
« [i]

Zu der Zeit war die FDP jedoch noch eine liberale Partei, keine rein wirtschaftsliberale Partei, und so setzte sich damals doch eine apartheidkritische Politik des von der FDP geleiteten Außenministeriums in Deutschland durch.

Die Parallelen zwischen Südafrika in den 1980er Jahren mit der Freiheitsbewegung ANC und Israel im 21. Jahrhundert mit der Demokratiebewegung BDS sind erstaunlich. So schrieb der Spiegel 2013 in einem Rückblick:

»Der Afrikanische Nationalkongress (ANC) und sein inhaftierter Chef Mandela gelten in den Achtzigern nicht nur für Strauß als eine unwillkommene Bedrohung des Status quo. Seit den Jugendaufständen von Soweto 1976 ist der Ruf der Apartheid-Regierung zwar ruiniert, doch auf politischer Ebene wehren sich gerade Konservative gegen einen Kurswechsel.« [ii]

Und während in Irland ein Gesetzentwurf im Unterhaus verabschiedet wird, der den Import von Waren verbietet, die in den besetzten Gebieten Palästinas durch israelische Firmen produziert werden, weil deren Handel gegen Völkerrecht verstößt, blendet der Deutsche Bundestag jegliche Kritik vollkommen aus, und erklärt das Gegenteil zur Staatsräson. So wie seinerzeit, als 1988 in London ein Konzert zugunsten der ANC, beziehungsweise des als Terrorist inhaftierten Nelson Mandela organisiert wurde. Damals blendete sich der Bayerische Rundfunk für mehrere Stunden aus dem Programm aus und wiederholte eine Folge der Lindenstraße.

Einer der größten Korruptionsskandale in Israel betrifft die Lieferung von deutschen U-Booten. Noch ist der Skandal überschattet durch andere Korruptionsvorwürfe. Aber so wie U-Boote, die von Israel zum Einsatz von Kernwaffen umgebaut wurden [iii], von Deutschland an Israel geliefert wurden, sogar noch teilweise mit deutschen Steuergeldern finanziert, so hatte es schon einmal einen U-Boot-Skandal gegeben.

»Zwei Jahre zuvor – zwischen Oktober 1984 und Juni 1985 – hatten Kuriere der südafrikanischen Botschaft in Bonn ein Dutzend Mal auf Mikrofilm und im Diplomatengepäck Konstruktionspläne für U-Boote ans Kap gebracht. Auch Details hatten die Macher von 'IK 97' sorgsam bedacht und in einem Memorandum schriftlich fixiert.« [iv]

Wie üblich führten die Untersuchungsausschüsse natürlich zu keinerlei ernsthaften Konsequenzen. Obwohl am 31. Juli 1984 aus dem Kanzleramt das Grüne Licht für einen Deal gegeben wurde, der offensichtlich gegen UNO-Sanktionen verstieß. Schon damals nahm man wohl die UNO nicht wirklich als die »Regeln« bestimmend wahr.

Wenn wir noch ein Jahrzehnt weiter zurück gehen, sehen wir heute in der Politik des deutschen Bundestages die Rückkehr der Politik, die in den 1970er Jahren gegenüber der Apartheid Südafrikas geübt wurde. Nur diesmal begründet mit der deutschen Geschichte des Holocaust, welche eine besondere Verantwortung gegenüber Israel erzeugt. Über die Zeit der besonderen Beziehung zur südafrikanischen Apartheit berichten heute Bücher mit dem Titel »Deutsches Kapital am Kap: Kollaboration mit dem Apartheidregime« oder »Die Südafrikapolitik der Bundesrepublik Deutschland 1968-1972« [v].

Und es ist wie beim Kampf gegen die Apartheid in Südafrika: Deutsche Politiker bestreiten ernsthaft vor dem Bundestag, dass Israel ein Apartheidstaat sei. Dabei erklärten nicht nur mehrere Beobachter, die schon die südafrikanische Apartheid kannten, der ehemalige Präsident der USA, Jimmy Carter schon im Jahr 2007[vi], eine UNO-Kommission, der »African National Congress« (ANC) [vii], Erzbischof Desmond Tutu und die meisten noch lebenden Menschen, welche schon gegen die Apartheid in Südafrika gekämpft hatten, dass Israel heute ein Apartheid-Staat ist. Nur die Regierungspolitiker vieler westlicher Staaten wehren sich vehement dagegen, die Fakten anzuerkennen, gerade so wie in den 1960er bis in die 1980er Jahre im Fall von Südafrika, und verlängern dadurch das Leiden und die Not der unterdrückten Menschen. Für manche, weil es den eigenen rassistischen Ideen entspricht, was in Israel passiert, für die meisten Politiker jedoch einfach aus Opportunismus, und für viele deutsche Politiker aus Angst vor Sanktionen durch die Lobby israelischer Interessen, besonders vehement vertreten durch die Zeitschriften der Springer-Gruppe.

Mit anderen Worten: Welche Lehren ziehen die Abgeordneten des Deutschen Bundestages aus den Verbrechen von Auschwitz? Sie ziehen die Lehre aus der Geschichte Deutschlands, dass man einen Staat unterstützen muss, wenn die Staatsräson das verlangt, ungeachtet der Verbrechen, die dieser Staat begeht, und dass man die Augen verschließen muss vor dem Leiden und der Ungerechtigkeit, die einem Volk angetan wird. Wie anders kann man den Inhalt der Reden am 17. Mai und die Resolution interpretieren?

Während die junge Bundesrepublik die Apartheidregierung in Süd-Afrika mit U-Boot-Plänen unterstützte, ging der junge Staat Israel noch wesentlich weiter. Er unterstützte die Überlegungen der Apartheid-Regierung, Kernwaffen zu produzieren, und bot sogar an, solche zu liefern [viii].

»Geheime Dokumente Südafrikas enthüllen, dass Israel angeboten hatte, Kernwaffen-Gefechtsköpfe dem Apartheid-Regime zu liefern, was der erste dokumentatorische Beweis für den Besitz von Kernwaffen [Anmerkung: Israels] darstellt.« [ix]

Das zeigt die schon damals vorhandene Bereitschaft zur Akzeptanz einer Apartheid in der zionistischen Bewegung in Israel.

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Die Liste derjenigen, welche erklären, dass sich Israel in einen Apartheidstaat verwandelt hat ist lang und voller renommierter Persönlichkeiten. Einige werden in diesem Buch erwähnt. Daher will ich sie hier nicht redundant nennen. Was ich persönlich besonders interessant fand, war die Tatsache, dass auch Ehud Barak, ein israelischer Politiker und ehemaliger Premierminister, in die Reihe gehört.

Barak ist einer der Politiker, der einerseits zwar mörderische Aktionen staatlichen Terrorismus zu verantworten hat [x], andererseits sich aber um eine faire Lösung der Probleme mit den Nachbarn bemüht hatte. Er war es, der mit Assad einen Friedensvertrag ausgehandelt und mit der PLO eine Lösung der Besatzungsproblematik. Wurde dann aber aus dem Amt verdrängt und der mögliche Frieden durch seinen Nachfolger zerstört.

Und er hatte schon am 14. Juni 2016 vor der Politik gewarnt, die folgen würde. Nämlich, dass Israel die 1967 eroberten Gebiete behalten wolle, dass Israel alles tue, um eine Zweistaatenlösung zu verhindern, dass Israel einfach abwartet, dass die Welt seine geschaffenen Realitäten akzeptiert, dass Israel zwar eine Autonomie akzeptieren werde, aber keinen Staat auf dem Gebiet Palästinas, weil Israel darauf Anspruch erhebt. Und er erklärte, dass die Regierungen immer weiter Kolonien bauen werden, um unumkehrbare Fakten zu schaffen.

Und schließlich sagte er voraus, dass diese Fakten unweigerlich zu einem »Apartheid-Staat« führen müssen. Nur was den Widerstand in den Hauptstädten der Welt angeht, da hatte er den wohl überschätzt:

»'In den Hauptstädten der ganzen Welt - in London und in Washington, in Berlin und Paris, in Moskau und Peking - glaubt kein Staatschef mehr ein Wort, das aus dem Mund von Netanjahu und seiner Regierung kommt.'« [xi]

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Dass die Apartheidregeln in Israel immer stärker um sich greifen, seit das entsprechende Gesetz die Diskriminierung nicht jüdischer Menschen nun auch gesetzlich absichert, zeigt ein Bericht der Menschenrechtsorganisation Adalah (The Legal Center for Arab Minority Rights in Israel) im Juli 2019. Darin wird beschrieben, wie ein öffentlicher Park ausschließlich von jüdischen Menschen besucht werden soll [xii]. Nachdem die arabische Menschenrechtsorganisation Adalah eine Klage eingereicht hatte, verbot ein israelisches Gericht zunächst die Sperrung des Parks für nicht-jüdische Bürger.



[i] Spiegel Online: »Strauss – Üblicher Unsinn«, Spiegel, 156 Januar 1984, https://www.spiegel.de/spiegel/print/d-13509087.html

[ii] Johannes Kuhn: »Angst vor dem "schwarzen Terroristen"«, Süddeutsche, 6. Dezember 2013, https://www.sueddeutsche.de/politik/nelson-mandela-und-der-westen-angst-vor-dem-schwarzen-terroristen-1.1837367

[iii] Die Lieferung der U-Boote erfolgte, obwohl die Samson Doktrin Israels bekannt war. Diese ungeheuerliche Drohung bedeutet, dass, für den Fall, dass das zionistische Regierung eine militärische Niederlage erleidet, es Kernwaffen einsetzen wird, um Millionen von Menschen mit in den Untergang zu nehmen. In den 1970er Jahren wurde die Premierministerin Golda Meir gefragt: ‚Sie sagen, dass falls Israel jemals in Gefahr wäre, auf dem Schlachtfeld besiegt zu werden, wäre es bereit die Region und sogar die ganze Welt mit sich zu reißen?' Golda Meir: ‚Ja, das ist genau was ich sage' (Hart, Alan, Zionism: »The real enemy of the Jews«, World Focus Publishing, Kent: xii).

[iv] Peter Höver: »November 1986: Deutsche U-Boote für Bothas Südafrika«, SHZ, 22. Dezember 2013, https://www.shz.de/5260836

[vi] mhasanomar: »Jimmy Carter: Israel's Apartheid« YouTube, 6. April 2007, https://youtu.be/Xscq2nIKLHM

[vii] Sella Oneko: »Südafrika kappt diplomatische Verbindungen zu Israel«, DW, https://www.dw.com/de/s%C3%BCdafrika-kappt-diplomatische-verbindung-zu-israel/a-48256005

[viii] Chris Mc Greal:» Revealed: how Israel offered to sell South Africa nuclear weapons«, The Guardian, 24. Mai 2010, https://www.theguardian.com/world/2010/may/23/israel-south-africa-nuclear-weapons

[ix] Ebd.

[xi] Voltairenet: »Ehud Barak wirft der Regierung Netanjahu vor, Apartheid zu installieren«, Voltairenet.org, 17. Juni 2016, https://www.voltairenet.org/article192389.html

[xii] Adalah: »Israeli city takes aim at surrounding Arab communities, bans non-residents from public park«, Adalah, 2. Juli 2019, https://www.adalah.org/en/content/view/9758 Siehe auch Video: https://youtu.be/D3YKzdaNfGk