Der Atomwaffensperrvertrag – und wer ihn verletzt (12.04.2025)

 

Angesichts der Drohung von US-Präsident Trump, den Iran zu bombardieren, sollte dieser nicht seine potentielle Fähigkeit reduzieren, irgendwann eine Kernwaffe zu bauen, und durch konventionelle Raketen Israel zu bedrohen, rückt der Atomwaffensperrvertrag wieder ins Rampenlicht.

Den hat der Iran bestätigt, ist Teil davon und hat erklärt, keine Atombombe zu besitzen. Allerdings steht die Drohung im Raum, dass der Iran aus dem Vertrag aussteigen könnte, sollte es durch Israel oder die USA existentiell bedroht werden. Um es noch mal klar zu machen: Trump droht dem Iran, implizit auch mit Atomwaffenangriffen, sollte das Land nicht darauf verzichten, seine Abschreckung herunter zu fahren. Ich hoffe man versteht die Ironie in diesem Vorgehen. Zeit, um mal einen Blick zurück zu werfen, die Hintergründe zu beleuchten.

Der Atomwaffensperrvertrag

Immer wieder wird der Atomwaffensperrvertrag, besser Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen oder Nuklearer Nichtverbreitungsvertrag (NVV), als Grund genannt, warum man verhindern müsse, dass Staaten in den Besitz von Atomwaffen, genauer gesagt, Kernwaffen gelangen. Das wäre der Sinn des Atomwaffensperrvertrages, die Verbreitung von Kernwaffen zu verhindern. Allerdings ist dies nur die halbe Wahrheit. Der besagte Vertrag wurde zwar von den damaligen fünf Atommächten USA, Frankreich, China, Großbritannien und der Sowjetunion (Rechtsnachfolger ist Russland), initiiert, um zu verhindern, dass andere Staaten ebenfalls in den Genuss dieser schrecklichen Waffe gelangen. Aber um Länder dazu zu bringen, den Vertrag zu unterschreiben, gab es zwei Zuckerstückchen. Das Eine war eine Unterstützung der friedlichen Nutzung von Kernenergie durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO), das Andere war das Versprechen, dass diese Gründerstaaten sich ernsthaft über eine atomare Abrüstung und Ächtung von Kernwaffen unterhalten und letztlich einigen. Und gegen Letzteres haben alle Atom-Staaten, seit nunmehr über 50 Jahre verstoßen, mit einigen kurzen Unterbrechungen.

Allen voran modernisierten die USA ihr Kernwaffenarsenal und machten es „schlachtfeldtauglich“. Durch Verkleinerung der Sprengköpfe wurde die Doktrin der Abschreckung durch mögliche gegenseitige Vernichtung aufgegeben, und der Einsatz von Kernwaffen in allen Fällen angedroht, in denen den USA auf dem Schlachtfeld eine Niederlage droht. Auch Frankreich, Großbritannien und Russland modernisierten, wobei jedoch in allen Fällen darauf geachtet wurde, den Abschreckungseffekt nicht zu verwässern. Aber nur China, das Land mit einer der geringsten Anzahlen an Sprengköpfen, hatte bisher erklärt, in keinem Fall Kernwaffen als erstes Land einzusetzen. Für China sind diese Massenvernichtungswaffen lediglich zur Abschreckung eines Angreifers mit Kernwaffen gedacht. Während alle anderen Länder den Ersteinsatz in unterschiedlichen Szenarien als möglich beschreiben. Aber angesichts der Aggression der USA hat nun auch China begonnen, sein Atomwaffenarsenal auszubauen, statt wie im Vertrag vorgesehen abzubauen.

Während das Ziel des Atomwaffensperrvertrages ja eigentlich eine Ächtung von Kernwaffen ist, wurde dies systematisch von den Atomstaaten verweigert. Viel mehr wird die exklusive Beherrschung dieser Waffen als Druckmittel gegenüber Nicht-Atomstaaten verwandt, um sie militärisch einzuschüchtern, zu erpressen.

Die „nukleare Teilhabe“

Darüber hinaus verstoßen die USA mit ihrem Programm der „nuklearen Teilhabe“ gegen den Auftrag des Vertrages, Atomwaffen nicht zu verbreiten. Auch Deutschland gehört zu den Ländern, in denen die USA Kernwaffen stationiert hat, angeblich um einen „nuklearen Schutzschirm“ bereit zu stellen. Diese Bomben, die gerade durch moderne Versionen ersetzt wurden, und für deren Transport wir ein paar Milliarden für US-Bomber ausgaben, sollten von deutschen Piloten dann in US-Flugzeugen gegen Russland geflogen werden.

Der wirkliche Grund für die Stationierung der USA Atomwaffen in verschiedenen Ländern Europas ist aber, einen Atomkrieg auf Europa beschränken zu können. Mit anderen Worten, Deutschland soll als „Opfer“ im Fall eines Atomkrieges dienen. Sollten also die USA sich entschließen, in einem Konflikt mit Russland Atomwaffen einzusetzen, erhofft man den zweifellosen Rückschlag auf Europa reduzieren zu können, nämlich auf die Standorte, auf denen US-Atomwaffen stationiert sind. Zu den Ländern gehören Belgien, Deutschland, Niederlande, Italien, und die Türkei. Können die Angriffe abgewehrt werden, hätte die Luftabwehr funktioniert, und der Krieg könnte weiter gehen. Werden die Länder verwüstet, hätten die USA immer noch die Möglichkeit, einen Waffenstillstand zu vereinbaren, bevor die Raketen im eigenen Land einschlagen.

Die Proliferation

Interessant ist, wie die Atomstaaten mit jenen Staaten umgehen, die entgegen der erklärten Absicht des Atomwaffensperrvertrages, doch in den Besitz von Atomwaffen kommen. Als Indien sich zum Atomstaat erklärte, waren die USA zunächst erbost, boten dann aber sogar massive Unterstützung in der Atomforschung an. Ebenso wurde Pakistan quasi stillschweigend, akzeptiert. Und Israel wird von allen westlichen Ländern, natürlich am heftigsten von den USA, sogar drastisch unterstützt, obwohl das Land ebenfalls Kernwaffen entwickelt hat. Kernwaffen, für die Deutschland sogar in Form von teilweise kostenlosen, teilweise im Preis reduzierten U-Booten die notwendigen Träger lieferte, mit denen die Kernwaffen Israels nun weltweit eingesetzt werden können.

Seit Nordkorea aus dem Atomwaffensperrvertrag austrat, wobei es Formfehler beging, indem nicht alle Unterzeichner des Vertrages separat darüber informiert worden waren, gilt dieses Land jedoch als Paria und wird mit immer strengeren Sanktionen des Atomstaaten-Clubs, auch UN-Sicherheitsrat genannt, belegt.

Gegen den Iran wurden 2006 die ersten Sanktionen verhängt, allerdings auf Grund von gefälschten Beweisen. Und nachdem die USA den später mit dem Iran geschlossenen Atomvertrag (JCPOA) brachen, indem sie sich nicht an die Austrittsklauseln hielten, und neue Sanktionen verhingen, drohte zunächst der Austritt des Iran aus dem Atomwaffensperrvertrag und den damit verbundenen Kontrollen durch die IAEO. Durch das Verhalten der USA, unter stillschweigender Duldung der europäischen Staaten, schien der Iran quasi gezwungen, Kernwaffen als Abschreckung gegen Angriffe Israels oder der USA zu entwickeln. Insbesondere unter dem Eindruck, dass diese Abschreckung im Fall Nordkoreas zu funktionieren scheint.

Aber die klerikale Führung des Landes ließ nach wie vor keine Produktion von Massenvernichtungswaffen zu, blieb bei der Haltung, welche sie seit dem furchtbaren Krieg des Irak gegen das Land kontinuierliche eingehalten hatte.

Es gibt nur ein einziges Land, welches auf bereits vorhandene Atomwaffen verzichtete. Südafrika war im Besitz von Kernwaffen, gab das Atomwaffenprogramm auf, und vernichtete alle sechs Bomben im Jahr 1991. Der Irak, Syrien und Libyen, welche ein Atomwaffenprogramm hatten, aber gezwungen wurden es aufzugeben, wurden mehr oder weniger kurz danach zerbombt.

So lange Kernwaffen als ultimative Abschreckung funktionieren, werden immer mehr Staaten versuchen in den Besitz derselben zu kommen. Und offensichtlich werden die Atomstaaten erst dann ihren Widerstand gegen eine atomare Abrüstung aufgeben, wenn so viele andere Staaten über Atomwaffen verfügen, dass ihre eigenen keinen Sinn mehr ergeben. Nur wird sich dann das Bild umdrehen, und die „kleinen“ Atomwaffenstaaten werden sich weigern, ihre Abschreckung aufzugeben.

Chinas Atomwaffen

Kommen wir auf eine angebliche Weigerung Chinas, an den Atomabrüstungsgesprächen zwischen Russland und den USA teilzunehmen. Diese Nachricht ist nicht ganz korrekt. Vielmehr hatte China erklärt, an den Gesprächen teilzunehmen, unter einer Vorbedingung: Die USA und Russland müssten ihre Kernwaffen auf die Zahl reduzieren, welche China besaß. Und das erschien vollkommen logisch. Während die USA und Russland jeweils ungefähr 6000 Kernwaffen-Gefechtsköpfe verfügten, schätzte man das Arsenal Chinas auf ungefähr 300. Da die USA stattdessen aufrüsteten, entschloss sich China schließlich aufzustocken.

Chinas Atomwaffenarsenal war vergleichbar mit denen von Frankreich oder Großbritannien. Wenn die USA forderten, dass China teilnehmen müsse, warum mussten dann nicht gleichzeitig auch Frankreich und Großbritannien teilnehmen?

Und so ist derzeit China das einzige Land, das nach wie vor bereit ist, die Forderungen des Atomwaffensperrvertrages zu erfüllen, sobald sich die anderen Atommächte dazu bereit erklären. Fu Cong, der zuständige Beamte in Chinas Außenministeriums, verantwortlich für Abrüstungsfragen, erklärte im Jahr 2020:

Ich kann Ihnen versichern, dass, wenn die USA sagen, dass sie bereit sind, auf das chinesische Niveau herunterzukommen, China am nächsten Tag gerne teilnehmen wird. Aber eigentlich wissen wir, dass es nicht dazu kommen wird. Wir kennen die Politik der USA.

Zu behaupten, dass China mit seinen 300 Kernwaffen eine Bedrohung für die USA mit über 6000 darstellen würde, kann nur als lächerlich bezeichnet werden, wenn man davon ausgeht, dass Atomwaffen zur Abschreckung und Mittel der letzten Wahl dienen.

Nachdem die USA in den letzten Jahrzehnten einen Abrüstungsvertrag bzw. Rüstungsbegrenzungsvertrag nach dem anderen kündigten, stand die Verlängerung des START-Vertrages über die Reduzierung bzw. Beschränkung von weitreichenden Kernwaffen an. Einige Analysten befürchteten, dass dies der nächste Vertrag sein wird, der an der Haltung der USA scheitern wird. Trotzdem begannen aber die Verhandlungen zwischen Russland und den USA über einen STARTII oder NEW-START Vertrag. Immerhin wurde der Vertrag zunächst bis Februar 2026 verlängert.

Die Strategic Culture Foundation befürchtete, dass die Forderung der USA, China in die Gespräche aufzunehmen, als Vorwand dienen könnte, auch diese letzte Bremse gegen nukleare Aufrüstung torpedieren zu können, weshalb der Vertrag 2026 auslaufen könnte, und ein noch stärkeres nukleares Wettrüsten stattfinden könnte.

Eine noch unheilvollere Interpretation von Washingtons zweideutiger Position ist, dass es unangemessene Forderungen an China als Vorwand benutzt, um das START-Abkommen zu zerschlagen. Wenn Peking nicht dazu überredet werden kann, einem trilateralen Forum beizutreten, auf dem Washington besteht, dann werden sich die USA beim Scheitern auf Chinas angebliche ‚Bösartigkeit‘ berufen, um einen Pseudogrund für die Nichtverlängerung von START zu liefern. Ein solches Manöver der Trump-Administration wurde im vergangenen Jahr für den einseitigen Rückzug aus dem INF-Vertrag (Intermediate-range Nuclear Forces) eingesetzt, als die USA zweifelhafte Behauptungen anführten, Russland habe gegen diesen Rüstungskontrollpakt verstoßen.

Der Artikel fährt dann fort zu erklären, dass die US-Regierungen anscheinend versuchen, freie Hand für die Erweiterung ihrer Nuklearstreitkräfte zu erhalten.

Obwohl China wiederholt die USA aufgefordert hatten, ihr Denken des Kalten Krieges, das zu nichts Gutem für irgendeinen führt, aufzugeben, sieht es nicht so aus, als ob die USA dies tun würden. Vielmehr deutet alles darauf hin, dass man die nukleare Aufrüstung als letzte Chance dafür sieht, ein Erpressungspotential aufzubauen, mit dem die Welt ausreichend beeindruckt werden kann, um die sinkende Hegemonialmacht wieder zu stärken.

Ganz im Gegenteil, Washington scheint unbändig auf Krieg eingestellt zu sein. Das liegt daran, dass die amerikanische Außenpolitik in ihrem Kern hegemonial ist, angetrieben von der imperialistischen Logik ihrer kapitalistischen Wirtschaft und dem ihr innewohnenden Herrschaftsbedürfnis. Daher ist die friedliche Koexistenz ein Gräuel.

Atomwaffenfreie Zone Naher Osten

Die Forderung nach einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten, die maßgeblich vom Iran angetrieben wurde, hat eine lange Geschichte, die bis in die 1970er Jahre zurückreicht. Sie wurde erstmals 1974 vom Iran gemeinsam mit Ägypten in der UN-Vollversammlung eingebracht und seitdem jährlich in Resolutionen bekräftigt, oft mit breiter Unterstützung.

Ein wichtiger Versuch war eine geplante Konferenz von 2012 in Helsinki, die im Rahmen der Überprüfung des Atomwaffensperrvertrags (NPT) 2010 beschlossen wurde. Ziel war es, alle Staaten der Region – einschließlich Israel und den Iran – an einen Tisch zu bringen, um über eine Zone frei von Atomwaffen und anderen Massenvernichtungswaffen zu verhandeln. Israel und die USA haben das Zustandekommen der Konferenz erfolgreich verhindert.

Seitdem bemühen sich jedes Jahr bei der UN-Vollversammlung wieder die arabischen Staaten und der Iran darum, das Thema nicht sterben zu lassen. Und jetzt drohen die USA und Israel, den Iran auch atomar anzugreifen, wenn es nicht seine Möglichkeiten, potentiell eine Bombe zu bauen, und seine Abschreckungsfähigkeiten abbaut. Wie Irak, Libyen und Syrien.

Deutschlands Stellung

Die Führung von Deutschlands „staatstragenden“ politischen Parteien im Bundestag sind bereit, Deutschland als „Opfer-Anode“ in einem Atomkrieg einzusetzen, obwohl schon 2010 einmal eine Mehrheit der Abgeordneten die Regierung freundlich baten, mit den USA über einen Abzug der Atomwaffen aus Deutschland zu verhandeln. Das gleiche gilt für die Funktion als „größter Flugzeugträger“ der USA. Dabei spielt der Standort Ramstein eine herausragende Rolle. Ohne diesen Standort wären die USA nicht in der Lage, ihre weltweiten Drohnentötungen, von vielen Analysten Drohnenmorde genannt, durchzuführen.

So lange die Mitgliedschaft in der Atlantikbrücke und die Teilnahme am „Young Leaders Program“ dazu führt, in die Führungsriege dieser Parteien aufzurücken, wird sich daran wohl auch nichts ändern. Und da die deutschen Leitmedien eindeutig in der Hand von NATO-Sympathisanten sind, was nicht zuletzt eine Satire-Sendung enthüllte, als es noch erlaubte kritische Satire gab, wird auch von Seiten der Medien alles getan werden, um diesen Zustand des transatlantischen Vasallentums aufrecht zu erhalten.

Fazit

Die globale Zeitenwende mit akzeptiertem Völkermord in Syrien und Angriffskriegen, wie jetzt wieder durch die USA gegen den Jemen, zerstört die Nachkriegsordnung immer schneller. Der Iran ist inzwischen eingebunden in BRICS+ und die Die Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und andere regionale Organisationen. Die russische Duma hat diese Woche einen Freundschafts- und Kooperationsvertrag ratifiziert, der das Land noch enger mit dem Iran, auch in militärischer Hinsicht verbindet, und für China ist der Iran ein wichtiger Knotenpunkt für die neue Seidenstraße.

Während es für Israel der schon lange gehegte Traum ist, einen Konkurrenten auszuschalten, der auf dem Weg zur Eroberung von Großisrael hinderlich ist, stellt ein möglicher Krieg für die USA eine Möglichkeit dar, BRICS und insbesondere China zu schwächen. Aber natürlich wissen das auch die Führer dieser Länder. Deshalb gab es in den letzten Wochen intensive trilaterale Gespräche, wie der Iran mit der Bedrohung umgehen kann.

Es ist kaum zu glauben, dass die USA es wagen, den Iran bzw. seine Atomanlagen, ernsthaft anzugreifen. Dies wäre eine Katastrophe für die Weltwirtschaft, die sowieso durch den Zoll- bzw. Wirtschaftskrieg der Trump-Regierung deutlich leidet. Aber, wie Scott Ritter es sagt: Bei Trump muss man leider mit Allem rechnen, da er kein rational agierender Politiker ist.

Erstveröffentlichung:  https://tkp.at/2025/04/12/der-atomwaffensperrvertrag-und-wer-ihn-verletzt/